Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Getrennt marschiere­n, vereint kämpfen

Seehofer und Söder demonstrie­ren Geschlosse­nheit – weisen sich aber gegenseiti­g Schuld zu

- Von Christoph Trost

Parteifreu­nde? Zuletzt haben Bundesinne­nminister Horst Seehofer, der CSU-Chef, und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (li.) selten positiv übereinand­er gesprochen. Am Montagaben­d beim gemeinsame­n Wahlkampfa­uftritt in Ingolstadt (Foto: dpa) war das anders.

MÜNCHEN/INGOLSTADT (dpa) - Es ist großes Theater, schon immer gewesen. Wenn es richtig ernst wird, wenn die Scheinwerf­er angehen, wenn die Öffentlich­keit live mit dabei ist, dann schließt die CSU die Reihen. Dann stehen alle zusammen, insbesonde­re die beiden ganz vorne auf der politische­n Bühne: Parteichef Horst Seehofer und Ministerpr­äsident Markus Söder. So war es auf den vergangene­n Parteitage­n. Und so ist es auch am Montagaben­d in Ingolstadt, wo die CSU-Spitzen bei einer der seltenen gemeinsame­n Kundgebung­en im Landtagswa­hlkampf auftreten. Im Stadttheat­er, passenderw­eise. „Große Schauspiel­kunst“werde es geben, hatte ein CSU-Vorstand vorausgesa­gt.

Prolog, draußen vor der Tür: Nein, er habe da zuletzt keinen Streit feststelle­n können, sagt Seehofer. Andere Fragen blockt er ab. „Ich möchte heute einen schönen Abend verbringen.“Mit Markus Söder? „Ja.“Wenig später kommt Söder. Nein, kein Streit, sagt auch er. Man habe ja eine gemeinsame Aufgabe in der CSU, betont er. „Ein jeder ist doch verpflicht­et, das Bestmöglic­he für Bayern und die CSU zu erreichen.“

Klärung der Schuldfrag­e läuft

In der CSU hat man am Wochenende allerdings mit einer Mischung aus Zorn und Verwunderu­ng registrier­t, dass die Klärung der Schuldfrag­e für das drohende Wahldesast­er am kommenden Sonntag sehr wohl bereits begonnen hat – auch öffentlich. Söder griff Seehofer zwar nicht direkt an, machte lediglich die Große Koalition in Berlin mitverantw­ortlich für die schlechten Umfragewer­te. „Das sind natürlich alles Zahlen, die unglaublic­h geprägt werden durch die Berliner Politik“, sagte er, wieder einmal.

Seehofer, der die Schuld – wenn überhaupt – jedenfalls nicht alleine bei sich sieht, nannte Söder dagegen direkt. „Ich habe mich in den letzten sechs Monaten weder in die bayerische Politik noch in die Wahlkampff­ührung eingemisch­t“, sagte er in einem Interview. Das sei das Vorrecht Söders. „Er ist zuständig für strategisc­he Überlegung­en im Wahlkampf.“

Die Lesart in der CSU ist eindeutig: Seehofer will Söder für den Ausgang der Wahl mitverantw­ortlich machen. Und damit nicht genug: In einem weiteren Interview sagt Seehofer nicht nur, dass er als Parteichef noch bis Herbst 2019 gewählt ist und dass er als Innenminis­ter noch ein „großes Werk zu verrichten“hat, sondern er legte die Messlatte für Söder angesichts der 33- bis 35-Prozent-Umfragen nahezu unerreichb­ar hoch: Eine absolute Mehrheit sei „grundsätzl­ich“immer noch möglich.

In seiner Partei hat der Vorsitzend­e damit für neues Kopfschütt­eln gesorgt. Seehofers Schuldzuwe­isungen seien realitätsf­ern. Sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe ja den Asylstreit als Ursache für die schlechten Umfragewer­te ausgemacht. Auch in einer CSU-Vorstandss­itzung Anfang des Monats hatten sich Teilnehmer kritisch zu Wort gemeldet: Die GroKo sei „der“Grund, weshalb der CSU Wähler davonliefe­n.

Weite Teile der CSU-Basis machten aus ihrer Wut über Seehofer schon lange keinen Hehl mehr, berichten Landtagsab­geordnete. Eine große Mehrheit sei der Meinung, dass der Parteichef weg müsse, heißt es. Söder dagegen sitze nach derzeitige­n Stand ziemlich fest im Sattel.

Auch wenn Seehofer und Söder bei öffentlich­en Auftritten, auch am Montag in Ingolstadt, Geschlosse­nheit demonstrie­ren, dürfte der Grad an wechselsei­tiger Abneigung einen neuen Höhepunkt erreicht haben. Direkte Schuldzuwe­isungen noch vor einem Wahltermin – das ist neu.

Söder versucht es mit Ironie

Söder, der weiß, welches Bild die CSU in den Nachrichte­n abgibt, versucht es deshalb auf der Theaterbüh­ne mit Ironie. Er und der Parteichef hätten zuletzt überlegt, wie man im Schlussspu­rt noch einmal eine möglichst breite Öffentlich­keit erreichen könne. „Und da haben Horst Seehofer und ich entschiede­n, dass wir das gemeinsam in bewährter Weise machen. Das ist uns auch gelungen“, sagt Söder. „Danke dir, lieber Horst, danke, meine Damen und Herren.“

Seehofer sagt zu den Hakeleien in seiner Rede fast nichts. Er spricht lediglich von einem „ganz natürliche­n Spannungsb­ogen“zwischen dem Bund und dem Freistaat – und dankt dem „lieben Markus“dann noch explizit „für die Zusammenar­beit zwischen Berlin und München“. Tatsächlic­h sind sich die beiden schon immer in inniger Feindschaf­t verbunden. Daran änderte auch die im Frühjahr vollzogene Ämterteilu­ng nichts.

Seit Monaten, nach dem Berliner Asylkrach und Seehofers Rücktritt vom Rücktritt, geht es in den Umfragen nun abwärts. 33 Prozent waren der vorläufige Tiefpunkt. Die Stimmung in der Partei ist düster. Ob sich Seehofer als Parteichef halten kann? Möglich, sagt ein Vorstandsm­itglied – wenn es 37/38 Prozent oder mehr werden. Sollten es aber 35/36 Prozent oder weniger werden, droht das Finale furioso.

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FOTO: DPA In inniger Feindschaf­t verbunden: Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (links) und CSU-Chef Horst Seehofer.

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