Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Frust: Bürger können wenig gegen neue Kiesgruben tun
Infoveranstaltung macht wenig Hoffnung auf Umdenken des Regionalverbandes
RAVENSBURG - Seit Jahrzehnten müssen die Anwohner der Ortschaft Eschach, vor allem an den Durchgangsstraßen, Kieslastverkehr ertragen. Das könnte in den nächsten Jahren noch viel schlimmer werden: In Kögel bei Gornhofen ist eine Erweiterung der Kiesgrube um 10,8 Hektar geplant, was etwa der Größe von 15 Fußballfeldern entspricht. In Knollengraben ist eine Erweiterung um 4,8 Hektar im Gespräch. Auch von dort wird der Kies nicht durch die Innenstadt von Ravensburg, sondern über Kemmerlang und Oberhofen abtransportiert. Auf einer Informationsveranstaltung am Mittwochabend im Rathaus Oberhofen, die die CDU gefordert hatte, machten etwa 40 Bürger ihrem Ärger Luft.
Die Anwohner machen sich Sorgen ums Trinkwasser und die intakte Natur, wenn die Gruben erweitert werden. Hauptsächlich stört sie aber der Verkehr. „Unzumutbar“und „unerträglich“sei die Situation jetzt schon. Anwohner der Gornhofener Straße schildern, dass sie sich mittags vor dem Haus nicht mehr unterhalten können, wenn die Kieslaster vorbeibrettern. Bis zu 99 Dezibel will jemand gemessen haben. Eine Frau sagte, sie baue wegen des Schmutzes, der durch die Lastwagen aufgewirbelt wird, und wegen der Abgase schon kein Obst mehr an. Die Besitzerin eines Hauses in einer engen Kurve an der Kemmerlanger Straße erzählt, dass an ihrem Wohngebäude schon mehrmals von Schwerlastern die Regenrinne abgerissen worden sei. „Als mein Mann noch lebte, konnte er sie selbst reparieren. Jetzt muss ich einen Handwerker beauftragen. Wer bezahlt mir das? Ich kann nicht Tag und Nacht da stehen und Nummernschilder aufschreiben.“Regelmäßig würden die Laster auf den engen Sträßchen über den Gehweg fahren, vor allem bei Begegnungsverkehr. Das berge Gefahren für Leib und Leben.
Regionalverbandsdirektor Wilfried Franke, der auf Einladung von Ortsvorsteherin Simone Rürup die Bürger informierte, hatte keinen leichten Stand. Er schilderte zunächst die Bedeutung der Kiesgruben in der Region, die den Bedarf nur noch für durchschnittlich fünf Jahre decken würden. Es sei denn, es würden weitere Flächen erschlossen. Die Sicherstellung dieses Bedarfs sei Sache des Regionalverbandes, da der Kies schließlich für zahlreiche Baustellen gebraucht werde.
Kritik von Ortschaftsräten der SPD und der Grünen, dass ein Großteil des hierzulande abgebauten Rohstoffes nach Österreich und in die Schweiz exportiert wird, wie Recherchen der „Schwäbischen Zeitung“ergeben haben, konnte er nicht entkräften. „Wir haben keine Statistik, wie viel Kies aus der Region BodenseeOberschwaben nach Österreich und in die Schweiz geht.“Solche gebe es nur auf Landesebene. Von den 1,7 Millionen Tonnen, die aus BadenWürttemberg in die Schweiz exportiert werden, würde wahrscheinlich das meiste aus der Region Hochrhein-Bodensee stammen, behauptet Franke. Mit dem österreichischen Bundesland Vorarlberg, das 200 000 Tonnen Kies aus Deutschland importiert, will Franke aber demnächst ein Spitzengespräch führen. „Wir wollen signalisieren, dass sie nicht unbegrenzt bei uns einkaufen können, sondern auch die Rohstoffe im eigenen Land abbauen müssen.“Das Problem dabei ist nur: „Wir leben in einem Rechtsstaat, und das setzt freien Handel voraus.“Es sei für die Österreicher und vor allem für die Schweizer eben weitaus günstiger, Kies aus dem nahen Deutschland zu importieren, als ihn selbst abzubauen.
Ernüchternd für die Bürger: Selbst wenn der Ortschaftsrat Eschach nächste Woche und danach der Gemeinderat Ravensburg gegen den Kiesabbau stimmen, wird das die Verbandsversammlung, die aus Mitgliedern der drei Kreistage Bodensee, Sigmaringen und Ravensburg besteht, wahrscheinlich nicht davon abhalten zuzustimmen. „Wenn wir alle Standorte, wo wir Bedenken bekommen haben, streichen, bleibt nichts mehr übrig“, ging Franke darauf ein, dass es gegen fast jedes Kiesabbaugebiet massive Proteste gebe, der Regionalverband aber den Bedarf sicherstellen müsse. „Die Ablehnung einer Kommune wird uns jedenfalls nicht daran hindern, dass wir unseren Versorgungsauftrag erfüllen.“
Eine jüngere Besucherin der Veranstaltung meinte am Ende: „Jeder will ein Handy, aber keinen Handymast. Jeder will Strom, aber keinen Strommast vor der Tür. Unsere Chance ist gleich null, die Grube zu verhindern. Was können wir tun, um den Verkehr umzuleiten?“Nach dieser Frage gab es kurze Verwirrung, wer für den Verkehr und die betreffenden Straßen tatsächlich zuständig ist, die Stadt oder der Landkreis Ravensburg. Stadtplaner Christian Storch vertröstete die Anwohner auf den Verkehrsentwicklungsplan, der gerade beim Gemeindeverband Mittleres Schussental in der Mache ist und Prognosen für die Verkehrsentwicklung der Zukunft erstellt, auf deren Basis dann unter Umständen neue Straßen geplant werden. Ob das den Eschachern groß hilft, ist fraglich.