Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
CDU und SPD stecken im Umfragetief fest
Koalitionspartner klären bei Klausurtreffen nach den Wahlschlappen ihren Kurs ab
BERLIN - Die SPD sucht nach einem Neustart, die CDU bereitet sich auf den Wettstreit um die Nachfolge von Parteichefin Angela Merkel vor. Die Spitzen beider Parteien haben am Sonntag über die anstehenden Herausforderungen beraten. Überschattet wurden die Treffen von teils katastrophalen Umfragewerten. Nach dem Trendbarometer des Forsa-Instituts liegt die SPD nur noch bei 13 Prozent, Emnid sieht die Sozialdemokraten bei 14 Prozent. Die CDU kommt in denselben Umfragen auf 27 beziehungsweise 25 Prozent.
Deshalb soll der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Angela Merkel in enger Abstimmung mit der Parteibasis gefunden werden. Die Kandidaten sollen sich den Mitgliedern auf bis zu zehn Regionalkonferenzen vorstellen. Gewählt wird auf einem Parteitag Anfang Dezember in Hamburg von rund 1000 Delegierten. Die sollten in den kommenden Wochen „ihre Ohren aufsperren“und zuhören, wie die Basis denke, sagte BadenWürttembergs stellvertretender Ministerpräsident Thomas Strobl.
Bislang haben drei prominente Kandidaten ihre Kandidatur für die Nachfolge Merkels angekündigt: CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz.
Eine Personaldiskussion will sich die SPD-Spitze dagegen ersparen. Bundesvize Ralf Stegner sagte vor Beginn der Klausurtagung: „Die Union wechselt die Vorsitzende nach 18 Jahren. Wir haben in der Zeit öfter mal gewechselt. Das war nicht immer schlau.“Die Partei müsse deutlich machen, wofür die SPD stehe. Ähnlich sieht das auch Generalsekretär Lars Klingbeil: „Die SPD ist dann stark, wenn sie eine mutige und optimistische Partei ist.“
Ob die SPD wieder in die Erfolgsspur zurückfindet, hängt nach Überzeugung des Parteienforschers KarlRudolf Korte aber auch vom Ausgang des Nachfolgestreits in der CDU ab. Der „Schwäbischen Zeitung“sagte Korte: „Merz wäre der Wunschkandidat der SPD. Wenn er sich bei der CDU durchsetzen und einen wirtschaftsliberalen Kurs einschlagen würde, könnte die SPD davon profitieren.“
BERLIN - Wer punktet bei der Basis? Wem gelingt es, die Parteimitglieder für sich zu gewinnen? Die drei aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge Angela Merkels an der CDU-Spitze haben viel Überzeugungsarbeit vor sich. Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn sollen sich vor dem CDU-Bundesparteitag am 7. und 8. Dezember auf Regionalkonferenzen einen Wettstreit liefern. Darauf verständigte sich am Sonntag die CDUSpitze zu Beginn ihrer Klausurtagung in Berlin. Auch die verschiedenen Vereinigungen der Partei wollen das Kandidatentrio vor dem Hamburger Parteitag zu einer Vorstellungsrunde einladen.
Das Drehbuch für die Kandidatenkür und den Wahlkampf bis zur Entscheidung in der Partei nimmt konkret Gestalt an: Es stehen gleich mehrere Polit-Castingshows an. Alle Mitglieder sind dazu eingeladen. Wichtig seien eine offene Debatte und ein faires Verfahren, heißt es aus der CDU-Führung. Angesichts des engen Terminplans sollen die Regionalkonferenzen gebündelt werden. Mehrere Landesverbände sollen jeweils gemeinsam dazu einladen.
Euphorie an der Parteispitze
„Das ist ein Prozess, den die Partei lange nicht mehr erlebt hat, und der der Partei guttut“, lobt der CDUBundesvize und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet. Kramp-Karrenbauer, Merz oder Spahn – wer geht als Favorit ins Rennen? Im NRW-Landesverband gebe es Zustimmung für jeden der drei Bewerber, sagt Laschet. Es sei gut, dass die Partei gleich drei Kandidaten habe, die für die MerkelNachfolge infrage kämen. „Es kommt jetzt darauf an, dass dieser Prozess fair abläuft“, mahnt Laschet die Bewerber.
Die Partei sei „praktisch wachgeküsst worden“, sagt der CDU-Vizechef und badenwürttembergische Landeschef Thomas Strobl. „Das ist eine riesige Chance für die CDU“, ergänzt er.
Der Countdown im Machtkampf um den wichtigsten Posten, den die CDU zu vergeben hat, läuft. In einem Monat fällt beim Bundesparteitag die Entscheidung darüber, wer Merkel im Parteiamt folgt – und damit auch beste Chancen auf die Kanzlerkandidatur hat. Ginge es nach allen Unionsanhängern und nicht nach den 1001 Parteitagsdelegierten, läge Merz bei der Nachfolge-Entscheidung momentan vorne. 44 Prozent der CDU-Wählerschaft sprechen sich laut einer Umfrage für ihn aus, 39 Prozent für Kramp-Karrenbauer, neun Prozent für Jens Spahn.
Zuerst kam Merz aus der Deckung
Mit Hochdruck arbeiten die drei Spitzenpolitiker an ihrer Wahlkampfstrategie, werben um Zustimmung und versuchen hinter den Kulissen, mögliche Mehrheiten zu organisieren. Merkel hatte am vergangenen Montag nach der Hessen-Wahl überraschend und entgegen ihrer ursprünglichen Absicht ihren Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt. Ihr Amt als Regierungschefin will sie aber bis Ende der Wahlperiode 2021 weiter ausüben.
Zunächst war es in der vergangenen Woche Friedrich Merz, der mit einem Auftritt vor der Bundespressekonferenz in die Offensive ging. Gesundheitsminister Jens Spahn forderte schließlich in einem Gastbeitrag einen Kurswechsel seiner Partei, vor allem in der Flüchtlingspolitik, und präsentierte sich in einem Videoclip in den sozialen Netzwerken als moderner Konservativer auch mit Ambitionen über den CDU-Vorsitz hinaus. Spahn warb in einem Interview für einen neuen Stil, wünscht sich „weniger Streit, mehr Debatten“in der CDU und sieht sich als Vorkämpfer für eine konservative Wende. „Unser Ziel müssen 40 Prozent sein“, erklärte er.
Kramp-Karrenbauer – AKK, wie sie in der Partei genannt wird – hielt sich bisher zurück, war offenbar von Merkels Wende überrascht worden und will in dieser Woche punkten und ihren Wahlkampf in eigener Sache eröffnen.
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Union aktuell auf 27 Prozent, würde einen Prozentpunkt im Vergleich zur Vorwoche zulegen. Bei den Grünen geht der Höhenflug unterdessen weiter. Sie kämen auf 24 Prozent (Plus 3). Schwarz-Grün hätte demnach im Bund eine Mehrheit.