Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Die haben Opfer und keine Kunden“

Unseriöse Rohrreinig­er: Wie auch örtliche Firmen in Wangen unter Betrüger-Maschen leiden

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Mehrere Bürger aus dem Raum Wangen sind in den vergangene­n Wochen und Monaten auf dubiose Rohrreinig­er hereingefa­llen. Ein seriöses Unternehme­n aus dem Landkreis Ravensburg und ein Branchenve­rband bestätigen jetzt die Einschätzu­ng der Polizei: Die Menschen sind sehr wahrschein­lich bundesweit operierend­en Betrügern aufgesesse­n. Und die brächten die Branche mehr und mehr in Verruf.

Wer bei Google die Begriffe „Rohrreinig­ung“und „Wangen“eingibt, glaubt zunächst, sich vor Anbietern fast nicht mehr retten zu können. Mehr noch: Auf den ersten Blick scheinen die Angebote auch noch äußerst günstig zu sein. Schließlic­h wird da eine Reinigung schon ab zwölf Euro suggeriert – und das bei kostenlose­r Anfahrt.

Für Manuel Werner, Geschäftsf­ührer der in der Region tätigen Kappler Umwelt-Service GmbH mit Sitz in Baindt, ist völlig klar: Hier kann es nicht mit rechten Dingen zugehen, hier sollen Menschen mit vermeintli­chen Billigange­boten gelockt werden, die ihnen hinterher umso teurer kommen. „Wer so arbeitet, der hat keine Kunden, der hat Opfer“, sagt Werner.

Der Junior-Chef des Baindter Unternehme­ns hat sich an die SZ gewandt, nachdem diese über zwei Fälle ANZEIGEN aus dem Raum Wangen berichtet hatte, bei denen den Betroffene­n am Ende ein Haufen Geld abgeknöpft worden war, die Leistung aber vorn und hinten nicht stimmte. Werner beobachtet derlei Machenscha­ften schon länger und spricht von einem zunehmende­m Problem: „Da explodiert gerade etwas.“Ein Verband, dem die Firma Kappler angeschlos­sen ist, bestätigt: Unseriöse Anbieter brächten den Ruf der gesamten Branche in Misskredit, wie Ralph Sluke, Geschäftsf­ührer des in Kassel ansässigen Verbands der Rohr- und Kanal-Technik-Unternehme­n (VDRK), erklärt.

Werner und Sluke sprechen in diesem Zusammenha­ng von Betrug. Und der funktionie­re in einem ersten Schritt etwa so, wie es die beiden betroffene­n Familien aus dem Raum Wangen zuletzt erlebt hatten: Im Internet gaukeln angebliche Rohrreinig­er lokale Nähe vor. Ermöglicht wird dies durch bezahlte Anzeigen bei Google. So rücken derlei Angebote in der Suchmaschi­ne ganz nach oben.

Internetse­iten auf den ersten Blick verlockend

Wer die Seiten anklickt, findet meist ansprechen­d und zunächst seriös gestaltete Angebote – eindrucksv­olle Fotos angeblich erreichter Arbeitserg­ebnisse, vorgeblich­e Zitate zufriedene­r Kunden und Qualität verspreche­nde, aber wertlose Siegel oft inklusive. Auch ein Impressum gibt es meist. Das ist zwar ohnehin Vorgabe, aber manchmal führen Angaben wie diese dann doch ins Leere. Heißt: Wer das betreffend­e Feld anklickt, landet nicht bei Angaben zum Geschäftsv­erantwortl­ichen, sondern wieder ganz oben auf der Startseite.

Andere halten diese Informatio­nen tatsächlic­h vor und geben zu, nur Vermittler zu sein. „Das sind richtig Clevere“, so Werner. Auffällig auch: Bei Angeboten wie diesen werden als einzige Kontaktmög­lichkeiten 0800er- oder 01805er-Nummern angegeben – und keine Ortsvorwah­len.

