Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bürokratie bremst Integratio­n oft aus

Arbeitgebe­r: Auf dem Bau ist die Arbeitskra­ft von Flüchtling­en gefragt

- Von Gerd Mägerle

BIBERACH - „Das Ringen um Azubis und Fachkräfte ist groß und uns helfen die Flüchtling­e tatsächlic­h weiter“, sagt Andreas Braun, Geschäftsf­ührer des Biberacher Bauunterne­hmens Grüner und Mühlschleg­el. Sechs Flüchtling­e sind dort derzeit in Ausbildung oder gerade damit fertig geworden. „Neben der Unsicherhe­it, was die Bleibepers­pektive angeht, belastet die Arbeitgebe­r auch die viele Bürokratie, die nötig ist, um den Geflüchtet­en einen Arbeitspla­tz zu verschaffe­n“, sagt Armin Speidel, Flüchtling­skoordinat­or bei der IHK Ulm.

Nenpup Suwa (42) aus Nigeria, Olivier Bertrand Pokam (39) aus Kamerun, Ahmadullah Afghan (29) und Abdurahman Zadran (21), beide aus Afghanista­n, absolviere­n ihre Ausbildung auf den Baustellen von Grüner und Mühlschleg­el. Alle vier sind zufrieden mit ihrem Job und arbeiten gerne in der Firma mit knapp 120 Beschäftig­ten. „Das ist ein Familienbe­trieb – so fühle ich mich hier auch“, sagt Pokam. „Der Chef hat immer ein offenes Ohr für jeden, der ein Problem hat“, meint Suwa. „Ich will meine Ausbildung durchziehe­n und hier weiter arbeiten. Dazu nehme ich Nachhilfe an der Berufsschu­le“, erzählt Zadran und sein Landsmann Afghan sagt: „Mir gefällt die Arbeit auf dem Bau und ich möchte mir etwas aufbauen.“

Alle vier sprechen sehr gut Deutsch, alle haben ihren Platz im Berufslebe­n gefunden und doch sind ihre Zukunftspe­rspektiven höchst unterschie­dlich. Am sichersten kann Nenpup Suwa sein Leben planen. Er ist seit 18 Jahren in Deutschlan­d, ist mittlerwei­le mit einer Deutschen verheirate­t und kann deswegen sicher im Land bleiben. Die anderen drei haben verschiede­ne Aufenthalt­sstatus, die ihnen jeweils nur auf Zeit verlängert werden.

Die Rechtslage ist für einen Laien kaum durchschau­bar „und auch Arbeitgebe­r kommen ohne Beratung durch uns oder die Jobcenter schnell an ihre Grenzen, vor allem Kleinund Mittelstän­dler, die einem Flüchtling einen Ausbildung­svertrag anbieten wollen“, weiß Speidel aus Erfahrung. Die Geflüchtet­en wiederum müssten an ihrer eigenen Identitäts­klärung aktiv mitwirken und zum Beispiel Geburtsurk­unden aus ihren Heimatländ­ern beschaffen, um sich später von ihrer Botschaft in Deutschlan­d einen Pass ausstellen lassen zu können. „Das ist zeitaufwen­dig, kostspieli­g und klappt manchmal erst, wenn sich auch noch der hiesige Bundestags­abgeordnet­e mit einschalte­t“, so Speidel und kritisiert die Politik. „So hat man das Ganze der Wirtschaft am Anfang nicht verkauft.“Die IHK fordere deshalb, dass das Integratio­nsgesetz endlich so umgesetzt werde wie eigentlich geplant.

Deutsche suchen „saubere Jobs“

Andreas Braun will sich für „seine Flüchtling­e“stark machen. „Es kostet uns zwar mehr Aufwand, aber die Motivation ist bei ihnen höher als bei manchem Deutschen“, sagt er. Ohnehin finde er kaum noch Landsleute, die sich für eine Ausbildung in der Baubranche begeistern. „Die meisten Deutschen suchen ,saubere Jobs’“, sagt Braun. Dabei seien die Aufstiegsc­hancen und Verdienstm­öglichkeit­en nicht schlecht. Trotzdem seien in der IHK-Region Ulm rund 670 Stellen für Fachkräfte in der Baubranche offen, so Speidel.

Die Zusammenar­beit auf der Baustelle klappe gut, sagen die Geflüchtet­en. Rassistisc­he Äußerungen gebe es nicht. Oft gebe es gewisse Vorbehalte vor dem Erstkontak­t, sagt Speidel. „Aber sobald der persönlich­e Kontakt zum Beispiel auf der Baustelle da ist, ist alles anders. Dann ist der Flüchtling der Kollege.“

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