Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Handwerker wehren sich gegen Kritik
Zu teuer, zu unflexibel und schlampig: Diese Vorwürfe seien haltlos.
RAVENSBURG - Die Preise sind überzogen, Kunden bekommen Termine erst in ferner Zukunft und dann wird auch noch schlampig gearbeitet: Vorwürfe wie diese ärgern die Verantwortlichen der Kreishandwerkerschaft Ravensburg. „Wenn man sich die Pauschalkritik im Einzelnen anschaut, dann bleibt schnell nichts mehr davon übrig“, sagen Kreishandwerksmeister Michael Bucher und Geschäftsführer Franz Moosherr im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Mit einer weiter „stabilen Konjunktur auf hohem Niveau“im Rücken gehen die selbstbewussten Handwerker in die Offensive und wollen mehr Wertschätzung einfordern.
Besonders Kommunen klagen derzeit, angesichts von Preissteigerungen von bis zu 40 Prozent bei Bauvorhaben könnten sie viele Aufträge gar nicht mehr vergeben, weil das Budget der Gemeinden schlicht für die Handwerkerrechnung nicht ausreiche. Auch die Städte Friedrichshafen und Ravensburg hatten diese Entwicklung kritisiert. Der stellvertretende Kreishandwerksmeister Otto Birk, Geschäftsführer von zwei Bauunternehmen, sagt, 40 Prozent Preissteigerung seien „nicht realistisch“. Und von behördlicher Seite aus würde einfach häufig falsch kalkuliert.
Fachkräftemangel verschärft Lage
Das glaubt auch Kreishandwerksmeister Michael Bucher und ergänzt: „Natürlich gibt es Preissteigerungen. Man muss sich aber auch anschauen, dass alleine die Materialkosten um zehn Prozent gestiegen sind. Dazu kommen höhere Löhne nach den letzten Tarifrunden. Und dann treiben immer mehr staatliche Auflagen die Preise nach oben.“Franz Moosherr hält es darüber hinaus für „legitim, dass die Betriebe die momentan gute Auftragslage auch nutzen, um Geld zu verdienen“.
Die gute Auftragslage schlägt sich auch in vollen Terminbüchern vieler Handwerker nieder. Auf der anderen Seite drücke eine nach wie vor angespannte Situation durch den Fachkräftemangel. „Unsere Betriebe schaffen es trotzdem, ihre Kunden in einem zeitlich akzeptablen Rahmen zu bedienen“, sagt Moosherr. „Klar ist aber auch: Stammkunden und Notfälle haben momentan Vorrang.“Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft: „Häufig sollen unsere Handwerker auf die Schnelle Schäden beheben, die irgendwelche Billiganbieter hinterlassen haben. Da habe ich volles Verständnis, wenn ein Firmenchef sagt, dass andere Dinge vorgehen.“Apropos Billiganbieter: Dass beim Bau des „Hauses der katholischen Kirche“in Ravensburg das Image des Handwerks Schaden genommen habe, ärgert Moosherr immer noch. Zur Erinnerung: Wegen Pfuschs am Bau hatte das neue Gemeindezentrum ein Jahr später als geplant Eröffnung feiern können. „Das war ein einzelner fachlich überforderter Elektrobetrieb“, so der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. „Wenn die Verantwortlichen zu angemessenen Konditionen einen Innungsfachbetrieb beauftragt hätten, wäre das nicht passiert“, glaubt er.
Ausbildungszahlen steigen wieder
Auf ihre Interessen und Anliegen aufmerksam machen wollen die Handwerker künftig bei den „Turmgesprächen“mit Politikern von der Kreis- bis zur Europäischen Ebene. Am 13. November ist die Premiere. Eine Forderung, die die Verantwortlichen im Landkreis stellen wollen: Bei der Neuordnung der Berufsschulstandorte (die SZ berichtete) müsse auch der ÖPNV ausgebaut und angepasst werden. Bucher: „Unsere Leute müssen in die Berufsschulen kommen.“Auch das gehört zur Imagewerbung des Handwerks bei Schulabgängern – einem Feld, auf dem man sich enorm engagiert habe.
Mit Erfolg offenbar. Die Ausbildungszahlen im Beritt der Kreishandwerkerschaft steigen wieder und zunehmend gelingt es auch, Abiturienten anzusprechen, freuen sich Bucher und Moosher: 15 Prozent aller Lehrverträge würden inzwischen von Abiturienten unterzeichnet. Die Aussichten für die Azubis nach der Lehre seien rosig. Fachkräfte würden gesucht, nach wie vor laufe vor allem das Bauhauptgewerbe sehr gut. Zu schaffen mache den Handwerkern eine an einigen Stellen „überbordende Bürokratie“, sagt Michael Bucher. Besonders das Nahrungsmittelhandwerk könne sich kaum noch auf seine Produkte konzentrieren, weil beispielsweise Dokumentationspflichten überhand nähmen. „Da geht vielen die Freude am Handwerk verloren.“