Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Die haben Opfer und keine Kunden“
Unseriöse Rohrreiniger: Wie auch örtliche Firmen in Wangen unter Betrüger-Maschen leiden
WANGEN - Mehrere Bürger aus dem Raum Wangen sind in den vergangenen Wochen und Monaten auf dubiose Rohrreiniger hereingefallen. Ein seriöses Unternehmen aus dem Landkreis Ravensburg und ein Branchenverband bestätigen jetzt die Einschätzung der Polizei: Die Menschen sind sehr wahrscheinlich bundesweit operierenden Betrügern aufgesessen. Und die brächten die Branche mehr und mehr in Verruf.
Wer bei Google die Begriffe „Rohrreinigung“und „Wangen“eingibt, glaubt zunächst, sich vor Anbietern fast nicht mehr retten zu können. Mehr noch: Auf den ersten Blick scheinen die Angebote auch noch äußerst günstig zu sein. Schließlich wird da eine Reinigung schon ab zwölf Euro suggeriert – und das bei kostenloser Anfahrt.
Für Manuel Werner, Geschäftsführer der in der Region tätigen Kappler Umwelt-Service GmbH mit Sitz in Baindt, ist völlig klar: Hier kann es nicht mit rechten Dingen zugehen, hier sollen Menschen mit vermeintlichen Billigangeboten gelockt werden, die ihnen hinterher umso teurer kommen. „Wer so arbeitet, der hat keine Kunden, der hat Opfer“, sagt Werner.
Der Junior-Chef des Baindter Unternehmens hat sich an die SZ gewandt, nachdem diese über zwei Fälle ANZEIGEN aus dem Raum Wangen berichtet hatte, bei denen den Betroffenen am Ende ein Haufen Geld abgeknöpft worden war, die Leistung aber vorn und hinten nicht stimmte. Werner beobachtet derlei Machenschaften schon länger und spricht von einem zunehmendem Problem: „Da explodiert gerade etwas.“Ein Verband, dem die Firma Kappler angeschlossen ist, bestätigt: Unseriöse Anbieter brächten den Ruf der gesamten Branche in Misskredit, wie Ralph Sluke, Geschäftsführer des in Kassel ansässigen Verbands der Rohr- und Kanal-Technik-Unternehmen (VDRK), erklärt.
Werner und Sluke sprechen in diesem Zusammenhang von Betrug. Und der funktioniere in einem ersten Schritt etwa so, wie es die beiden betroffenen Familien aus dem Raum Wangen zuletzt erlebt hatten: Im Internet gaukeln angebliche Rohrreiniger lokale Nähe vor. Ermöglicht wird dies durch bezahlte Anzeigen bei Google. So rücken derlei Angebote in der Suchmaschine ganz nach oben.
Internetseiten auf den ersten Blick verlockend
Wer die Seiten anklickt, findet meist ansprechend und zunächst seriös gestaltete Angebote – eindrucksvolle Fotos angeblich erreichter Arbeitsergebnisse, vorgebliche Zitate zufriedener Kunden und Qualität versprechende, aber wertlose Siegel oft inklusive. Auch ein Impressum gibt es meist. Das ist zwar ohnehin Vorgabe, aber manchmal führen Angaben wie diese dann doch ins Leere. Heißt: Wer das betreffende Feld anklickt, landet nicht bei Angaben zum Geschäftsverantwortlichen, sondern wieder ganz oben auf der Startseite.
Andere halten diese Informationen tatsächlich vor und geben zu, nur Vermittler zu sein. „Das sind richtig Clevere“, so Werner. Auffällig auch: Bei Angeboten wie diesen werden als einzige Kontaktmöglichkeiten 0800er- oder 01805er-Nummern angegeben – und keine Ortsvorwahlen.
Solche Werbung dient als Lockmittel, und Werner glaubt: „Das On- line-Marketing über Google und Co. hat überregionalen Betrügereien Tür und Tor geöffnet.“Und die Methoden würden immer ausgeklügelter und perfider, damit möglichst viele Kunden auf Nepper hereinfallen. Die Betrüger lernten ständig dazu: „Sie werden jeden Tag besser beim Täuschen“, sagt der KapplerGeschäftsführer. Der VDRK hatte vor einiger Zeit ermitteln lassen, wie viele derartige Lock-Seiten im Internet zu finden sind: bundesweit 42 000, so Geschäftsführer Sluke.
Wer darauf reinfällt, erlebt meist folgendes: Der Anrufer landet in der Zentrale eines Vermittlers, der irgendwo in Deutschland sitzt. Wie bei den Betroffenen in Neuravensburg und Niederwangen rücken dann tatsächlich auch angebliche Handwerker an. Spätestens hier aber ist höchste Vorsicht geboten. Aus vielerlei Gründen.
So warnt Werner: „Ich glaube nicht, dass das Leute aus der Branche sind.“Folgt man ihren Schilderungen, dann könnte dies auch auf die im Raum Wangen hereingelegten Menschen zutreffen: Die Autos hatten keine Firmenaufschriften, in einem Fall hatten die „Handwerker“auch nicht die entsprechende Arbeitskleidung an. Und: Am Ende stellten sich die Arbeiten als Pfusch heraus.
Zu diesem Zeitpunkt allerdings haben sie ihre „Kunden“oft längst in der Hand. Denn sie werden vor dem ersten Handschlag dazu aufgefordert, eine Unterschrift zu leisten. Das hat auch das WDR-Fernsehen in einer Reportage dokumentiert. Geködert meist von Versprechen: Die Anfahrt sei kostenlos, an Material werde nur berechnet, was wirklich verbraucht werde. Und: Die Versicherung zahlt am Ende sowieso.
„Niemand schenkt einem die Anfahrt“
Manuel Werner widerspricht: „Niemand schenkt einem die Anfahrt, jeder muss überleben.“Bei Kappler zum Beispiel würden hier 55 Euro fällig. Und der Materialverbrauch war bei beiden bekannten „Wangener Fällen“der letztliche Kostentreiber: Bei einem Preis von knapp 100 Euro pro verbrauchtem Spiralmeter kamen in einem Fall fast 2500 Euro zusammen. Außerdem begleiten die allermeisten Versicherungen derlei Schäden nicht, was bereits eine erste SZ-Recherche vor einigen Wochen ergeben hatte.
Manuel Werner gibt zu: Zum Schnäppchenpreis ist ein seriöser Rohrreinigungseinsatz nicht zu haben. Schließlich halte zum Beispiel sein Unternehmen Personal und Infrastruktur vor, um Notdienstzeiten abzudecken und mit insgesamt sechs „wahnsinnig teuren“, aber fachgerecht ausgerüsteten Firmenautos in der Region unterwegs sein zu können. „Wir müssen einen gewissen Preis haben“, sagt der Geschäftsführer. Allerdings gehe der für eine Standardrohrreinigung nicht in die Tausende, sondern liege bei 200 bis 300 Euro – inklusive des Einsatzes einer Spirale, für den nichts extra berechnet werde.
Gleichwohl sind Manuel Werner wie dem Rohrreiniger-Verband zumeist die Hände gebunden. Juristisch sind unseriöse Anbieter nur ganz schwer zu packen, bestätigt VDRK-Vertreter Sluke. Vor allem beim vor allem in Frage kommenden Tatbestand des Wuchers. Die einzige Hilfe sei Aufklärung. Denn Werner sagt auch: „Tot kriegt man die nicht.“