Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Entschleun­igen, aber schnell!

Der Kabarettis­t Werner Brix brilliert im Hoftheater in Baienfurt mit einem unterhalts­amen Blick auf eine schnellleb­ige Zeit

- Von Tim Jonathan Kleinecke

BAIENFURT - Ein Kabarettab­end als Therapiest­unde für den Künstler – zumindest kommt Werner Brix so auf die Bühne. Am Handy berät er noch schnell einen Kunden, und dann geht’s los: Keine Zeit verlieren, denn Zeit ist Geld für den hypernervö­sen Verkäufer, der sein Leben komplett durchgetak­tet hat und von der Ehefrau zur Therapie geschickt wurde: „Ich dachte, das brauch‘ ich nicht, aber da muss man diplomatis­ch sein – wenn’s ihr hilft.“

Werner Brix, 1964 in Wien geboren und mit Salzburger Stier und Passauer Scharfrich­terbeil in den kabarettis­tischen Adel erhoben, geht in seinem Programm „Mit Volldampf in den Burnout“zunächst auf ParforceTo­ur durch die Errungensc­haften unserer schnellen und schnellleb­igen Welt. Und wie heute alles besser ist: „Früher war alles so lasch und gemütlich. Liebesbrie­fe so umständlic­h, mit handgeschr­iebenen Wörtern! Ganze Sätze mit Großbuchst­aben, Subjekt, Prädikat, Objekt. Heute eine SMS: „Ficken?“Da ist alles besprochen, als Antwort kriegst ein Ausrufezei­chen, wenn’s passt.“

Verordnete wortlose fünf Minuten

Und wie toll kann man sich über langsamere Menschen lustig machen! Ein uralter Burgenländ­er-Witz gerät bei Brix‘ Schauspiel­klasse zum großen Brüller – der Wiener hat eine wuchtige Bühnenpräs­enz, seine Mimik und Gestik ist auf weit höherem Niveau als bei vielen anderen seines Fachs. Grandios die Szene, wo der imaginäre Therapeut dem Patienten fünf wortlose Minuten verordnet – und was diesem einfällt, dies zu umgehen: „Das ist doch nur Fülltext, der zählt nicht!“

Bei Brix‘ Workaholic ist der Tagesablau­f so getimet, dass er kaum Zeit für Pinkelpaus­en hat – kein Wunder, dass es aufgrund akuter Zeitnot öfters in die Hose geht: „Ich disponiere schlecht, deshalb schiff‘ ich mich an.“Daher kommt er auch zum zweiten Teil statt mit Hose in ein gelbes Tuch gewickelt. Sein Protagonis­t ist auf dem steinigen Wege der Läuterung.

Story läuft aus dem Ruder

Brix erzählt sich förmlich in einen Rausch mit absurden Geschichte­n, in denen er aus einem Shoppingce­nter auf einer Bodenkehrm­aschine von „Herr Gott“mitgenomme­n wird. Die Fahrt geht immer weiter nach oben, es erscheinen „Oh Gott“und der „Liebe Gott“. Schließlic­h läuft die Story dann aus dem Ruder – das ist brillant erdacht und erfordert auch hohe Aufmerksam­keit, vor allem wenn Brix ins Philosophi­sche driftet.

„Wir arbeiten an der Entschleun­igung. Ich habe leider überhaupt keine Zeit!“ist sein letzter Satz, der sinnbildli­ch steht für Brix‘ blitzgesch­eite Analyse unserer Zeit. Sein Leitsatz „Humor mit Hirn“trifft es sehr gut, wenn auch mit Schwerpunk­t auf Letzterem. Schönster Satz des Abends: „Seit ich umgestellt habe auf diese ach so gesunde Bauchatmun­g, hab‘ ich dermaßen zugenommen!“

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FOTO: TIM JONATHAN KLEINECKE Ein Kabarettab­end als Therapiest­unde für den Künstler – Werner Brix zeigt, wie es geht.

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