Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Senior holt Frau vom Arzt ab und muss dafür Strafe zahlen
Problem für gehbehinderte Patienten: Praxen in der Fußgängerzone sind nicht mit dem Auto zu erreichen
RAVENSBURG - Ein Rentner hat seine Frau in Ravensburg von einem Termin in einer Arztpraxis in der Fußgängerzone abgeholt und dabei einen Strafzettel bekommen. Der Ärger darüber lässt ihn auch noch Wochen und Monate später nicht los. Er ist der Ansicht, dass das Ordnungsamt zu streng mit ihm umgegangen ist, wie er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“sagt. Und möglicherweise sei er nicht der Einzige, der angesichts der strikten Regelung vor einem Problem steht.
Der Frust bei dem Senior entzündet sich vor allem an der Frage, wie er seine Frau, die nach einer Hüft-OP sehr schlecht zu Fuß gewesen sei, sonst zu der Ärztin in einer Nebengasse des Marienplatzes, gleich hinter dem Hotel Waldhorn, hätte befördern und wieder abholen sollen. Sie ins Taxi setzen, damit sie in die Fußgängerzone gebracht wird und sie danach wieder abholen lassen? „Ob ich rein fahre oder ein Taxi spielt doch keine Rolle“, findet er. Das sieht das Ordnungsamt anders.
Amt reduziert Geldbuße
Der Vorfall ereignete sich bereits vor einem halben Jahr. Als er die Arztpraxis verlassen habe, habe ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes am Auto gestanden und das Knöllchen fertiggemacht. Es kam zur Auseinandersetzung, der Senior argumentierte mit dem Arzttermin der Frau, wie er schildert. Die Ärztin habe sich sogar als Zeugin angeboten. Im darauffolgenden Schriftverkehr mit der Stadt heißt es jedoch zu den Umständen des Arzttermins: „Im Gespräch mit Ihnen hat sich herausgestellt, dass Sie den Termin bereits am Tag zuvor ausgemacht haben, somit war es kein Notfall. Wir kommen Ihnen trotzdem entgegen und reduzieren die Geldbuße auf 20 Euro. Eine Einstellung des Verfahrens ist leider nicht möglich.“
Für den Senior ein Unding. Er sagt: „Der Mensch muss doch im Mittelpunkt stehen!“
Die Stadtverwaltung ist sich des Problems bewusst, das es längst nicht nur in Ravensburg gebe, sondern überall, wo Arztpraxen in Fußgängerzonen liegen und keine eigenen Patientenparkplätze hat. In Ravensburg gibt es gleich mehrere Arztpraxen in den Fußgängerzonen der Innenstadt. „Die Fußgängerzonen sind in Ravensburg zwar nicht sehr groß, denn kein Ziel im Fußgängerbereich liegt mehr als 200 Meter von der nächsten erreichbaren Straße oder Parkmöglichkeit entfernt. Für Menschen mit Schmerzen kann das dennoch sehr weit sein“, sagte Stadtsprecher Alfred Oswald.
Einfahrt zu Lieferzeiten erlaubt
Man müsse aber auch den Zweck der Fußgängerzone bedenken – sie gehöre den Fußgängern. „Die StVO ist hier zurecht sehr streng“, sagt Oswald. Schließlich gehe es um die Sicherheit all jener, die zu Fuß unterwegs sind. Weiter teilt er im Namen der Stadtverwaltung mit: „Nur bestimmten Fahrzeugen ist es erlaubt, hier zu fahren, etwa dem Bus und dem Lieferverkehr zu bestimmten Randzeiten. Genau zu diesen Lieferzeiten dürfen auch schwerbehinderte Menschen mit einem amtlichen Schwerbehinderten-Parkausweis, der den Eintrag ,aG’ (außergewöhnlich gehbehindert) hat, in die Fußgängerzone fahren und dort auch bis zu drei Stunden parken. Die Zeiten sind täglich von 6 bis 11 Uhr und von 18 bis 22 Uhr.“
Im konkreten Fall ist die Frau nach Angaben ihres Mannes schwerbehindert, hat einen entsprechenden Ausweis und muss am Rollator gehen – doch die Eintragung einer Gehbehinderung im Ausweis habe sie nicht. Schwerbehinderte haben laut Oswald noch die Erlaubnis, mit ihrem Ausweis drei Stunden in eingeschränkten Halteverboten, in verkehrsberuhigten Bereichen und an Parkscheinautomaten ohne Bezahlung zu parken. „Die Straßenverkehrsordnung sieht aber keine weiteren Ausnahmen vor, also auch nicht für Patienten, die Schwierigkeiten beim Gehen haben“, so Oswald.
Für den Senior hat sich der Streit mit der Stadt inzwischen erledigt. Als er kurzzeitig im Ausland war, kam erneut die Aufforderung zur Zahlung der Geldbuße. Und seine Frau überwies. „Versehentlich“, wie er sagt. Sonst hätte er wohl noch weitergekämpft.