Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zurück zur Politik
Welch eine Wohltat nach dem ganzen Fridi-Miller-Zirkus der letzten Monate! Die Baindter haben am 2. Dezember die Wahl zwischen vier ernsthaften, gut vorbereiteten Bürgermeisterkandidaten. Und mehr als 600 Zuhörer haben mit ihrem Besuch der Podiumsdiskussion der „Schwäbischen Zeitung“am Mittwoch in der Schenk-Konrad-Halle ihr Interesse an einer lebendigen Demokratie bekundet. Einziger Wermutstropfen an einem sehr erfreulichen Abend war die Erkrankung von Bewerber Jürgen Maunz, der sich deshalb nicht den Fragen der Moderatoren Katrin Neef und Philipp Richter stellen konnte. Auch an dieser Stelle: gute Besserung!
Vielleicht ist das rege Interesse der Baindter an der weiteren Entwicklung ihrer Gemeinde auch ein gutes Zeichen mit Blick auf die Kommunalwahlen im Mai 2019. Geht es um die Themen direkt vor Ort, sind die Wähler – allen Klagen über Politikverdrossenheit zum Trotz – sehr wohl ansprechbar. Das ist auch das Verdienst der Stadt- und Gemeinderäte, die mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit Abläufe transparent und die Bedeutung von Entscheidungen über den Ausbau von Straßen, die Sanierung von Kindergärten und die Ausstattung von Schulen deutlich machen. Mit ein wenig Optimismus im Gepäck lässt sich vielleicht sogar auf so etwas wie eine Repolitisierung auf kommunaler Ebene hoffen – jenseits aller TalkshowDebatten, Reden auf Parteitagen oder Leitartikel über Groko-Scharmützel. Die Menschen merken, dass es um etwas sehr Konkretes geht, wenn sie ihre Vertreter des Gemeinwesens bestimmen dürfen.
Dieses zarte Pflänzchen muss allerdings sorgsam umhegt werden. Zwei Dinge sind da wenig förderlich: Zum einen undurchsichtige Vorgänge auf Verwaltungsebene wie zuletzt vom Regierungspräsidium in Sachen Ravensburger Luftreinhalteplan vorexerziert. Mal muss es diesen rechtlich verbindlich zwingend geben, dann nach unangekündigten zusätzlichen Messungen wieder nicht, jetzt vielleicht doch wieder: Solche Eiertänze vergrößern die gefühlte Kluft zwischen „denen da oben“und „uns hier unten“wieder. Von der Stadtverwaltung hätte man sich gewünscht, dass sie in dieser Angelegenheit gegenüber Tübingen entschiedener auftritt.
Was in Sachen Repolitisierung genauso wenig hilft, ist das Stammtischgetöse vermeintlich wacher Bürger. Wer hinter jeder Sitzungsvorlage der Verwaltung, hinter jeder Entscheidung des Gemeinderates Unfähigkeit, Lügen, Intrigen und Manipulationen vermutet, der erweist den Zielen, für die er sich angeblich starkmacht, einen Bärendienst. Wenn die Menschen politisch wieder wacher werden, ist das gut so. Es braucht aber immer noch mehr Wahlbürger, weniger Wutbürger.