Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Debatte über Down-Syndrom
Bundestag soll über Bluttests auf Krankenschein reden
BERLIN (sal) - Bluttests auf DownSyndrom werden bereits seit 2012 in Deutschland angeboten. Sie sind kostengünstiger und schonender als die Fruchtwasseruntersuchungen, die in Risikofällen bezahlt werden. Doch sollen Bluttests künftig Kassenleistung werden? Diese Frage ist der Aufhänger für hundert Abgeordnete aller Fraktionen im Bundestag, eine breite Debatte einzufordern. Würden die Tests bei Schwangeren als eine Art Reihenuntersuchung eingeführt, so warnte etwa die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), wäre das ein Signal, dass das Down-Syndrom vermieden werden sollte.
„Ich bin gegen solche Tests“, sagte auch der Schauspieler Sebastian Urbanski, der selbst das Down-Syndrom hat, bei einer Pressekonferenz am Freitag in Berlin. Viele Abgeordnete sehen die Gefahr eines Dammbruchs für Gentests aller Art und sorgen sich generell um mangelnde Wertschätzung für Behinderte.
BERLIN - Wie weit wollen wir gehen? Diese Frage stellen sich fraktionsübergreifend Abgeordnete des Bundestages bei der Frage der Kassenzulassung von vorgeburtlichen Bluttests. „Ich will keine Welt, in der wir unsere Kinder in Produkte verwandeln und bei Qualitätsmängeln als Ausschuss verwerfen“, sagt der CDU-Abgeordnete Rudolf Henke. „Wir werden das Rad nicht zurückdrehen können“, meint dagegen die Abgeordnete Dagmar Schmidt (SPD). Die Frage sei doch, ob man den Test denjenigen, die nicht viel Geld haben, vorenthalten dürfe. Denn der Bluttest auf Down-Syndrom ist bereits auf dem Markt, aber eben noch nicht als Kassenleistung. Einig ist sich aber die Gruppe von Abgeordneten, die jetzt die Öffentlichkeit sucht, in ihrer Einschätzung über die Tragweite des Bluttests. Sie wollen eine breite ethische Debatte anstoßen, nicht nur im Bundestag.
Vorgeburtliche Bluttests, dieses Thema soll genau wie andere ethische Themen von der Sterbehilfe bis zur Organspende überfraktionell im Bundestag behandelt und entschieden werden, fordern die Abgeordneten. Sie haben schon in der vergangenen Legislaturperiode eine Anfrage gestellt. Nachdruck hat das Thema jedoch dadurch bekommen, dass der Test auf Down-Syndrom die Kassenzulassung bekommen soll.
Professor Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hat Anfang des Jahres an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses geschrieben, dass damit zu rechnen sei, dass weitere molekulargenetische Testverfahren in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen. Auch Glasknochen oder Mukoviszidose sollen bald durch solche Tests feststellbar sein. Damit seien „fundamentale ethische Grundfragen unserer Werteordnung berührt“. Hecken hält eine parlamentarische Diskussion und Wissensbildung für nötig. Diese Ansicht teilen die zehn Abgeordneten, die sich schon lange parteiübergreifend mit dem Thema befassen.
Warum ein solches Kind?
„Diese Tests haben Türöffnerfunktion“, warnt Kathrin Vogler von den Linken. Schon heute stünden Menschen mit Down-Syndrom und ihre Familien unter Druck. „Warum hast du solch ein Kind bekommen?“würden sie gefragt. Die Grünen-Abgeordnete Corinna Rüffer wünscht sich eine Debatte wie bei der Sterbehilfe, mit Tiefgang und ohne Zeitdruck. „Die Gesellschaft hat noch die Möglichkeit innezuhalten“, sagt Rüffer. „Neun von zehn Menschen mit Trisomie werden abgetrieben.“
Einer von denen, die es vielleicht nicht gäbe, wenn einfache Bluttests für alle Schwangeren möglich wären, ist der Schauspieler Sebastian Urbanski. Er stellt seine Sicht der Dinge klar. Wie froh er ist, dass seine Mutter vor seiner Geburt nicht auf die Warnung, ihr laufe doch der Mann weg, wenn sie ihn bekommt, gehört habe. „Ich leide nicht am Down-Syndrom“, sagt er. „Ich bin der Meinung, alle Kinder sollen geboren werden.“Er fühle sich nicht behindert, es werde ihm nur bewusst, wenn er seinen Schwerbehindertenausweis vorzeige. Nun sind aber die Tests auf Down-Syndrom als Fruchtwasseruntersuchung für ältere Mütter schon gang und gäbe. Deshalb spricht sich die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar, genau wie ihr Kollege Rudolf Henke (CDU) in solchen Fällen dafür aus, den Bluttest als Kassenleistung zuzulassen. Beide, Dittmar und Henke, sind Arzt von Beruf.
Henke mahnt aber eine bessere vorgeburtliche Beratung an, was Eltern mit einem behinderten Kind erwartet. Das Leben mit Down-Syndrom wird in der Regel als etwas zu Vermeidendes dargestellt, heißt es in dem Schreiben der Parlamentarier. „Wir brauchen Wertschätzung von Vielfalt“, meint dagegen Corinna Rüffer. „Wir müssen werdende Eltern von Kindern mit Trisomie 21 umfassend aufklären, sie unterstützen und ihnen die Angst nehmen“, fordert auch Dagmar Schmidt (SPD). Alle Abgeordneten sind sich einig, dass die Debatte darüber, wie weit vorgeburtliche Selektion gehen kann und darf, offen geführt werden müsse. Im Bundestag, aber auch in der Gesellschaft. (G-BA) von Ärzten und Krankenkassen. Der Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, hat sich für eine Zulassung ausgesprochen. Er betonte dabei, dass der G-BA einzig den Auftrag habe, wissenschaftlichtechnisch zu überprüfen, ob mit dem neuen Verfahren bestimmte Gendefekte zuverlässig erkannt werden können. Über ethische und rechtliche Aspekte müsse die Politik entscheiden. In einem im vergangenen Dezember veröffentlichten Gutachten für den Gemeinsamen Bundesausschuss erklärte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), nichtinvasive Pränataltests auf Trisomie 21 könnten Föten mit einer Trisomie 21 sehr zuverlässig erkennen. Bei den selteneren Trisomien 13 und 18 sei dies unklar. (KNA)