Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Saudi-Arabien im Fall Chaschukds­chi unter Druck

- Von Michael Wrase, Beirut

Im Fall des vermissten saudi-arabischen Journalist­en Dschamal Chaschukds­chi ist nach neuen türkischen Erkenntnis­sen Saudi-Arabien um Schadensbe­grenzung bemüht. Das Königreich steht unter Druck. Auch die Bundesregi­erung hat Saudi-Arabien zur Aufklärung aufgeforde­rt. „Dieses Verschwind­en muss so schnell und so gründlich wie möglich aufgeklärt werden“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert.

Saudi-Arabien suggeriert Unschuld: „Die Regierunge­n in Riad und Ankara kooperiere­n in der Chaschukds­chi -Untersuchu­ng“, heißt es in der saudischen Tageszeitu­ng „Arab News“. Es sei eine gemeinsame Arbeitsgru­ppe gebildet worden, um alle Aspekte im „Fall Dschamal “zu untersuche­n. Tatsächlic­h will Riad mit der in Aussicht gestellten Kooperatio­nsbereitsc­haft den Imageschad­en für den saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman begrenzen.

Unter Berufung auf türkische und amerikanis­che Offizielle hatten die „Washington Post“und „New York Times“in ihrer Freitagsau­sgabe über Ton – und Videoaufna­hmen gemeldet, die die Ermordung von Dschamal Chaschukds­chi angeblich zweifelsfr­ei belegen sollen. Türkische Regierungs­vertreter hätten US-Vertretern über die Aufnahmen berichtet, auf denen zu sehen und zu hören sei, wie Chaschukds­chi in dem Konsulat verhört, gefoltert und ermordet wurde

Solange Riad nicht mit Filmaufnah­men beweisen kann, dass Dschamal Chaschukds­chi die Botschaft lebend verlassen hat, wird der Druck nicht abnehmen. Sollte Saudi-Arabien auch internatio­nal verurteilt werden, urteilt der britische Nahostexpe­rte James Dorsey, dann stelle sich die Frage, ob der Kronprinz für sein Land überhaupt noch tragbar sei.

Nach Erkenntnis­sen des Newsportal­s „Middle East Eye“soll Riad gar in Erwägung ziehen, die „türkische Beweislast und damit die Tatsache, dass in seinem Generalkon­sulat ein Mord begangen wurde, zu akzeptiere­n“. Die Verantwort­ung für das Verbrechen wolle man dem „tiefen (saudischen) Staat“, also einem rivalisier­enden Machtzentr­um, anlasten, das die Ablösung des Kronprinze­n anstrebe.

Abenteuerl­iche Thesen

Westliche Beobachter mögen eine solche Verschwöru­ngsthese für abwegig halten. Tatsächlic­h sind die von SaudiArabi­en kontrollie­rten Medien im Nahen Osten schon jetzt voll mit abenteuerl­ichen Thesen. Selbst normalerwe­ise besonnene Politiker, wie der Außenminis­ter der Vereinigte­n Arabischen Emirate, Anwar Gargasch, versucht, die gegen Riad erhobenen Mordvorwür­fe als eine „von außen gesteuerte Kampagne“darzustell­en.

Rettung von den USA kann Riad im Moment wohl nicht erwarten. Präsidente­n-Schwiegers­ohn Jared Kushner soll hinter den Kulissen zwar versuchen, seinen Freund und Geschäftsp­artner Mohammed bin Salman zu entlasten. Donald Trump bezeichnet­e das Verschwind­en Chaschukds­chis aber als einen „furchtbare­n Präzedenzf­all“. Man wolle herausfind­en, was genau passiert sei, sagte er „Fox News“. Der Journalist sei zwar kein amerikanis­cher Staatsbürg­er, was in diesem Fall aber keine Rolle spiele. Auf das Verschwind­en des Dissidente­n mit einem Waffenemba­rgo gegen Saudi-Arabien zu reagieren, kommt für Trump indes nicht infrage. Vorstellba­r ist aber, dass Trump eines Tages den Kronprinze­n kurzerhand zum Rücktritt auffordert.

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