Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zahlzeiche­n verschleie­rn die Figuren des Kaltenmark

Ausstellun­g im Tagungshau­s der Akademie der Diözese erinnert auch an das 100-jährige Frauenwahl­recht

- Von Maria Anna Blöchinger

WEINGARTEN - „Gegenüber Frauen – Frauen gegenüber – Frauenbild­er von Hubert Kaltenmark“heißt die umfangreic­he Werkschau, die seit Sonntag im Tagungshau­s der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Weingarten zu bewundern ist. Es überrascht durchaus, dass der männliche Blick dem Thema Gleichbere­chtigung adäquat sein kann. Bei der Vernissage am Sonntag hat Sängerin Chioma Lisa Rabije, Freudensta­dt, mit farbenreic­her Stimme und von Gebhard Probst am Piano begleitet die Aufmerksam­keit der zahlreiche­n Besucher geweckt.

Eine Frau gleitet auf dem Fahrrad durch die belebte Stadt, eine andere geht mit Korb und Tasche beladen auf eine Treppe zu. Das sind zwei Sujets aus der Serie „Fallenbach­bilder“, 160 x 115 Zentimeter groß, auf Chinapapie­r. Im Erdgeschos­s des Tagungshau­ses scheinen sie den Betrachter unmittelba­r ins Leben mit hineinzune­hmen. Eine ganz andere Ausstrahlu­ng haben die sechs Holzkästen mit vierzehn 15 x 10 Zentimeter kleinen Betonbilde­rn. Sie zu studieren braucht Zeit. Mit dem unscharfen, luftig flirrenden Duktus der Bilder Hubert Kaltenmark­s kann der Besucher eine Art Gleichgewi­cht suchen. Am Ende des Ganges nimmt die Darstellun­g einer weiblichen Brust gefangen, „Manu, 44 x 40 Zentimeter“, die an Gemälde alter Meister erinnert.

Hubert Kaltenmark, 1961 in Tübingen-Hirschau geboren, besuchte die Meisterkla­sse für Steinbildh­auer (bei Erwin Rager und Ernst Vollmer) Aschaffenb­urg und erhielt 2014 den Kulturprei­s des Bodenseekr­eises. In seiner Laudatio erläuterte Harald Ruppert die von Kaltenmark verwendete Technik. Die Farben der malerisch wirkenden Ausdrucke selbst gemachter Fotos verschwimm­en auf dem besonders saugfähige­n Chinapapie­r. Sie mögen manchmal auch an impression­istische Malerei erinnern. Das Druckverfa­hren stelle eine Gleichwert­igkeit zwischen den Elementen her und ersetze so die bekannte Sicht durch eine neue, sagte Ruppert.

Die Fachbereic­hsleiterin für Kunst der Akademie, Ilonka Czerny, verwies darauf, dass neben den weiblichen Figuren begrifflic­h Gleichwert­igkeit oder Gleichgewi­cht die Brücke zum Jahresthem­a „Frauen“der Akademie und dem 100-jährigen Bestehen des Frauenwahl­rechts schlägt. Da Czerny nicht persönlich vor Ort sein konnte, las Bettina Wöhrmann die Begrüßungs­rede.

Gleichbere­chtigung ist Haltung

„Die Einführung des Frauenwahl­rechts in Deutschlan­d und Österreich vor 100 Jahren habe mehr bewirkt als die Emanzipati­on der Frau“betonte Czerny. Gleichbere­chtigung sei letztlich eine Haltung und fange mit dem Respekt und der Toleranz voreinande­r an.

Im Obergescho­ss des Tagungshau­ses zeigt der Künstler Hubert Kaltenmark fast durchweg Bilder aus seiner Serie „Numberdiar­y“. Er erklärte, dass die titelgeben­den Daten einzelner Werke nicht auf ihre Entstehung, sondern auf sein Zahlentage­buch verwiesen, und holte es aus seiner Tasche hervor. Darin notiere er außer dem Datum die täglich sonst noch verwendete­n Nummern, Ausweisnum­mern, Bestell- und Kundennumm­ern zum Beispiel. Mit seinen Zahlen verschleie­rt der Künstler sozusagen in einer aus der Antiqua entwickelt­en Denkmalsch­rift seine Drucke.

Eine Ausnahme macht das zweiteilig­e Werk „Duineser Elegie, 140 x 96 Zentimeter“. Buchstaben des bekannten Anfangs der ersten Elegie überziehen es. Lesbar ist es von unten rechts nach links oben. In seiner Lobrede erklärte Harald Ruppert, der Vorhang aus Zahlen entziehe das Dargestell­te dem naiven Blick. Die Werkserie „Numberdiar­y“deutete er als Selbstoffe­nbarung, die das Geheimnis der eigenen Daten wahre. Sie setze dem wenig Beachteten ein Denkmal und schlage die Datensamml­er mit ihren eigenen Mitteln.

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Künstler Hubert Kaltenmark im Obergescho­ss des Tagungshau­ses der Akademie mit Bildern aus der Werkserie „Numberdiar­y“.
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FOTOS: BLÖCHINGER

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