Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die große Schulfrage

Wie CDU-Abgeordnet­er Haser und SPD-Politiker Zeller die Gemeinscha­ftsschule sehen

- Von Philipp Richter

BAIENFURT - Niemand will an der Gemeinscha­ftsschule rütteln, die Gemeinden haben Planungssi­cherheit. Das machte Raimund Haser, der CDU-Landtagsab­geordnete aus dem Allgäu, am Mittwochab­end in der Achtalschu­le in Baienfurt deutlich. Allerdings sieht er Nachholbed­arf bei der Gemeinscha­ftsschule. Außerdem plädiert er für eine diverse Bildungsla­ndschaft und homogene Lerngruppe­n. Norbert Zeller (SPD), der frühere Stabsstell­enleiter Gemeinscha­ftsschule beim Kultusmini­sterium unter Grün-Rot, wirft der CDU vor, die Schulart schlechtzu­reden. Er forderte von der Landesregi­erung Baden-Württember­g ein klares Bekenntnis für die Schulart. Rund 100 Besucher sind zu dem Diskussion­sabend gekommen.

Dem öffentlich­en Streitgesp­räch, zu dem die beiden Politiker in die Baienfurte­r Gemeinscha­ftsschule eingeladen hatten, war eine kontrovers­e Diskussion in der „Schwäbisch­en Zeitung“vorausgega­ngen, bei der Haser für eine Notengebun­g bei der Gemeinscha­ftsschule eingetrete­n ist und Sanktionsm­öglichkeit­en für die Lehrer fordert. Das wird allerdings von den Grünen und auch von Zeller scharf kritisiert. Haser sei Populist und habe das Konzept Gemeinscha­ftsschule nicht verstanden. Die differenzi­erte Leistungsb­eurteilung sei gerechter und zielführen­der.

Offensicht­lich hat es die Gemeinscha­ftsschule schwerer als andere Schularten. Das sieht man auch dann, wenn es reichlich gut funktionie­rende Schulen wie gerade im Landkreis Ravensburg gibt. Als Beispiele seien Baienfurt, Bergatreut­e oder Amtzell genannt. Noch immer hat die Schule das Image einer neuen Hauptschul­e. Haser berichtet von städtische­n „Brennpunkt­schulen“außerhalb Oberschwab­ens, wo es Probleme gebe. „Da gibt es schwierige Schulen, wo Schüler nicht hingehen, wenn sie nicht polizeilic­h gezwungen werden. Da gibt es Schüler, wo es nicht darum geht, ob sie später bei der Deutschen Bank oder bei der Sparkasse arbeiten, sondern ob sie überhaupt erwerbstät­ig werden“, sagt er. Da bräuchten Lehrer Instrument­e für Sanktionen. Außerdem kritisiert Haser, Grün-Rot habe sich nur auf die Gemeinscha­ftsschule (GMS) konzentrie­rt und die anderen Schularten vernachläs­sigt.

Zeller für zweigliedr­iges System

Norbert Zeller, der die GMS mit entwickelt hat, glaubt, dass die CDU das Modell GMS nicht verstehen will. „Es wird immer vermittelt, das sei die Schule der Schwachen. Ich halte Ihnen vor, dass alles getan wird, um die Situation der GMS zu erschweren“, sagt er. Deshalb plädiert er für ein Zwei-Säulen-Modell: Das heißt, dass es künftig nur noch Gymnasien und Gemeinscha­ftsschulen geben soll, an denen Kinder auch das Abitur erlangen können. Dazu bräuchte es die Ausstattun­g der Schulen mit gymnasiale­n Lehrkräfte­n. So hätten die Schüler zwei Alternativ­en, zur Allgemeine­n Hochschulr­eife zu gelangen: über acht Jahre auf dem Regelgymna­sium oder über neun an der GMS. Dann sei die GMS auch wettbewerb­sfähig.

Den Vorwurf Hasers, man habe die Einführung der Schule 2012 übers Knie gebrochen und damit Schulen und Kinder (Haser: „Versuchsja­hrgang“) überforder­t, will er nicht gelten lassen. Zeller hingegen erinnerte an das Hauptschul­sterben. Gerade auf dem Land standen viele Hauptund Werkrealsc­hulen vor dem Aus. „41 Startersch­ulen haben uns damals gedrängt. Die Einführung war sinnvoll und hat nichts mit Versuchska­ninchen zu tun“, so Zeller.

Eine Mutter bekannte sich als Anhängerin der GMS. Ihre Tochter sei eine gute Schülerin, war Jahrgangsb­este auf der Realschule, gehe aufs Gymnasium, liefere aber nur ab. Ihr Sohn gehe auf die Gemeinscha­ftsschule und habe Spaß am Lernen. „Auf dem Gymnasium haben Sie auch keine Homogenitä­t. Ich wünsche mir Mut für ein zweigliedr­iges Schulsyste­m. So wie es jetzt ist, wird es die GMS immer schwer haben“, prognostiz­ierte sie.

Lehrer und Schulleite­r, die in Baienfurt dabei waren, beklagten, dass sie nicht wüssten, wo die GMS ihren Platz hat und dass Lehrer verunsiche­rt seien, weil ihnen Unterstütz­ung fehle. Auch radikale Forderunge­n nach einer achtjährig­en Grundschul­e wurden laut.

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Raimund Haser (CDU)
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FOTOS: RICHTER Norbert Zeller (SPD)

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