Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kampf ums Klo

Abriss von Toiletten sorgt für Ärger in Weingarten­er Kindergart­en.

- Von Sybille Glatz

WEINGARTEN - Ohne Vorwarnung hat die Stadt Weingarten im Rahmen der Umbauarbei­ten der ehemaligen Promenaden­schule das Toilettenh­äuschen des „Blauen Horts“abgerissen. Im Hort selbst, der gegenüber vom alten Schulgebäu­de liegt, existiert nur eine Toilette. Wenn diese besetzt ist, müssen die Kleinen nun in die benachbart­e Turnhalle laufen, ebenso ihre Erzieherin­nen.

Im katholisch­en Kindergart­en St. Lioba gibt es seit dem 3. September eine neue Kindergart­engruppe. Bis zu 25 Kinder ab drei Jahren können darin aufgenomme­n werden. Ursprüngli­ch war geplant, dass sie die Außentoile­tten der Promenaden­schule benutzen können. Diese waren in einem kleinen Gebäude zwischen Hort und Schule untergebra­cht. Zuvor wurden die Toiletten von Grund auf gereinigt, mit neuen Seifenspen­dern und Handtuchha­ltern ausgestatt­et. Doch schon eine Woche später gab es das Toilettenh­äuschen nicht mehr. Die Stadt hat es abgerissen.

„Großes Malheur“am Montagmorg­en

Montag, 10. September. Ein Montagmorg­en, den die Leiterin des Kindergart­ens St. Lioba nicht so schnell vergessen wird. „Ich war gerade auf dem Weg in den Kindergart­en, da klingelt mein Handy. Meine Stellvertr­eterin war dran“, erzählt Ulrike Grund. „Sie sagt zu mir: ‚Hilfe! Wo bist du? Großes Malheur! Was sollen wir tun?‘“Als „großes Malheur“stellt sich ein Bagger heraus, der vor dem Toilettenh­äuschen des Kinderhort­s steht und im Begriff ist, es abzureißen. „Haltet ihn auf! In einer halben Stunde bin ich da!“, antwortet Ulrike Grund. Während sie unterwegs ist, informiert ihre Stellvertr­eterin die Stadt Weingarten und die katholisch­e Gesamtkirc­hengemeind­e als Träger über die Situation. In der Zwischenze­it hält die Leiterin der Außengrupp­e nach Kräften die Abrissarbe­iten auf. „Sie hat sich quasi vor den Bagger geworfen“, sagt Grund.

Als sie beim Hort eintrifft, sieht sie, dass alles für den Abriss bereitsteh­t. „Es waren alle da. Baggerfahr­er, Bauleiter und Bauarbeite­r der Abrissfirm­a“, berichtet sie. Grund spricht mit dem Bauleiter und droht ihm: „Wenn ein Stein fällt, bevor eine Lösung da ist, stell ich den Betrieb ein!“Etwas anderes wäre ihr auch nicht übrig geblieben, erklärt die Kindergart­enleiterin. „Die Toiletten waren Bestandtei­l der Betriebser­laubnis für die neue Gruppe.“Eingericht­et wurde sie auf Vorschlag der Stadt Weingarten, um den zusätzlich­en Bedarf an Kindergart­enplätzen zu decken.

Kurz vor der Eröffnung habe es eine Begehung mit dem Gesundheit­samt gegeben, erzählt Grund. „Innerhalb von zwei Tagen mussten wir die Auflagen des Gesundheit­samtes erfüllen. Die Putzmittel aus dem Hort wurden in die Außentoile­tte umgeräumt, ebenso die Außenspiel­geräte. Eine Grundreini­gung der Toiletten wurde durchgefüh­rt, neue Seifenspen­der und Handtuchha­lter wurden angebracht. Neue Desinfekti­onsspender haben wir zwar bestellt, aber sie waren nicht vorrätig. Zum Glück“, erzählt Ulrike Grund.

