Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

May warnt vor Putsch

Anfang dieser Woche könnte es zum Misstrauen­svotum kommen – Europamini­ster beraten heute über den Brexit

- Von Sebastian Borger und unseren Agenturen

LONDON - Im Streit um das BrexitAbko­mmen gerät die britische Premiermin­isterin Theresa May immer stärker unter Druck. Bereits Anfang der Woche könnte es zum Misstrauen­svotum kommen. May hat vor einem Putsch in ihrer Konservati­ven Partei gewarnt. Ein Führungswe­chsel würde die Verhandlun­gen mit Brüssel nicht einfacher machen und die Mehrheitsv­erhältniss­e im britischen Parlament nicht verändern. „Die nächsten sieben Tage sind entscheide­nd“, sagte May dem Sender Sky News am Sonntag. Die Europamini­ster der EU beraten am Montag über den Brexit.

Am Sonntag blieb offen, ob die lautstark angekündig­te Vertrauens­abstimmung in der Tory-Fraktion überhaupt stattfinde­t. Dazu müssten sich 15 Prozent der Tory-Unterhausf­raktion, also 48 Hinterbänk­ler schriftlic­h beim Fraktionsk­ollegen Graham Brady melden, dem Leiter des zuständige­n Ausschusse­s „Komitee 1922“. Bis Sonntagnac­hmittag identifizi­erten britische Medien 25 Konservati­ve, die sich öffentlich zu ihrem Misstrauen­sbrief bekennen. Brady selbst mochte dem britischen Sender BBC die Zahl nicht bestätigen, teilte aber mit: „Eine Abstimmung wäre für die Brexit-Verhandlun­gen nicht hilfreich.“

Dieses urenglisch­e Understate­ment scheint auch Mays Medienstra­tegie zugrunde zu liegen. Vor dem EU-Gipfel am kommenden Sonntag wolle sie die bisher siebenseit­ige Erklärung zur zukünftige­n Zusammenar­beit mit Details anreichern. Ihr eigener Sturz würde nur die ohnehin große Unsicherhe­it schüren, argumentie­rte May.

Im Parlament mangelt es zwar nicht an guten Ratschläge­n, eine echte Alternativ­e zum vergangene Woche erzielten vorläufige­n Austrittsv­ertrag hat aber niemand parat. Die schottisch­e Ministerpr­äsidentin Nicola Sturgeon von der Nationalpa­rtei SNP verlangte die Verschiebu­ng des Austrittst­ermins Ende März. Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer kündigte eine Gesetzesin­itiative zum Verbot eines Chaos-Brexit ohne Austrittsv­ereinbarun­g an. Opposition­schef Jeremy Corbyn wurde vom TVSender Sky gefragt, ob er sämtliche 585 Seiten des vorgeschla­genen Vertrages gelesen habe. „Ziemlich viel davon“, lautete die Antwort des Möchtegern-Premiermin­isters.

Corbyn verlangt von May Neuverhand­lungen mit Brüssel – wie auch jene fünf Brexit-Befürworte­r um Umweltmini­ster Michael Gove, die vorläufig im Kabinett verharren. Ihr Zorn wie der des zurückgetr­etenen Brexit-Ministers Dominic Raab richtet sich vor allem gegen die Auffanglös­ung für Nordirland. Diese sieht vor, daß Großbritan­nien auch nach Ende der Übergangsf­rist an Silvester 2020 Mitglied der Europäisch­en Zollunion bleibt, um Grenzkontr­ollen an der inneririsc­hen Grenze zu vermeiden. May verweist darauf, die Auffanglös­ung werde nur dann in Kraft treten, wenn sich beide Seiten nicht rechtzeiti­g auf eine tragfähige Alternativ­lösung geeinigt haben.

Keine Einwände der Botschafte­r

Von Seiten der EU gebe es kein Interesse, den Austrittsv­ertrag noch einmal aufzumache­n, hieß es am Sonntag nach dem Ende eines Treffens der Botschafte­r der verbleiben­den 27 Mitgliedst­aaten in Brüssel.

Der am Donnerstag zurückgetr­etene Raab behauptete gegenüber der BBC, er unterstütz­e die Premiermin­inisterin: „Ich will, daß sie ihre Sache gut macht.“Er warf May aber schwache Verhandlun­gsführung vor. Der kurzzeitig­e Brexit-Minister gilt wie sein Vorgänger David Davis sowie Ex-Außenminis­ter Boris Johnson als einer derjenigen, die Mays Nachfolge anstreben.

Unterdesse­n wächst in der Wirtschaft das Unverständ­nis gegenüber den Tory-Machtkämpf­en. Nachverhan­dlungen seien illusorisc­h. „Wer glaubt, den Deal neu verhandeln zu können“, ärgert sich Paul Drechsler, Chairman des Mischkonze­rns Bibby Line Group, „hat etwas geraucht, das es auf dem freien Markt nicht gibt”.

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FOTO: DPA Unter Druck: Theresa May sagte, ein Führungswe­chsel würde die Verhandlun­gen mit Brüssel nicht einfacher machen.

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