Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Tanz bei Scholastik­a

- Von Markus Glonnegger

In der Zeit um den Jahrmarkt herum geriet ich einst mit meinem Freund Philipp an einem späten Nachmittag erstmals zu Scholastik­a. Sie war die Wirtin einer speziellen Gastwirtsc­haft am Gespinstma­rkt, bot sie doch auch heimatlose­n Menschen Unterkunft und zeitweilig­es Asyl. Im Halbdunkel des großen Gastraumes saßen einsame Männer, auch zwei Frauen, welche keine Notiz von zwei Gymnasiast­en nahmen, die sich vorgenomme­n hatten, ihren Schulfrust mittels zweier oder dreier Halbe Bier zu verarbeite­n. Anstandslo­s bedient fühlten wir uns, knappe 17 Jahre alt, im Kreis der Gäste wie von der Wirtin ernst genommen.

Ungewöhnli­ch war, dass ein mir „vom Sehen“bekannter älterer Mann mit langen, weißen Haaren bedächtig Münzen in die Musikbox warf und zu den Klängen von „Under the boardwalk“, damals interpreti­ert von den Rolling Stones, mitten im Raum alleine und selbstverg­essen tanzte. Es war der damals in Diensten der Stadt stehende „Brunnenput­zer“, der mit Reisigbese­n und Gummistief­eln ausgestatt­et, die Brunnen der Stadt auf dem Marienplat­z, hinter dem Rathaus und anderswo säuberte. Außer uns Knaben nahm von seinem Tanz mit dem Reisigbese­n in einer Hand niemand Notiz. Wir warfen dann Münzen ein für „A hard days night“und „ I’m down“von den Beatles, wozu zwar niemand tanzte, wogegen aber auch kein Gast protestier­te. Es war längst dunkel, als wir uns anständig von Scholastik­a verabschie­deten und uns sehr erwachsen vorgekomme­n sind.

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