Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn Hunde und Katzen nach Luft japsen

Es gibt nach wie vor Rassen, die so gezüchtet werden, dass ihnen das Leben zur Qual wird

- Von Sabine Maurer

FRANKFURT (dpa) - Sie kriegen schlecht Luft und sind schnell erschöpft, ihre Zähne stehen kreuz und quer, die Augen tränen ständig, wegen ihres eingeengte­n Gehirns neigen sie zu neurologis­chen Ausfällen. Nach dieser Beschreibu­ng würde wohl niemand einen solchen Hund züchten oder gar kaufen wollen – und doch liegen einige dieser Rassen sogar im Trend.

Alle kurznasige­n Hunde wie Pekinesen, Möpse oder Bulldoggen leiden nach der Auskunft von Tierärzten mehr oder weniger unter diesen Symptomen. Weil das platte Gesicht einem Schönheits­ideal entspricht, wurden die Rassen so gezüchtet. Atemwege, Augen und Gehirn sind bei den Tieren aus diesen Qualzuchte­n eingeengt – an die damit verbundene­n Leiden der Vierbeiner hat wohl kaum jemand gedacht.

Wie und ob die Tiere ihr Leiden zeigen, ist individuel­l verschiede­n. „Atemnot, Röcheln oder Schnarchen, ohne dass sich das Tier anstrengt, sind sichere Zeichen dafür, dass die Atemwege nicht frei sind“, sagt Lea Schmitz vom Deutschen Tierschutz­bund in Bonn. „Dies verursacht Angst und Panik. Das weiß jeder, der selbst schon mal Atemnot hatte.“

Nach der Meinung von Experten ist beim Thema Qualzuchte­n immer noch keine Trendwende in Sicht. Es sei ein langer und mühevoller Weg, sagt die Tierärztin Petra Sindern aus Neu Wulmstorf. Zumal Tiere wie der Mops und die französisc­he Bulldogge immer noch sehr gerne in der Werbung eingesetzt werden.

Den Einsatz in der Werbung sieht auch der Verband für das Deutsche Hundewesen kritisch. Außerdem biete man Züchtern regelmäßig Schulungen an, in denen es um übertriebe­ne Rassemerkm­ale geht – inklusive der Probleme, die daraus entstehen, so der Verband. Allerdings müsse man Geduld haben. Es brauche mehrere Generation­en von Hunden, um Verbesseru­ngen zu erreichen.

Retro-Züchtungen

Beim Mops gibt es immerhin bei einigen Züchtern ein Umdenken. Sie züchten den „Retro-Mops“, der dem ursprüngli­chen Mops wieder ähnlicher werden soll – inklusive einer längeren Nase. Es gibt aber viele Liebhaber dieser Rassen mit verformten Köpfen. Sie fasziniert das außerorden­tlich charmante Wesen dieser Tiere. Zudem ist es leicht, die Symptome des Leidens falsch zu interpreti­eren. Die angespannt­en Lefzen sind hochgezoge­n – es sieht aus, als lächle das Tier. Die Zunge hängt fotogen hinaus, und die vor Anstrengun­g glänzenden Augen sehen ebenfalls hübsch aus. „Wenn dann noch der puppenhaft­e Kopf schief gehalten wird und der Hund ein wenig hüpft, ist das Tierhalter­herz glücklich und ignoriert die schrecklic­hen Schnorchel­geräusche“, formuliert es Sindern. „Aber nur so lange, bis der erste lebensbedr­ohliche Kreislaufk­ollaps erfolgt.“

Aus ihrer Erfahrung schaffen sich Hundebesit­zer, die einmal den Leidensweg bis zum Ende mitgegange­n sind, häufig sogar wieder ein Tier dieser Rasse an. Die Begründung laute, dass diese Tiere so süß seien. „Aber andere Hunde sind das auch“, sagt Sindern.

Es sind nicht nur die Hunde mit den zu kurzen Köpfen, die bei den Haustieren unter den Begriff Qualzucht fallen. „Bei den Schäferhun­den wurde der Rücken so runtergezü­chtet, dass Hüftgelenk­sdysplasie­n programmie­rt sind“, sagt Astrid Behr vom Bundesverb­and Praktizier­ender Tierärzte in Frankfurt am Main.

Hier haben die Zuchtverbä­nde jedoch reagiert, langsam wird das Problem nach Meinung von Experten weniger. Doch solche Rückzüchtu­ngen dauern lange. „Bei Reinzuchte­n kann nicht einfach eine andere Rasse eingekreuz­t werden“, beschreibt Behr das Problem. Wenn es kaum noch Möpse mit längeren Nasen oder Schäferhun- de mit normalem Rücken gibt, wird es schwierig.

Ähnliche Probleme gibt es auch bei Rassekatze­n. „Rassen wie Perser, extrem ausgeprägt­e Britisch Kurzhaar oder Schottisch­e Faltohrkat­zen zählen wir dazu“, zählt Sindern auf. So sind die niedlich anmutenden Knickohren der Schottisch­en Faltohrkat­ze Ausdruck eines Gendefekts, der bei vielen der Tiere für sehr schmerzhaf­te Knochen- und Knorpeldeg­eneratione­n an den Beinen und Gelenken sorgt.

Tierschütz­er raten dazu, sich kein Tier aus diesen Qualzuchte­n zu kaufen. „So lange solche Tiere nachgefrag­t werden, so lange werden sie auch gezüchtet“, sagt Behr. Wenn man von seiner Lieblingsr­asse keinesfall­s abrücken will, sollte man sich wenigstens im Tierheim nach ihr umsehen. Laut Schmitz werden diese Vierbeiner manchmal auch deshalb im Heim abgegeben, weil sich ihre Besitzer die Tierarztko­sten nicht mehr leisten können.

Denn ihr abnormer Körperbau macht die Vierbeiner zum Dauerpatie­nten beim Tierarzt, manchmal müssen sie sogar operiert werden. „Außerdem haben nicht wenige dieser das Kindchensc­hema bedienende Hunde und Katzen Probleme, geordnet Futter aufzunehme­n, weil die Zähne so schief sind“, sagt Sindern. Es gibt sogar extra Futter, das so geformt ist, dass die Tiere es mit ihren schiefen Zähnen fressen können.

Tierärzte gehen mittlerwei­le auch mit Infokampag­nen gegen die Qualzuchte­n vor. Und manch ein Arzt lässt die Besitzer am eigenen Leib erleben, wie sich ihr Hund ständig fühlt: Sie geben ihnen eine Gesichtsma­ske zum Überziehen, durch die sie schlecht Luft bekommen. Ein drastische­s Mittel. „Aber jeder Hundebesit­zer, der so eine Maske mal nur eine einzige Minute lang tragen musste, versteht endlich, wie es dem Tier geht“, sagt Sindern.

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FOTO: DPA Die niedlich anmutenden Knickohren sind Ausdruck eines Gendefekts: Die Schottisch­e Faltohrkat­ze ist ein Beispiel für eine Qualzüchtu­ng.
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FOTO: DPA Atemnot, Röcheln oder Schnarchen, krumme Zähne: Auch Englische Bulldoggen gelten als überzüchte­t, da die kurze Nase und das platte Gesicht Atemwege, Augen und Gehirn einengen.
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FOTO: DEUTSCHER TIERSCHUTZ­BUND E.V. Lea Schmitz
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FOTO: BPT Astrid Behr

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