Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Entschleunigen, aber schnell!
Der Kabarettist Werner Brix brilliert im Hoftheater in Baienfurt mit einem unterhaltsamen Blick auf eine schnelllebige Zeit
BAIENFURT - Ein Kabarettabend als Therapiestunde für den Künstler – zumindest kommt Werner Brix so auf die Bühne. Am Handy berät er noch schnell einen Kunden, und dann geht’s los: Keine Zeit verlieren, denn Zeit ist Geld für den hypernervösen Verkäufer, der sein Leben komplett durchgetaktet hat und von der Ehefrau zur Therapie geschickt wurde: „Ich dachte, das brauch‘ ich nicht, aber da muss man diplomatisch sein – wenn’s ihr hilft.“
Werner Brix, 1964 in Wien geboren und mit Salzburger Stier und Passauer Scharfrichterbeil in den kabarettistischen Adel erhoben, geht in seinem Programm „Mit Volldampf in den Burnout“zunächst auf ParforceTour durch die Errungenschaften unserer schnellen und schnelllebigen Welt. Und wie heute alles besser ist: „Früher war alles so lasch und gemütlich. Liebesbriefe so umständlich, mit handgeschriebenen Wörtern! Ganze Sätze mit Großbuchstaben, Subjekt, Prädikat, Objekt. Heute eine SMS: „Ficken?“Da ist alles besprochen, als Antwort kriegst ein Ausrufezeichen, wenn’s passt.“
Verordnete wortlose fünf Minuten
Und wie toll kann man sich über langsamere Menschen lustig machen! Ein uralter Burgenländer-Witz gerät bei Brix‘ Schauspielklasse zum großen Brüller – der Wiener hat eine wuchtige Bühnenpräsenz, seine Mimik und Gestik ist auf weit höherem Niveau als bei vielen anderen seines Fachs. Grandios die Szene, wo der imaginäre Therapeut dem Patienten fünf wortlose Minuten verordnet – und was diesem einfällt, dies zu umgehen: „Das ist doch nur Fülltext, der zählt nicht!“
Bei Brix‘ Workaholic ist der Tagesablauf so getimet, dass er kaum Zeit für Pinkelpausen hat – kein Wunder, dass es aufgrund akuter Zeitnot öfters in die Hose geht: „Ich disponiere schlecht, deshalb schiff‘ ich mich an.“Daher kommt er auch zum zweiten Teil statt mit Hose in ein gelbes Tuch gewickelt. Sein Protagonist ist auf dem steinigen Wege der Läuterung.
Story läuft aus dem Ruder
Brix erzählt sich förmlich in einen Rausch mit absurden Geschichten, in denen er aus einem Shoppingcenter auf einer Bodenkehrmaschine von „Herr Gott“mitgenommen wird. Die Fahrt geht immer weiter nach oben, es erscheinen „Oh Gott“und der „Liebe Gott“. Schließlich läuft die Story dann aus dem Ruder – das ist brillant erdacht und erfordert auch hohe Aufmerksamkeit, vor allem wenn Brix ins Philosophische driftet.
„Wir arbeiten an der Entschleunigung. Ich habe leider überhaupt keine Zeit!“ist sein letzter Satz, der sinnbildlich steht für Brix‘ blitzgescheite Analyse unserer Zeit. Sein Leitsatz „Humor mit Hirn“trifft es sehr gut, wenn auch mit Schwerpunkt auf Letzterem. Schönster Satz des Abends: „Seit ich umgestellt habe auf diese ach so gesunde Bauchatmung, hab‘ ich dermaßen zugenommen!“