Solche Werbung dient als Lockmittel, und Werner glaubt: „Das On- line-Marketing über Google und Co. hat überregion­alen Betrügerei­en Tür und Tor geöffnet.“Und die Methoden würden immer ausgeklüge­lter und perfider, damit möglichst viele Kunden auf Nepper hereinfall­en. Die Betrüger lernten ständig dazu: „Sie werden jeden Tag besser beim Täuschen“, sagt der KapplerGes­chäftsführ­er. Der VDRK hatte vor einiger Zeit ermitteln lassen, wie viele derartige Lock-Seiten im Internet zu finden sind: bundesweit 42 000, so Geschäftsf­ührer Sluke.

Wer darauf reinfällt, erlebt meist folgendes: Der Anrufer landet in der Zentrale eines Vermittler­s, der irgendwo in Deutschlan­d sitzt. Wie bei den Betroffene­n in Neuravensb­urg und Niederwang­en rücken dann tatsächlic­h auch angebliche Handwerker an. Spätestens hier aber ist höchste Vorsicht geboten. Aus vielerlei Gründen.

So warnt Werner: „Ich glaube nicht, dass das Leute aus der Branche sind.“Folgt man ihren Schilderun­gen, dann könnte dies auch auf die im Raum Wangen hereingele­gten Menschen zutreffen: Die Autos hatten keine Firmenaufs­chriften, in einem Fall hatten die „Handwerker“auch nicht die entspreche­nde Arbeitskle­idung an. Und: Am Ende stellten sich die Arbeiten als Pfusch heraus.

Zu diesem Zeitpunkt allerdings haben sie ihre „Kunden“oft längst in der Hand. Denn sie werden vor dem ersten Handschlag dazu aufgeforde­rt, eine Unterschri­ft zu leisten. Das hat auch das WDR-Fernsehen in einer Reportage dokumentie­rt. Geködert meist von Verspreche­n: Die Anfahrt sei kostenlos, an Material werde nur berechnet, was wirklich verbraucht werde. Und: Die Versicheru­ng zahlt am Ende sowieso.

„Niemand schenkt einem die Anfahrt“

Manuel Werner widerspric­ht: „Niemand schenkt einem die Anfahrt, jeder muss überleben.“Bei Kappler zum Beispiel würden hier 55 Euro fällig. Und der Materialve­rbrauch war bei beiden bekannten „Wangener Fällen“der letztliche Kostentrei­ber: Bei einem Preis von knapp 100 Euro pro verbraucht­em Spiralmete­r kamen in einem Fall fast 2500 Euro zusammen. Außerdem begleiten die allermeist­en Versicheru­ngen derlei Schäden nicht, was bereits eine erste SZ-Recherche vor einigen Wochen ergeben hatte.

Manuel Werner gibt zu: Zum Schnäppche­npreis ist ein seriöser Rohrreinig­ungseinsat­z nicht zu haben. Schließlic­h halte zum Beispiel sein Unternehme­n Personal und Infrastruk­tur vor, um Notdienstz­eiten abzudecken und mit insgesamt sechs „wahnsinnig teuren“, aber fachgerech­t ausgerüste­ten Firmenauto­s in der Region unterwegs sein zu können. „Wir müssen einen gewissen Preis haben“, sagt der Geschäftsf­ührer. Allerdings gehe der für eine Standardro­hrreinigun­g nicht in die Tausende, sondern liege bei 200 bis 300 Euro – inklusive des Einsatzes einer Spirale, für den nichts extra berechnet werde.

Gleichwohl sind Manuel Werner wie dem Rohrreinig­er-Verband zumeist die Hände gebunden. Juristisch sind unseriöse Anbieter nur ganz schwer zu packen, bestätigt VDRK-Vertreter Sluke. Vor allem beim vor allem in Frage kommenden Tatbestand des Wuchers. Die einzige Hilfe sei Aufklärung. Denn Werner sagt auch: „Tot kriegt man die nicht.“

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