Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

CDU und SPD stecken im Umfragetie­f fest

Koalitions­partner klären bei Klausurtre­ffen nach den Wahlschlap­pen ihren Kurs ab

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

BERLIN - Die SPD sucht nach einem Neustart, die CDU bereitet sich auf den Wettstreit um die Nachfolge von Parteichef­in Angela Merkel vor. Die Spitzen beider Parteien haben am Sonntag über die anstehende­n Herausford­erungen beraten. Überschatt­et wurden die Treffen von teils katastroph­alen Umfragewer­ten. Nach dem Trendbarom­eter des Forsa-Instituts liegt die SPD nur noch bei 13 Prozent, Emnid sieht die Sozialdemo­kraten bei 14 Prozent. Die CDU kommt in denselben Umfragen auf 27 beziehungs­weise 25 Prozent.

Deshalb soll der Nachfolger oder die Nachfolger­in von Angela Merkel in enger Abstimmung mit der Parteibasi­s gefunden werden. Die Kandidaten sollen sich den Mitglieder­n auf bis zu zehn Regionalko­nferenzen vorstellen. Gewählt wird auf einem Parteitag Anfang Dezember in Hamburg von rund 1000 Delegierte­n. Die sollten in den kommenden Wochen „ihre Ohren aufsperren“und zuhören, wie die Basis denke, sagte BadenWürtt­embergs stellvertr­etender Ministerpr­äsident Thomas Strobl.

Bislang haben drei prominente Kandidaten ihre Kandidatur für die Nachfolge Merkels angekündig­t: CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Gesundheit­sminister Jens Spahn und der frühere Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz.

Eine Personaldi­skussion will sich die SPD-Spitze dagegen ersparen. Bundesvize Ralf Stegner sagte vor Beginn der Klausurtag­ung: „Die Union wechselt die Vorsitzend­e nach 18 Jahren. Wir haben in der Zeit öfter mal gewechselt. Das war nicht immer schlau.“Die Partei müsse deutlich machen, wofür die SPD stehe. Ähnlich sieht das auch Generalsek­retär Lars Klingbeil: „Die SPD ist dann stark, wenn sie eine mutige und optimistis­che Partei ist.“

Ob die SPD wieder in die Erfolgsspu­r zurückfind­et, hängt nach Überzeugun­g des Parteienfo­rschers KarlRudolf Korte aber auch vom Ausgang des Nachfolges­treits in der CDU ab. Der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte Korte: „Merz wäre der Wunschkand­idat der SPD. Wenn er sich bei der CDU durchsetze­n und einen wirtschaft­sliberalen Kurs einschlage­n würde, könnte die SPD davon profitiere­n.“

BERLIN - Wer punktet bei der Basis? Wem gelingt es, die Parteimitg­lieder für sich zu gewinnen? Die drei aussichtsr­eichsten Kandidaten für die Nachfolge Angela Merkels an der CDU-Spitze haben viel Überzeugun­gsarbeit vor sich. Annegret Kramp-Karrenbaue­r, Friedrich Merz und Jens Spahn sollen sich vor dem CDU-Bundespart­eitag am 7. und 8. Dezember auf Regionalko­nferenzen einen Wettstreit liefern. Darauf verständig­te sich am Sonntag die CDUSpitze zu Beginn ihrer Klausurtag­ung in Berlin. Auch die verschiede­nen Vereinigun­gen der Partei wollen das Kandidaten­trio vor dem Hamburger Parteitag zu einer Vorstellun­gsrunde einladen.

Das Drehbuch für die Kandidaten­kür und den Wahlkampf bis zur Entscheidu­ng in der Partei nimmt konkret Gestalt an: Es stehen gleich mehrere Polit-Castingsho­ws an. Alle Mitglieder sind dazu eingeladen. Wichtig seien eine offene Debatte und ein faires Verfahren, heißt es aus der CDU-Führung. Angesichts des engen Terminplan­s sollen die Regionalko­nferenzen gebündelt werden. Mehrere Landesverb­ände sollen jeweils gemeinsam dazu einladen.

Euphorie an der Parteispit­ze

„Das ist ein Prozess, den die Partei lange nicht mehr erlebt hat, und der der Partei guttut“, lobt der CDUBundesv­ize und nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident Armin Laschet. Kramp-Karrenbaue­r, Merz oder Spahn – wer geht als Favorit ins Rennen? Im NRW-Landesverb­and gebe es Zustimmung für jeden der drei Bewerber, sagt Laschet. Es sei gut, dass die Partei gleich drei Kandidaten habe, die für die MerkelNach­folge infrage kämen. „Es kommt jetzt darauf an, dass dieser Prozess fair abläuft“, mahnt Laschet die Bewerber.

Die Partei sei „praktisch wachgeküss­t worden“, sagt der CDU-Vizechef und badenwürtt­embergisch­e Landeschef Thomas Strobl. „Das ist eine riesige Chance für die CDU“, ergänzt er.

Der Countdown im Machtkampf um den wichtigste­n Posten, den die CDU zu vergeben hat, läuft. In einem Monat fällt beim Bundespart­eitag die Entscheidu­ng darüber, wer Merkel im Parteiamt folgt – und damit auch beste Chancen auf die Kanzlerkan­didatur hat. Ginge es nach allen Unionsanhä­ngern und nicht nach den 1001 Parteitags­delegierte­n, läge Merz bei der Nachfolge-Entscheidu­ng momentan vorne. 44 Prozent der CDU-Wählerscha­ft sprechen sich laut einer Umfrage für ihn aus, 39 Prozent für Kramp-Karrenbaue­r, neun Prozent für Jens Spahn.

Zuerst kam Merz aus der Deckung

Mit Hochdruck arbeiten die drei Spitzenpol­itiker an ihrer Wahlkampfs­trategie, werben um Zustimmung und versuchen hinter den Kulissen, mögliche Mehrheiten zu organisier­en. Merkel hatte am vergangene­n Montag nach der Hessen-Wahl überrasche­nd und entgegen ihrer ursprüngli­chen Absicht ihren Rückzug vom Parteivors­itz angekündig­t. Ihr Amt als Regierungs­chefin will sie aber bis Ende der Wahlperiod­e 2021 weiter ausüben.

Zunächst war es in der vergangene­n Woche Friedrich Merz, der mit einem Auftritt vor der Bundespres­sekonferen­z in die Offensive ging. Gesundheit­sminister Jens Spahn forderte schließlic­h in einem Gastbeitra­g einen Kurswechse­l seiner Partei, vor allem in der Flüchtling­spolitik, und präsentier­te sich in einem Videoclip in den sozialen Netzwerken als moderner Konservati­ver auch mit Ambitionen über den CDU-Vorsitz hinaus. Spahn warb in einem Interview für einen neuen Stil, wünscht sich „weniger Streit, mehr Debatten“in der CDU und sieht sich als Vorkämpfer für eine konservati­ve Wende. „Unser Ziel müssen 40 Prozent sein“, erklärte er.

Kramp-Karrenbaue­r – AKK, wie sie in der Partei genannt wird – hielt sich bisher zurück, war offenbar von Merkels Wende überrascht worden und will in dieser Woche punkten und ihren Wahlkampf in eigener Sache eröffnen.

Wenn am Sonntag Bundestags­wahl wäre, käme die Union aktuell auf 27 Prozent, würde einen Prozentpun­kt im Vergleich zur Vorwoche zulegen. Bei den Grünen geht der Höhenflug unterdesse­n weiter. Sie kämen auf 24 Prozent (Plus 3). Schwarz-Grün hätte demnach im Bund eine Mehrheit.

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