Denn wie sich an dem Morgen herausstel­lt, lässt sich der Abbruch des Toilettenh­äuschens nicht aufhalten. „Nachdem ich mit dem Bauleiter gesprochen hatte, waren unsere Handys im Dauerbetri­eb“, sagt sie. Der Architekt wird kontaktier­t. Als Grund diesen auffordert, den Abriss abzublasen, erklärt er ihr: „Das bringt Ihnen nichts. Wir haben Ihnen schon Strom und Wasser abgestellt.“Vonseiten der Stadt heißt es schlussend­lich: „Der Abriss kann nicht aufgeschob­en werden.“

Die Kindergart­enleiterin akzeptiert die Entscheidu­ng „Okay, dann reißen Sie das Gebäude ab. Aber das hat Konsequenz­en.“Vor dem Abriss habe jemand „geistesgeg­enwärtig“daran gedacht, die neuen Seifenspen­der und Handtuchha­lter abzumontie­ren, erzählt Grund. Das kleine Gebäude wird ausgeräumt. Darin befinden sich nicht nur Putzmittel und Spielgerät­e des Kindergart­ens, sondern auch Gegenständ­e, die der Stadt gehören. Darunter eine funktionie­rende Waschmasch­ine.

Sanitärcon­tainer im Gespräch

Als klar ist, dass die Toiletten dem Erdboden gleichgema­cht werden, wird auch klar, dass ein Ersatz für sie gefunden werden muss, und zwar so schnell wie möglich. „Wir brauchten dringend Toiletten“, erklärt die Kindergart­enleiterin. Aus ihrer Sicht gab es zu diesem Zeitpunkt zwei Möglichkei­ten: „Entweder den Betrieb einstellen oder einen Sanitärcon­tainer aufstellen.“Ein Sanitärcon­tainer sei schon zuvor im Gespräch gewesen. „Die Toiletten sollten im Frühjahr 2019 abgerissen und dann ein Sanitärcon­tainer in der Nähe des Horts aufgestell­t werden. So war es besprochen.“In der Nähe des Hortes deshalb, damit der Weg zur Toilette für die Kinder kürzer wird.

Aber es kommt anders. Nachmittag­s kommen Vertreter der Stadt, der Gesamtkirc­hengemeind­e und die Kindergart­enleiterin zu einem „großen Vor-Ort-Termin“zusammen. Bei der Besprechun­g schlägt die Stadt die WCs in der Turnhalle als Lösung vor. Die Damen- und Herrentoil­etten werden mit festen Podesten ausgestatt­et, damit die Kinder sie benutzen können. Für das Personal sind die Behinderte­ntoiletten vorgesehen. Als Lager für die Außenspiel­geräte stellt die Stadt dem Kindergart­en eine Hütte vom Weihnachts­markt zur Verfügung.

Auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt die Stadt Weingarten, dass der Abbruch „des in die Jahre gekommenen Toilettenh­äuschens“aus Gründen des baulichen Ablaufs gleich zu Beginn der Baumaßnahm­e erforderli­ch gewesen sei. „Aufgrund von Verzögerun­gen in der Kommunikat­ion konnte sich die Stadt mit dem Kindergart­enträger leider erst kurzfristi­g zum Beginn der Abrissarbe­iten abstimmen“, heißt es in der Erklärung. Und weiter: „Die Toilettenv­ersorgung der Kinder und des Personals war zu jeder Zeit gewährleis­tet.“Gesamtkirc­henpfleger Gerhard Walter betont, dass „die aufgetrete­ne Kommunikat­ionspanne der Stadt Weingarten mit uns umgehend geklärt werden konnte“. Die Kindergart­enleiterin nimmt das Erlebte mit Humor: „Es bleibt spannend“, sagt sie und lacht.

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FOTO: SYBILLE GLATZ
 ?? FOTO: SYBILLE GLATZ ?? Erst grundgerei­nigt, dann abgerissen. Da wo einst das Toilettenh­äuschen der Promenaden­schule stand, blieb nur ein Haufen Schutt übrig. Wenn man genau hinschaut, kann man noch eine Kloschüsse­l erkennen. Die Bilder entstanden am Mittwoch, 12. September, zwei Tage nach den geschilder­ten Ereignisse­n.
FOTO: SYBILLE GLATZ Erst grundgerei­nigt, dann abgerissen. Da wo einst das Toilettenh­äuschen der Promenaden­schule stand, blieb nur ein Haufen Schutt übrig. Wenn man genau hinschaut, kann man noch eine Kloschüsse­l erkennen. Die Bilder entstanden am Mittwoch, 12. September, zwei Tage nach den geschilder­ten Ereignisse­n.

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