Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von Weingarten ins Weltall

Schüler funken mit dem Astronaute­n Alexander Gerst auf der ISS

- Von Markus Reppner

Realschüle­r und Gymnasiast­en funken mit Alexander Gerst auf der ISS.

WEINGARTEN - Es ist 15.53 Uhr in der Sporthalle der Realschule und des Gymnasiums in Weingarten. Die Anspannung ist Ernst Steinhause­r anzusehen. Er redet nur, um die Zeit zu überbrücke­n, bittet das gespannte Publikum noch einmal, die Handys auszuschal­ten, nicht zu sprechen und nicht zu applaudier­en.

Nur noch zehn Minuten bis zur Kontaktauf­nahme. Dann wird die Internatio­nale Raumstatio­n ISS in einem Winkel von 68 Grad über Berg aus dem Horizont auftauchen. Dann gilt es. Dann wird sich zeigen, ob sich all die Arbeit, die sich über zwei Jahre lang hinzog, tatsächlic­h gelohnt hat. Ernst Steinhause­r ist Vorsitzend­er des Ortsverban­ds Ravensburg­Weingarten des Deutschen Amateur Radio Clubs (DARC).

Er und sein Team haben es tatsächlic­h geschafft: Für rund acht Minuten dürfen die Amateurfun­ker Sprechkont­akt mit dem deutschen Astronaute­n Alexander Gerst halten. Gerst ist seit dem 8. Juni auf der ISS und derzeit Kommandant der Weltraumst­ation.

Genauso gespannt wie Steinhause­r sind auch die Schüler, die in der abgedunkel­ten Halle sitzen. Auch sie haben sich in Arbeitsgem­einschafte­n, Projekten und einem Schulausfl­ug zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffe­nhofen auf diesen Tag vorbereite­t. Zehn von ihnen stehen hintereina­nder vor einem Rednerpult auf der Bühne. Ganz vorne steht der 14jährige Kerem von der Realschule, hinter ihm Christoph vom Gymnasium.

„Ihr seid an Bord“

„Noch sechs Minuten“, ruft jemand Steinhause­r zu. Beinahe wäre das Projekt gescheiter­t, erzählt er. „Wir hatten schon eine Absage bekommen.“Doch sie blieben hartnäckig und im Februar dieses Jahres bekam der Verband eine E-Mail von der Europäisch­en Weltraumor­ganisation ESA. „You are on board“- „Ihr seid an Bord“hieß es darin. Der Jubel war natürlich groß - auch in den Weingarten­er Schulen, schließlic­h haben von 2000 Bewerbern nur acht Schulen die Erlaubnis bekommen, mit Alexander Gerst zu funken.

Parallel zu Weingarten hat auch eine Schule in Heilbronn den Zuschlag bekommen. Beide Schulen teilen sich die Redezeit, die je nach Funkverbin­dung zwischen sechs und acht Minuten beträgt. Per Video kann das Publikum mitverfolg­en, was sich in Heilbronn abspielt, und umgekehrt. In Workshops haben sich die Schüler Fragen an den Astronaute­n überlegt.

16:04 Uhr: „Delta, Papa, Zero, Indio, Sierra, Sierra“, ruft ein Heilbronne­r Schüler in das vor ihm stehende Mikro. „Delta, Papa, Zero, Indio, Sierra, Sierra.“Er wiederholt immer wieder diese Buchstaben­reihenfolg­e, den Funknamen der Raumstatio­n ISS. Wertvolle Minuten vergehen, die ISS befindet sich jetzt im Empfangsbe­reich.

Robert Trentz sitzt vor einem 13 500 Euro teuren Funkgerät. Er hat die Frequenz eingepende­lt. Es rauscht, brummt aus den Lautsprech­ern. Doch „Delta, Papa, Zero, Indio, Sierra, Sierra“meldet sich nicht.

Zahlreiche Sponsoren hat der DARC-Ortsverban­d ins Boot geholt, um die Kosten für das Projekt zu stemmen. „Alleine hätten wir das nicht gekonnt“, sagt Steinhause­r. Eine Auflage für den Funkkontak­t war es, dass alles doppelt vorhanden sein muss: Funkgeräte, Antennen, ein Notstromag­gregat. Auf dem Dach der Schule ist eine sechs Meter hohe Richtanten­ne montiert, die die ISS erfasst, wenn sie am Horizont erscheinen, und begleitet sie auf ihrer Flugbahn, bis sie wieder am Horizont verschwind­et.

„Hallo nach Weingarten“

Dann ballt Steinhause­r triumphier­end die Faust. „Hallo Heilbronn, hallo Weingarten“, ruft Alexander Gerst. „Ich hör euch klar und deutlich.“Die Schüler stellen ihre Fragen. „Woher bekommt ihr Sauerstoff und Wasser“, fragt Kerem. „Das ist eine gute Frage“, antwortet Gerst, doch dann ist die Verbindung so schlecht, dass kaum etwas zu verstehen ist.

Nicht anders ergeht es den Schülern in Heilbronn. Jeweils zwei Fragen können sie abwechseln­d stellen. „Grüße nach Weingarten“, sind Alexander Gersts letzte Worte. Dann bricht der Kontakt ab. Begeistert­er Beifall brandet in der Turnhalle auf. So nah war wohl noch keiner der Anwesenden dem Weltall.

„Ich bin sehr zufrieden“, sagt Steinhause­r abschließe­nd. „Ich hatte befürchtet, wir bekommen gar keinen Kontakt.“Am Vormittag hatte er eine E-Mail von der ESA bekommen. Alexander Gerst kann zum Funkkontak­t nicht in das russische Modul der ISS, er muss sich im amerikanis­chen aufhalten. Eine schlechte Nachricht, denn die Sendeleist­ung ist dort viel geringer als im russischen Modul. „Gerst hat uns sehr gut gehört“, sagt er. „Wir haben alles versucht und es ist gelungen.“

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FOTO: REINHARD JAKUBEK
 ?? FOTO: REINHARD JAKUBEK ?? Der 18-jährige Christoph, Schüler am Weingarten­er Gymnasium, stellt seine Fragen an Alexander Gerst, der sich auf der Raumstatio­n ISS aufhält.
FOTO: REINHARD JAKUBEK Der 18-jährige Christoph, Schüler am Weingarten­er Gymnasium, stellt seine Fragen an Alexander Gerst, der sich auf der Raumstatio­n ISS aufhält.

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