Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Rodungsverbot im Hambacher Forst und die Folgen
Oberverwaltungsgericht hat die Pläne des Energiekonzerns RWE bis auf Weiteres gestoppt
ESSEN (dpa) - Im Tauziehen um die Rodung des Hambacher Forsts hat der Energiekonzern RWE einen schweren Rückschlag erlitten. Das Unternehmen darf die Bäume an seinem Braunkohletagebau vorerst nicht abholzen. Wie geht es nach der Entscheidung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts von Freitag weiter?
Muss RWE die Förderung im Tagebau Hambach jetzt einstellen?
Nein. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat entschieden, dass RWE weiter Braunkohle abbauen darf, solange dafür nicht die bewaldeten Flächen des Hambacher Forsts in Anspruch genommen werden. Wie lange RWE fördern kann, ist unklar. Der Konzern hat betont, um den Wald könne nicht herumgebaggert werden. Bereits im kommenden Jahr müssten die Abbaugeräte auf der obersten Sohle des Tagebaus den Betrieb einstellen, erklärte RWE nach der Gerichtsentscheidung.
Warum wollte RWE sofort mit den Rodungen beginnen?
Die Abholzung des Waldes ist nach RWE-Angaben nötig, damit der Kohleabbau nicht in zwei Jahren zum Erliegen kommt. Demnach schreitet der Kohleabbau pro Jahr etwa 150 Meter voran, die Abbaukante sei inzwischen auf 300 Meter an den Wald herangerückt. Der Umweltverband BUND widerspricht dieser Darstellung und beruft sich dabei auf Luftbilder aus verschiedenen Jahren. Sie zeigten, dass die Bagger deutlich langsamer vorankämen.
Kann RWE die Kohle aus Hambach ersetzen?
Das Unternehmen sagt Nein. Rund 40 Millionen Tonnen Braunkohle fördert RWE pro Jahr aus Hambach, seinem größten Tagebau. 35 Millionen Tonnen sind es im benachbarten Garzweiler. Beide Tagebaue versorgen die RWE-Braunkohlekraftwerke über ein 32 Kilometer langes Schienennetz mit dem Brennstoff. „Wir können die Kohle nicht einfach mit der aus Garzweiler ersetzen“, hatte der für Braunkohle zuständige Vorstand der RWE Power AG, Lars Kulik, dem „Handelsblatt“gesagt.
Hat der Rodungsstopp Folgen für die Stromversorgung?
Nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts kurzfristig nicht. RWE und die zuständige Bezirksregierung hätten nicht belegt, dass die sofortige Abholzung im Interesse des Gemeinwohls notwendig sei, weil anderenfalls die Energieversorgung bundes- oder landesweit nicht mehr gewährleistet wäre. RWE verweist darauf, dass Hambach 15 Prozent des Strombedarfs in Nordrhein-Westfalen deckt. Diese Strommenge würde bei einem Ausfall der aus Hambach belieferten Kraftwerke fehlen. Nach mehreren Studien lässt sich Braunkohlestrom in diesem Umfang aber ersetzen.
Welche finanziellen Folgen hätte ein Hambach-Aus für RWE?
Ein kurzfristiger Verzicht auf den Tagebau würde den Konzern vier bis fünf Milliarden Euro kosten, hatte Vorstandschef Rolf Martin Schmitz gesagt. Den wirtschaftlichen Schaden durch den Rodungsstopp beziffert RWE pro Jahr auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag ab 2019. Die Börse reagierte prompt mit Kursverlusten. Der Börsenwert von RWE schrumpfte am Freitag binnen weniger Stunden um mehr als eine halbe Milliarde Euro.
Und die Folgen für die Arbeitsplätze?
Das ist laut RWE noch nicht absehbar. Zunächst müsste es umfangreiche bergbauliche Untersuchungen geben. Erst danach seien die Folgen für die Beschäftigten im Tagebau und den Kraftwerken abschätzbar.
Wie geht es vor Gericht weiter?
Der Fall liegt jetzt wieder beim Verwaltungsgericht Köln. Es muss über die BUND-Klage gegen den Hauptbetriebsplan für den Tagebau entscheiden.