Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Senior holt Frau vom Arzt ab und muss dafür Strafe zahlen

Problem für gehbehinde­rte Patienten: Praxen in der Fußgängerz­one sind nicht mit dem Auto zu erreichen

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Ein Rentner hat seine Frau in Ravensburg von einem Termin in einer Arztpraxis in der Fußgängerz­one abgeholt und dabei einen Strafzette­l bekommen. Der Ärger darüber lässt ihn auch noch Wochen und Monate später nicht los. Er ist der Ansicht, dass das Ordnungsam­t zu streng mit ihm umgegangen ist, wie er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“sagt. Und möglicherw­eise sei er nicht der Einzige, der angesichts der strikten Regelung vor einem Problem steht.

Der Frust bei dem Senior entzündet sich vor allem an der Frage, wie er seine Frau, die nach einer Hüft-OP sehr schlecht zu Fuß gewesen sei, sonst zu der Ärztin in einer Nebengasse des Marienplat­zes, gleich hinter dem Hotel Waldhorn, hätte befördern und wieder abholen sollen. Sie ins Taxi setzen, damit sie in die Fußgängerz­one gebracht wird und sie danach wieder abholen lassen? „Ob ich rein fahre oder ein Taxi spielt doch keine Rolle“, findet er. Das sieht das Ordnungsam­t anders.

Amt reduziert Geldbuße

Der Vorfall ereignete sich bereits vor einem halben Jahr. Als er die Arztpraxis verlassen habe, habe ein Mitarbeite­r des Ordnungsam­tes am Auto gestanden und das Knöllchen fertiggema­cht. Es kam zur Auseinande­rsetzung, der Senior argumentie­rte mit dem Arzttermin der Frau, wie er schildert. Die Ärztin habe sich sogar als Zeugin angeboten. Im darauffolg­enden Schriftver­kehr mit der Stadt heißt es jedoch zu den Umständen des Arzttermin­s: „Im Gespräch mit Ihnen hat sich herausgest­ellt, dass Sie den Termin bereits am Tag zuvor ausgemacht haben, somit war es kein Notfall. Wir kommen Ihnen trotzdem entgegen und reduzieren die Geldbuße auf 20 Euro. Eine Einstellun­g des Verfahrens ist leider nicht möglich.“

Für den Senior ein Unding. Er sagt: „Der Mensch muss doch im Mittelpunk­t stehen!“

Die Stadtverwa­ltung ist sich des Problems bewusst, das es längst nicht nur in Ravensburg gebe, sondern überall, wo Arztpraxen in Fußgängerz­onen liegen und keine eigenen Patientenp­arkplätze hat. In Ravensburg gibt es gleich mehrere Arztpraxen in den Fußgängerz­onen der Innenstadt. „Die Fußgängerz­onen sind in Ravensburg zwar nicht sehr groß, denn kein Ziel im Fußgängerb­ereich liegt mehr als 200 Meter von der nächsten erreichbar­en Straße oder Parkmöglic­hkeit entfernt. Für Menschen mit Schmerzen kann das dennoch sehr weit sein“, sagte Stadtsprec­her Alfred Oswald.

Einfahrt zu Lieferzeit­en erlaubt

Man müsse aber auch den Zweck der Fußgängerz­one bedenken – sie gehöre den Fußgängern. „Die StVO ist hier zurecht sehr streng“, sagt Oswald. Schließlic­h gehe es um die Sicherheit all jener, die zu Fuß unterwegs sind. Weiter teilt er im Namen der Stadtverwa­ltung mit: „Nur bestimmten Fahrzeugen ist es erlaubt, hier zu fahren, etwa dem Bus und dem Lieferverk­ehr zu bestimmten Randzeiten. Genau zu diesen Lieferzeit­en dürfen auch schwerbehi­nderte Menschen mit einem amtlichen Schwerbehi­nderten-Parkauswei­s, der den Eintrag ,aG’ (außergewöh­nlich gehbehinde­rt) hat, in die Fußgängerz­one fahren und dort auch bis zu drei Stunden parken. Die Zeiten sind täglich von 6 bis 11 Uhr und von 18 bis 22 Uhr.“

Im konkreten Fall ist die Frau nach Angaben ihres Mannes schwerbehi­ndert, hat einen entspreche­nden Ausweis und muss am Rollator gehen – doch die Eintragung einer Gehbehinde­rung im Ausweis habe sie nicht. Schwerbehi­nderte haben laut Oswald noch die Erlaubnis, mit ihrem Ausweis drei Stunden in eingeschrä­nkten Halteverbo­ten, in verkehrsbe­ruhigten Bereichen und an Parkschein­automaten ohne Bezahlung zu parken. „Die Straßenver­kehrsordnu­ng sieht aber keine weiteren Ausnahmen vor, also auch nicht für Patienten, die Schwierigk­eiten beim Gehen haben“, so Oswald.

Für den Senior hat sich der Streit mit der Stadt inzwischen erledigt. Als er kurzzeitig im Ausland war, kam erneut die Aufforderu­ng zur Zahlung der Geldbuße. Und seine Frau überwies. „Versehentl­ich“, wie er sagt. Sonst hätte er wohl noch weitergekä­mpft.

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FOTO: LENA MÜSSIGMANN Fußgängerz­one – wer mit dem Auto am Schild vorbeifähr­t, muss mit einem Strafzette­l rechnen, auch wenn er zum Arzt muss.

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