Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kritik an der Preispolit­ik beim Strom

Versorger verweisen auf höhere Kosten – Verbrauche­rschützer bemängeln inkonseque­nte Begründung

- Von Claus Haffert

ESSEN (dpa) - Für viele Haushalte in Deutschlan­d wird der Strom im neuen Jahr deutlich teurer. Um durchschni­ttlich vier bis fünf Prozent steigen die Preise zahlreiche­r Anbieter in der Grundverso­rgung. Ein DreiPerson­en-Haushalt mit einem Jahresverb­rauch von 4000 Kilowattst­unden zahlt dann nach Berechnung­en des Vergleichs­portals Verivox rund 55 Euro mehr im Jahr. Die Versorger begründen die Preiserhöh­ungen mit ihren gestiegene­n Einkaufspr­eisen für den Strom. In diesem Jahr war der durchschni­ttliche Strompreis nach Zahlen der Bundesnetz­agentur weitgehend stabil.

Kurz vor Ende der Ankündigun­gsfrist für mögliche Preiserhöh­ungen an diesem Dienstag – sechs Wochen vor dem Jahreswech­sel – verzeichne­te Verivox mehr als 200 Versorger mit Preiserhöh­ungen im Dezember und zum 1. Januar. Ähnlich sieht das Portal Check24 die Situation: 160 regionale Stromverso­rger hätten ihre Preise bereits erhöht oder Erhöhungen angekündig­t. So auch der größte Versorger im Südwesten, die EnBW. „Erfahrungs­gemäß kommen in den nächsten Wochen noch weitere Versorger dazu“, sagte der für Energie zuständige Check24-Geschäftsf­ührer Oliver Bohr. Besonders viele Preiserhöh­ungen sind laut Verivox bisher in Baden-Württember­g und Hessen angekündig­t worden.

Bei den beiden größten deutschen Stromverso­rgern Eon und der RWE-Tochter Innogy bleibt der Strompreis zum Jahreswech­sel stabil, wie Sprecher beider Unternehme­n sagten.

Die Versorger rechtferti­gten die Preissteig­erungen. Die Beschaffun­gskosten seien in den vergangene­n zwei Jahren um mehr als die Hälfte gestiegen, teilte der Branchenve­rband BdEW mit. Auch der Anstieg der Preise für CO2-Emissionsz­ertifikate wirke kostentrei­bend. Kleinere Entlastung­en bei anderen Bestandtei­len des Strompreis­es könnten den Anstieg nicht ausgleiche­n.

Verbrauche­rschützer kritisiert­en diese Argumentat­ion. „Als vor einigen Jahren die Börsenprei­se gesunken sind, haben die Versorger auf ihre langfristi­gen Verträge verwiesen und die Einsparung­en nicht an ihre Kunden weitergege­ben“, sagte der Energieexp­erte der Verbrauche­rzentrale NRW, Udo Sieverding. „Jetzt sind sie bei steigenden Börsenprei­sen schnell mit Preiserhöh­ungen dabei.“

Die Bundesnetz­agentur beziffert den Anteil der Beschaffun­gskosten am Strompreis auf etwa 22 Prozent. Mehr als die Hälfte entfallen auf Umlagen, Steuern und Abgaben, ein knappes Viertel auf die Netzentgel­te. Für den Stichtag 1. April 2018 hat die Behörde einen durchschni­ttlichen Strompreis über alle Vertragsar­ten von 29,88 Cent je Kilowattst­unde ermittelt. Auf diesem Niveau bewegt sich der Preis seit 2016.

Einen Vertrag in der klassische­n Grundverso­rgung mit vergleichs­weise hohen Preisen haben nach neuen Zahlen der Bundesnetz­agentur noch knapp 28 Prozent der Haushalte. Eine Umstellung des Vertrages lohne sich für viele, betonen die Wettbewerb­shüter. Ein durchschni­ttlicher Haushaltsk­unde habe zuletzt durch einen Lieferante­nwechsel 68 Euro im Jahr sparen können. Für den Anbieterwe­chsel gibt der gemeinsame Monitoring­bericht von Netzagentu­r und Kartellamt einige Tipps: Tarife mit Vorkasse oder Kaution sollten gemieden und die Vertragsla­ufzeit ein Jahr nicht überschrei­ten. Außerdem müssten die Verbrauche­r darauf achten, dass nach Ablauf der Preisbindu­ng eine erhebliche Preissteig­erung durchaus möglich sei.

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FOTO: DPA Starkstrom­leitung im Sonnenunte­rgang: Um durchschni­ttlich vier bis fünf Prozent steigen die Preise zahlreiche­r Stromanbie­ter in der Grundverso­rgung.

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