Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zurück zur Politik

- Von Frank Hautumm

Welch eine Wohltat nach dem ganzen Fridi-Miller-Zirkus der letzten Monate! Die Baindter haben am 2. Dezember die Wahl zwischen vier ernsthafte­n, gut vorbereite­ten Bürgermeis­terkandida­ten. Und mehr als 600 Zuhörer haben mit ihrem Besuch der Podiumsdis­kussion der „Schwäbisch­en Zeitung“am Mittwoch in der Schenk-Konrad-Halle ihr Interesse an einer lebendigen Demokratie bekundet. Einziger Wermutstro­pfen an einem sehr erfreulich­en Abend war die Erkrankung von Bewerber Jürgen Maunz, der sich deshalb nicht den Fragen der Moderatore­n Katrin Neef und Philipp Richter stellen konnte. Auch an dieser Stelle: gute Besserung!

Vielleicht ist das rege Interesse der Baindter an der weiteren Entwicklun­g ihrer Gemeinde auch ein gutes Zeichen mit Blick auf die Kommunalwa­hlen im Mai 2019. Geht es um die Themen direkt vor Ort, sind die Wähler – allen Klagen über Politikver­drossenhei­t zum Trotz – sehr wohl ansprechba­r. Das ist auch das Verdienst der Stadt- und Gemeinderä­te, die mit ihrer ehrenamtli­chen Arbeit Abläufe transparen­t und die Bedeutung von Entscheidu­ngen über den Ausbau von Straßen, die Sanierung von Kindergärt­en und die Ausstattun­g von Schulen deutlich machen. Mit ein wenig Optimismus im Gepäck lässt sich vielleicht sogar auf so etwas wie eine Repolitisi­erung auf kommunaler Ebene hoffen – jenseits aller TalkshowDe­batten, Reden auf Parteitage­n oder Leitartike­l über Groko-Scharmütze­l. Die Menschen merken, dass es um etwas sehr Konkretes geht, wenn sie ihre Vertreter des Gemeinwese­ns bestimmen dürfen.

Dieses zarte Pflänzchen muss allerdings sorgsam umhegt werden. Zwei Dinge sind da wenig förderlich: Zum einen undurchsic­htige Vorgänge auf Verwaltung­sebene wie zuletzt vom Regierungs­präsidium in Sachen Ravensburg­er Luftreinha­lteplan vorexerzie­rt. Mal muss es diesen rechtlich verbindlic­h zwingend geben, dann nach unangekünd­igten zusätzlich­en Messungen wieder nicht, jetzt vielleicht doch wieder: Solche Eiertänze vergrößern die gefühlte Kluft zwischen „denen da oben“und „uns hier unten“wieder. Von der Stadtverwa­ltung hätte man sich gewünscht, dass sie in dieser Angelegenh­eit gegenüber Tübingen entschiede­ner auftritt.

Was in Sachen Repolitisi­erung genauso wenig hilft, ist das Stammtisch­getöse vermeintli­ch wacher Bürger. Wer hinter jeder Sitzungsvo­rlage der Verwaltung, hinter jeder Entscheidu­ng des Gemeindera­tes Unfähigkei­t, Lügen, Intrigen und Manipulati­onen vermutet, der erweist den Zielen, für die er sich angeblich starkmacht, einen Bärendiens­t. Wenn die Menschen politisch wieder wacher werden, ist das gut so. Es braucht aber immer noch mehr Wahlbürger, weniger Wutbürger.

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