Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ungeschickt
In dieser Woche verabschiedet der Bundestag den Haushalt für 2019. Dabei steht vor allem Finanzminister Olaf Scholz im Mittelpunkt. In der eigenen Partei war er zuletzt heftig kritisiert worden. Es gibt Tage, da wirkt der 60-Jährige eher wie ein Fremdkörper – zum Beispiel beim Debattencamp der SPD in Berlin: Die Partei wollte ihre Zukunft besprechen. Gespannte Genossen wollten wissen, was Scholz zu Deutschlands Rolle in der Welt so einfällt. Doch der stellvertretende Parteichef sprach lieber von der Wahl zum EU-Parlament 2019. „EuropaWahlkämpfe sind immer philosophisch“, sagte er, bevor er selbst philosophisch wurde. „Wir sprechen immer von Europa an sich“, so seine Klage. „Aber eigentlich geht es um Europa für sich.“
Begeisterung hat Scholz damit nicht entfacht. Stattdessen hat er ein Thema, das gerade die Jungen in der SPD begeistert, so weit heruntergekühlt, dass es kein Herz mehr entflammt. Das liegt an seinem hanseatischen Naturell: Scholz war noch nie ein begnadeter Redner. In letzter Zeit kommt aber auch noch Ungeschick dazu. Beim Haushaltsausschuss des Bundestags, der immerhin seinen 356-Milliarden-Euro-Etat für 2019 absegnen musste, sei Scholz nur bei den unumgänglichen Terminen aufgetaucht, klagt FDP-Haushälter Otto Fricke. Gleichzeitig warten die Bundesländer seit Monaten auf einen Entwurf von Scholz für die Grundsteuer. Sie muss bis Ende 2019 reformiert werden, sonst kann sie nach dem Urteil des Verfassungsgerichts nicht mehr erhoben werden.
Noch nie war Scholz ein Liebling seiner Genossen. Verlässlich strafen sie ihn bei Vorstandswahlen ab. Als beim Parteitag 2017 die stellvertretenden SPD-Chefs gewählt wurden, stimmten nur 59,2 Prozent für ihn. Selbst Andrea Nahles hat bei ihrer Wahl zur Vorsitzenden mehr Zustimmung bekommen. Dieter Keller