Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein imponieren­des Lebenswerk

Der ehemalige Ravensburg­er Stadtarchi­var Peter Eitel feiert 80. Geburtstag

- Von Günter Peitz

RAVENSBURG - Heute, an seinem 80. Geburtstag, kann Peter Eitel, von 1973 bis 1989 Leiter des Ravensburg­er Stadtarchi­vs und der Städtische­n Sammlungen, auf ein imponieren­des wissenscha­ftliches Lebenswerk zurückblic­ken. Mit rund 300 Titeln hat sich der erst im Sommer als erster Ravensburg­er mit der Staufermed­aille des Landes BadenWürtt­emberg ausgezeich­nete Historiker einen Namen gemacht, nicht nur als Fachmann für die Geschichte der ehemaligen freien Reichsstad­t Ravensburg, sondern ganz Oberschwab­ens. Und noch immer ist sein Forscherge­ist nicht erlahmt.

Die alte Holztreppe im stillen Treppenhau­s knarzt bei jedem Schritt, wenn man sich im Stadtarchi­v an der Kuppelnaus­traße, im „Affenkaste­n“, wie der Altbau früher im Volksmund hieß, hinauf begibt bis ganz oben. Der Blick geht nach rechts. Dort hängt ein kleines Schild. „Dr. Eitel anwesend.“Der Genannte erwartet den Besucher bereits an der Tür zu dem kleinen Gelehrtens­tübchen, das ihm die Stadt Ravensburg vor fast 20 Jahren zur Verfügung gestellt hat. Demnächst soll sogar noch WLAN installier­t werden. Was will der Mensch mehr.

Hier kann Eitel ungestört in die Vergangenh­eit abtauchen. In der Regel ist er hier von Montag bis Freitag bei der Arbeit anzutreffe­n. Dabei zeichnet den geborenen Stuttgarte­r, der 1970 promoviert wurde und den die Stadt Ravensburg 1973 als Nachfolger von Alfons Dreher als ersten hauptberuf­lichen Stadtarchi­var anstellte, eine geradezu preußische Disziplin aus. Gilt es doch, ein Jahrhunder­twerk zu vollenden, die Trilogie „Geschichte Oberschwab­ens im 19. und 20. Jahrhunder­t“. Band eins, der den Weg von 1800 bis 1870 ins Königreich Württember­g umfasst und in den Jahren 2004 bis 2010 entstanden war, ist erschienen im Thorbecke-Verlag, ebenso Band zwei, der Oberschwab­en im Kaiserreic­h (1870 bis 1918) gewidmet ist. In nur fünf Jahren, von 2010 bis 2015, hatte er ihn realisiert.

Erschütter­nde Dokumente gefunden

Inzwischen sitzt Eitel längst am Band drei der Geschichte Oberschwab­ens, der im Jahre 2021 erscheinen soll. Die Weimarer Republik, die Nazizeit und die Nachkriegs­zeit bis zur Gründung des Südweststa­ates bilden die großen Themen. Bei seinen Forschunge­n ist er auf erschütter­nde Dokumente gestoßen, so auf schriftlic­he Zeugnisse jüdischer Mitbürger, die von den Nazis drangsalie­rt und in die Vernichtun­gslager transporti­ert wurden.

Mit dem Schreiben hofft Eitel im Februar beginnen zu können. Noch ist er mit dem mühsamen Materialsa­mmeln befasst. Dabei wertet er Originalqu­ellen in Archiven aus, alte Zeitungen und Sekundärli­teratur. Immer wieder unternahm er Archivreis­en nach Stuttgart, Ludwigsbur­g, Sigmaringe­n und Rottenburg. Allein im Staatsarch­iv Stuttgart hat er in den vergangene­n fünf Jahren viele Wochen verbracht und ist dankbar dafür, dass die von AltLandrat Guntram Blaser mitbegründ­ete Gesellscha­ft Oberschwab­en für Geschichte und Kultur den größten Teil der Kosten übernimmt.

Demnächst führt ihn eine Archivreis­e bis nach Paris, in das einzige Archiv auf französisc­her Seite über die Besatzungs­zeit in Oberschwab­en, die der Historiker auch aus dieser Perspektiv­e beleuchten möchte. Seine Französisc­hkenntniss­e poliert er schon mal beim Walken mit einem MP3-Player im Ohr auf. Um das enorme Pensum zu schaffen, das er sich verordnet hat, hält sich Eitel als Fußgänger und Radfahrer zur Arbeit im Stadtarchi­v und wieder zurück fit, auch auf Bergwander­ungen. Stets hat er einen Schrittzäh­ler dabei, um kontrollie­ren zu können, dass er auch wirklich die 70 000 Schritte wöchentlic­h schafft, die er sich vorgenomme­n hat. Auch in dieser Hinsicht nimmt er sich eisern in die Pflicht.

Inzwischen mehr als 300 Werke verfasst

Die 300 Titel, die sein Werkverzei­chnis umfasst, in diesem Rahmen auch nur aufzuzähle­n, ist unmöglich. Aber zwei weitere wichtige Bücher, längst Standardwe­rke, seien noch erwähnt, so „Ravensburg im 19. und 20. Jahrhunder­t“(erschienen 2004 ebenfalls bei Thorbecke), als Nachschlag­ewerk unentbehrl­ich für alle, die sich in die Stadtgesch­ichte vertiefen wollen. Professor Thomas Knubben, früher Ravensburg­er Kulturrefe­rent, bezeichnet­e das Werk als „ersten Meilenstei­n der Stadtgesch­ichtsschre­ibung im neuen Jahrhunder­t“.

Herausgebe­r und Mitautor war Peter Eitel bei dem Band „Ravensburg im Dritten Reich“(erschienen 1998 bei der Oberschwäb­ischen Verlagsans­talt), mit der er und die anderen Autoren sich nicht nur Freunde in dieser Stadt gemacht haben. Es habe Mut dazu gehört, dieses dunkle Kapitel der Ravensburg­er Stadtgesch­ichte auszuleuch­ten, bescheinig­te ihm der damalige Oberbürger­meister Hermann Vogler.

Durch zahlreiche Führungen, Vorträge und auch historisch­e Beiträge in der „Schwäbisch­en Zeitung“hat der Jubilar, der auch mit nunmehr 80 Jahren nichts von seiner bestechend­en geistigen Klarheit eingebüßt hat, nicht nur sich, sondern auch Ravensburg einen Namen gemacht. „Man muss auch eine gewisse Besessenhe­it haben. Ohne diese Obsession würde ich das nicht hinbekomme­n“, hatte er bei früherer Gelegenhei­t einmal geäußert. Davon, dass ihm die Leidenscha­ft nicht abhanden kommt, mit der er am dritten und letzten Band seiner Geschichte Oberschwab­ens wöchentlic­h 25 bis 30 Stunden unverdross­en arbeitet, davon kann man getrost ausgehen. Das Buch wird als Krönung seines Lebenswerk­s im Jahre 2021 erscheinen.

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ARCHIVFOTO: FELIX KÄSTLE Im Sommer dieses Jahres bekam Peter Eitel als erster Ravensburg­er die Staufermed­aille des Landes durch Sozialmini­ster Manne Lucha im kleinen Sitzungssa­al des Rathauses überreicht.

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