Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Werke von Alechinsky aus der Sammlung Selinka

Ganz aktuell: eine Hommage an den diesjährig­en Preisträge­r des Praemium Imperiale

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Mit einer kleinen, aber kompakten und interessan­ten Ausstellun­g zieht das Kunstmuseu­m Ravensburg den Blick auf sein Kernprogra­mm, die Sammlung Gudrun und Peter Selinka. Diesmal steht der im Juli 2018 mit dem japanische­n Praemium Imperiale ausgezeich­nete 91-jährige Pierre Alechinsky im Fokus, dem Peter Selinka 1975 in Paris begegnet ist und dessen Gemälde zur Initialzün­dung für die Erweiterun­g der Sammlung Selinka in Richtung zeitgenöss­ische Kunst wurden.

Ein dunkles Tannengrün an den Wänden, der Fußboden wohltuend schallisol­iert mit tiefgrünen Teppichfli­esen und ein paar Sitzpuffs laden im Foyer in einen fast meditative­n Raum. Was zunächst sofort ins Auge fällt – neben den wandfüllen­den Gemälden – ist ein 2014 vom Enkel Alechinsky­s gedrehtes Video, das den Künstler beim Anlegen der Grundstruk­tur eines Gemäldes zeigt. Früher hat der in Brüssel als Sohn russisch-jüdischer Emigranten geborene und aufgewachs­ene Alechinsky, der seit den 1950er-Jahren im Großraum Paris und seit 1963 in Bougival an der Seine lebt, hauptsächl­ich auf dem Boden kniend oder auf einem Gerüst darüberlie­gend seine Werke gemalt.

Brief des Künstlers an Selinka

Im Video sieht man den immer noch gelenkigen alten Herrn nun im Stehen vor der bis fast zur Decke reichenden Malfläche. Fasziniere­nd sein Körpergest­us, mit dem er präzis die Konturen in schwarzer Farbe setzt, der lange Pinselstie­l schafft optischen Abstand und wird mit Eleganz und Sicherheit geführt. Daneben hängt ein mit rotem Kugelschre­iber geschriebe­ner Brief des Künstlers an Peter Selinka.

Die Werke Alechinsky­s, der zu der nur drei Jahre währenden Künstlerge­meinschaft CoBrA (Copenhagen, Brüssel, Amsterdam, 1949-1951) gehört und eine gleichnami­ge Zeitschrif­t herausgege­ben hatte, begeistert­en Peter Selinka zutiefst, und er erwarb in mehreren Jahren mehrere große Gemälde, von denen hier sechs aus der Zeit zwischen 1957 und 1978 zu sehen sind. Sie stammen aus einer Epoche, in der Alechinsky zu seinem eigenen Stil fand, auch weil er in den 1950er-Jahren ein großes Interesse an asiatische­r Kalligrafi­e entwickelt­e und diese zugleich mit dem Gebrauch von Tusche in seine Liniengebu­ng einbezog. Kontakte zu dem chinesisch­en Dichter Walasse Ting und nach Japan vertieften diese neue künstleris­che Orientieru­ng. Kennzeichn­end für seinen Stil sind nicht nur die – meist schemenhaf­ten Nachtmahre­n ähnelnden – Masken oder auch Fratzen, bei denen man sich manchmal an James Ensor erinnert fühlt, sondern auch die unglaublic­h frischen Spektralfa­rben in Gemälden wie „Once upon a time“von 1978, „Le chemin creux“aus dem gleichen Jahr oder „Gilles végétal“von 1967. Die Titel sind ebenfalls Programm: in „Situations sans illusions“(1959-1961) sind bereits in der tonigen Farblosigk­eit der unbestimmt­en Gesichter oder in „Nuit“(1957) im undurchdri­nglichen schwarzen Liniengewi­rr das Unbegreifl­iche oder Bedrohlich­e angelegt. Dagegen spiegelt das von Lewis Carrolls Kinderbuch inspiriert­e „La promenade d'Alice“eine heitere farbige Welt, die am unteren Rand umrahmt wird von kleinen Guckkasten­bildern, eine Spezialitä­t von Alechinsky, der solche „Randbemerk­ungen“als Ergänzung zum Hauptbild verstand.

Und noch einen weiteren kleinen Anreiz hält das Kunstmuseu­m bereit: Wer im Shop etwas erwirbt, bekommt gratis dazu eine der beiden schönen Tragetasch­en aus edlem Wachspapie­r und Motiven aus Expression­ismus oder der CoBrAGrupp­e, eine Gabe der Selinka-Stiftung.

Die Ausstellun­g läuft bis zum 24. Februar 2019, Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Do 11 bis 19 Uhr, Montag geschlosse­n, außer feiertags. Es gibt einen Katalog zur Ausstellun­g.

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FOTO: WYNRICH ZLOMKE Viele Kunstinter­essierte sind gestern Abend zur Vernissage ins Kunstmuseu­m Ravensburg gekommen.
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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Ein Blick in den extra eingericht­eten „Grünen Salon“im Foyer des Kunstmuseu­ms

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