Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Atmender und pulsierender Raum entsteht
Katja Davar eröffnet ihre Ausstellung „Possible Gardens“in der Kornhausgalerie
WEINGARTEN - Einmal ganz anders präsentiert sich die Kunst in der Kornhausgalerie Weingarten. Keine Bilder entlang der Wände, sondern am Boden. Keine Skulpturen oder Plastiken, sondern eine mittig im Raum platzierte Projektionswand.
Die in London geborene und in Köln lebende Katja Davar hat am Sonntag ihre Ausstellung „Possible Gardens“eröffnet. Darin widmet sie sich großformatigen Zeichnungen, die mit einer Videoprojektion kooperieren. Die traditionelle Handzeichnung steht elektronischen Verfahren gegenüber. Beides zusammen ermöglicht ein neuartiges Raumerleben.
Abgedunkeltes Licht empfängt den Besucher, wenn er den Galerieraum im Kornhaus betritt. Die umlaufenden Schauwände sind unbestückt. Dafür breiten sich am Boden zwei große trapezförmige flache Podeste aus, auf denen Davars Zeichnungen zu liegen kommen. Allein die Perspektive von oben herab als Aufsicht ist neuartig und ungewohnt. Manchmal möchte man sich weit nach vorn beugen, um genauer hinschauen zu können.
Aus Grafit und Tusche unter Hinzunahme von Gouache und Acryl auf Papier zeichnen sich halbseitig in Grautönen changierende Flächen ab. In der angrenzenden anderen Bildhälfte variieren Muster aus Ellipsen, Quadraten oder gefäßartigen Gegenständen. „Shores of Modern Making“und „Signature of Time“titeln ihre „Possible Gardens“.
Als drittes Element mitten im Raum tritt die Videoprojektion „Daughters of Time“hinzu. Kuben kommen mit Gesteinsblöcken in Kontakt, formieren sich immer wieder neu, docken an, schieben sich ineinander, lösen sich ab. Im Mittelpunkt steht das Mineral Pyrit. Es besitzt einen metallischen Glanz, weshalb es auch Katzengold genannt wird. In der Arbeit von Katja Davar gibt das Mineral einen Hinweis darauf, dass sie Zusammenhänge zwischen Kunst und Natur, Zeit und Wissenschaft erforscht.
Eine der renommiertesten Zeichnerinnen der Welt
Die Professorin für experimentelles Zeichnen, die seit 2012 an der Hochschule Mainz lehrt, nannte Kurator Martin Oswald in seiner Einführung eine der renommiertesten Zeichnerinnen der Gegenwart. Lange Zeit sei dieses Genre vernachlässigt gewesen. Diese weitere Position in der Kornhausgalerie trage zu einem Wiederaufleben bei.
Eigens für Weingarten hat sie dieses Mixed-Media-Arrangement entworfen. Entlang der bestehenden Wandflächen hätten die Zeichnungen nicht die gewünschte Wirkung entfaltet, erläutert sie ihren Entscheid für die Bodeninstallation. Diese ist erstmalig in ihrem Werk. Im Gespräch verweist sie hierbei auf den skulpturalen Aspekt, den die Zeichnungen am Boden mittels der Podeste erhalten.
Um auf das Thema Landschaft zu sprechen zu kommen, erinnerte Oswald an deren permanente Veränderung. Diese, die Landschaft, sei zuvorderst ein Produkt der Wahrnehmung seit der Romantik. Die Suche nach immer neuen Möglichkeiten bis hin zur reinen Struktur – an ein solches Verständnis appellierten Davars „Possible Gardens“.
Mögen die handgezeichneten Strukturen auf dem Papier und die technisch animierten Gesteinsarten auf den ersten Blick artfremd erscheinen, ahnt man doch unterbewusst, dass sie etwas miteinander zu tun haben. Des Rätsels Lösung liegt eher in zu beobachtenden Verwandtschaften von Strukturen als in der Benennung von Gegenständlichem. So wie es Forschern zu eigen ist, wenn sie versuchen, geologische Schichten zu erschließen.
Es ist eine stark optische, sinnlich erfahrbare Herangehensweise, denn letztlich setzt sich Landschaft aus den diversesten Faktoren zusammen. Nur sekundär geht es bei „Possible Gardens“um einen Verweis auf die bedrohte Umwelt. Vielmehr stehen ästhetische Phänomene im Fokus, mittels derer Katja Davar einen atmenden und pulsierenden Raum geschaffen habe.
Die Ausstellung „Possible Gardens“von Katja Davar in der Kornhausgalerie, Karlsstraße 28, dauert bis zum 9. Dezember. Sie ist mittwochs von 10 bis 13 Uhr sowie freitags, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Am Sonntag, 11. November, findet um 11 Uhr eine Katalogvorstellung mit Künstlergespräch statt.