Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Liebevoll abstrahierte Absonderlichkeiten in zehn Sakkos
Hämmerle kommt als schwäbisches Inferno über die Linse-Zuschauer in Weingarten
WEINGARTEN - Als wär’s ein Heimspiel – so muss es dem Tübinger Kabarettisten Bernd Kohlhepp vorkommen, wenn er als sein alter Ego Herr Hämmerle in der Linse auf die Bühne tritt. Und im Grunde ist der Name „Das Programm ben ich“längst überfällig gewesen, denn so verhält es sich schon immer: Wo Hämmerle draufsteht, da ist verlässlich Hämmerle drin. Darauf vertrauen auch die Weingartener Fans, die am vergangenen Freitagabend in den großen Saal strömten, sodass kein Stuhl mehr frei blieb.
Apropos Stuhl: Wer sich bei Herrn Hämmerle in die ersten Reihe setzt, der muss traditionell damit rechnen, dass er Teil des Programms wird. Ob er will oder nicht. Und so sind es diesmal Jörg aus Mochenwangen und Rolf aus Horgenzell, die sich zwar etwas zieren, aber von Herrn Hämmerle erwartungsgemäß geknackt werden. Da hilft kein Rückzug auf „Datenschutz“und auch kein demonstratives Verschränken der Arme. Wenn der Herr Hämmerle in Fahrt kommt, dann fährt er, aber so richtig. Bohrt nach. Will´s wissen. Beißt sich fest. Und rollt herrlich mit den Augen.
Dass der Tübinger Bernd Kohlhepp seit Jahren, ach was: Jahrzehnten in der Region ein Garant für kurzweilige Unterhaltung ist, das hat der 56-Jährige sich vermutlich hart erarbeitet. Auch wenn es federleicht frotzelnd daherkommt. Dazu muss er dem Volk aufs Maul und in die ach so schwäbische Seele geguckt, die Absonderlichkeiten liebevoll abstrahiert haben – um sie so sauglatt wieder unter sein selbstverständlich auch ur-schwäbisches Publikum bringen zu können, dass die sich oder den Nachbarn/die Tante erkennen, ohne sich allzu bloß gestellt zu fühlen. Spiegelungen mit Goldfilter sozusagen. Und darin ist Bernd Kohlhepp alias Herr Hämmerle wahrlich ein Meister. Wie auch im klassischen Stand-Up-Acting. Wie im Gesang. Und im Flirten – oder etwa nicht, Ute? – sowieso.
Kohlhepps Programm, das mit dem Untertitel „Herr Hämmerle – total vernetzt“daher kommt, mixt dann auch ungebremst die tückischen Errungenschaften der neuen Technologien mit den leisen Boshaftigkeiten eines Bempflinger Cleverles. Hämmerle führt nämlich die Smart-Watch im Wechsel mit dem Briefträger aus und im Laufe des Abends alle seine zehn Sakkos vor, die er als Online-Schnäppchen ergattert hat.
Er fabuliert über Frau Schwertfegers Thermomix, mit dem sie neuerdings Kürbissuppe bis Cincinnati schickt. Er triumphiert über den Einbrecher, den er dank Google-Translator nun in dessen Muttersprache anpflaumen kann – damit der wenigstens beim Gehen den Plastikmüll mit raus nimmt.
Und Hämmerle ereifert sich. Über den Stress mit seinem Festplattenrekorder. Übers Online-Dating. Den nächtlichen Streit zwischen Toaster und Orangenpresse. Seine Tanzstunden mit dem alten KoboldStaubsauger. Als schwäbisches Inferno kommt er über die Zuschauer. Wenn es sein muss, im DinosauerierKostüm. Und selbstverständlich lässt er bei Rolf und Jörg („I seh di!“) nicht locker.
Regelrecht atemlos folgen sie auch Kohlhepps wilder Schwertgosch, als er den Begriff „Soap“erklärt. Nachvollziehbar zu machen, wie Hämmerle den Chefarzt im Cabriolet auf der Serpentinenstraße und die Ehefrau, die Geliebte, die Nachbarin und die Figur des Nebenbuhlers gibt: Unmöglich! Aber auch Jörg und Rolf lauschen, gucken, staunen – und applaudieren heftig.
Auch Kohlhepps fein eingestreute Songs goutiert das Publikum, immerhin wissen die meisten, dass der Kleinkunstpreisträger auch ein grandioser Sänger ist. Zum Schluss, da gibt der Tausendsassa sogar noch den Halbleiter-Krimi-Kommissar, der sich – bestückt mit Schlagworten aus der Mochenwangener und Fronhofer-Ecke – durch Falcos Klassiker slamt und beatboxt. Großes Schwaben-Kino. Danke Herr Hämmerle.