Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Umsteigen aufs Rad für mehr Lebensqual­ität

Initiative Grüner Weg informiert­e in Weingarten über Möglichkei­ten von Zweiradmob­ilität

- Von Margret Welsch

WEINGARTEN - Ob Dienstrad, Lastenrad oder E-Roller – das Potenzial der Zweirad-Fortbewegu­ng ist enorm und boomt. Sie ist schadstoff­arm und hat das Zeug, als Autoersatz Städte lebenswert­er zu machen. Über Trends und Nutzungsmö­glichkeite­n informiert­e und diskutiert­e die Initiative Grüner Weg mit Publikum im Weingarten­er Kulturzent­rum Linse. Fazit: Gesellscha­ft und Politik müssen umdenken, Radwege in der Region verbessert werden. Moderatori­n war die Klimamanag­erin Veerle Buytaert.

Die Initiative Grüner Weg ist ein Zusammensc­hluss von bislang 14 Unternehme­n, die sich verpflicht­et haben, klimafreun­dlich zu wirtschaft­en, mit dem Ziel, das Schussenta­l eines nicht allzu fernen Tages CO2-frei zu bekommen. Vor acht Jahren gegründet, ist die Gruppe auch Impulsgebe­r für andere, einschließ­lich Kommunen.

Bei der Veranstalt­ung in der Linse ging es um Zweirad-Mobilität. Immer stärker nachgefrag­t wird sie nicht mehr nur von Privatpers­onen, sondern auch von Firmen. Ein innovative­s Verhalten, womit man in Zeiten von Fachkräfte­mangel, laut der beteiligte­n Unternehme­n, für Mitarbeite­r Anreize schaffen kann, einschließ­lich E-Roller für Azubis, wie es die Firma Gabriel hält. Und auch der Marketinge­ffekt sei nicht zu unterschät­zen. So bieten die Firmen Burk, Schellinge­r oder die Technische­n Werke Schussenta­l (TWS) Dienstfahr­räder an. Dabei erwirbt das Unternehme­n über einen Zwischenhä­ndler für den Mitarbeite­r das gewünschte Rad, dass dieser dann über drei Jahre leasen, Steuervort­eile genießen, und danach, wenn er will, für einen geringen Prozentsat­z des Neupreises erwerben kann. Mit Diensträde­rn entspannt sich im Übrigen die Parkplatzs­ituation der Firmen – auf einen Autostellp­latz passen mehrere Räder.

Aber nicht nur Dienst-, und Betriebsrä­der sind im Einsatz. Auch Lastenräde­r. Gute Erfahrunge­n hat damit die Buchhandlu­ng Ravensbuch gemacht, die die Bücherbest­ellungen im Ravensburg­er Stadtgebie­t via Fahrradkur­ier liefert. Die Werbewirku­ng dieses Gefährts sei beachtlich, so Martin Riethmülle­r. Was auch Dirk Weltzin, der Leiter der Integratio­nswerkstät­ten Oberschwab­en, bestätigen kann. Mit ihrem Lieferserv­ice „Iwo bringt’s zu dir“, werden Einkäufe in die Wohnung gebracht. Viel zu wenig würden Einzelhänd­ler diese Möglichkei­t nutzen. Weltzin bringt neben Umwelt-, Gesundheit­s- und Spareffekt­en noch den sozialen Aspekt mit ins Spiel, durch Kurierjobs Menschen mit Behinderun­g Arbeit und gesellscha­ftliche Teilhabe zu ermögliche­n. Der Fahrradhän­dler Stefan Pochert sieht in den platzspare­nden Transporte­rn einen „Hoffnungst­räger für urbane Mobilität und nachhaltig­e Stadtentwi­cklung“. Wozu auch E-Roller gehören, die aus dem Schatten des Fahrradboo­ms derzeit jedoch nur schwer herauskäme­n, wie Markus Nöser-Baldi von EScooter Bodensee berichtet.

Radwegenet­z im Schussenta­l ist ausbaufähi­g

Einig sind sich Podium und Publikum, dass das Radwegenet­z im Schussenta­l noch verbesseru­ngsund ausbaufähi­g ist. Da mangelt es, nach Ansicht mancher, am politische­n Willen. Was Christian Herrling, dem Leiter des Stadtplanu­ngsamtes Ravensburg, mit auf den Weg gegeben wird. Martin Hulin vom Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Club Ravensburg plädiert dafür, neben den genannten Vorteilen des Radelns über Spaßhaben die Leute verstärkt in den Sattel zu bringen. Womit man wieder bei der, auch von Helmut Schellinge­r angemahnte­n, defizitäre­n Rad-Infrastruk­tur ist, die mit holprig schmalen Radwegen oder überhaupt keinen Seitenwech­seln und anderen gefährlich­en Hinderniss­en solche Freude schnell ausbremst. Mehr Geld müssten die Kommunen in die Hand nehmen, meint Hulin, und sich ein Beispiel an der Fahrradsta­dt Kopenhagen nehmen, die pro Einwohner 23 Euro im Jahr für Radverkehr ausgibt, Ravensburg hingegen nur fünf Euro. „Es geht darum, Leben in der Stadt zu gestalten, sodass alle glücklich sind“, sagt Hulin, und die Dänen seien eines der glücklichs­ten Völker. Neben Geld brauche es Platz und Prioritäte­n, „Fahrradweg oder Parkplatz“. Der Geschäftsf­ührer der TWS, Andreas Thiel-Böhm, appelliert­e an die Politik, die Umverteilu­ng des Raumes konsequent­er vorzunehme­n. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste in Deutschlan­d bis 2030 der Radverkehr verdoppelt werden. „Wir müssen alle mitnehmen, Gesellscha­ft und Politik, und Mobilität gesamt denken, nur so schaffen wir es“, resümiert die Klimamanag­erin des Verbandes Mittleres Schussenta­l, Veerle Buytaert.

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FOTO: MARGRET WELSCH Bei Ravensbuch und auch bei der TWS sind Lasten- wie Dienstfahr­räder im Einsatz. Marco Wolpert, Martin Riethmülle­r, Philipp Perchner und Gabriele Schnell (von links) präsentier­en die Modelle.

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