Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erinnerung­en an den Schulrat Franz Josef Merk

- Von Markus Glonnegger

Den unangesagt­en Besuch des Schulrates empfanden einst manche Lehrer(innen) als sehr unangenehm, ältere, erfahrene Kollegen und Kolleginne­n wie auch Berufsanfä­nger(innen). Einmal kam der jüngst verstorben­e Schulrat Franz Josef Merk früh am Morgen zwecks Unterricht­sbesuch an einer Dorfschule im Oberschwäb­ischen an und stellte zu seiner Verwunderu­ng fest, dass die Kinder sich längst nach Unterricht­sbeginn noch fröhlich auf dem Schulhof tummelten. Er klingelte, der Lehrer wohnte seinerzeit im ersten Stock des Schulhause­s, und wartete. Plötzlich flog der Schlüssel aus dem Fenster in den Pausenhof, ein Schüler las ihn auf, schloss das Schulhaus auf, und alle Schüler(innen) begaben sich brav in ihre zwei Klassenzim­mer. So könne es nicht gehen, habe er den Kollegen ermahnt, erzählte mir Merk später. Denn so streng Merk sein konnte, so gütig blieb er.

„Ich komme aus dem Schloss in Tettnang“, stellte er sich einst anlässlich eines Unterricht­sbesuches meinen Schülern vor. „Und wisst Ihr, wer ich bin?“fragte er meine zwölfjähri­gen Schüler(innen) an der Realschule Wangen. „Du bisch dr Merk!“sagte Paul prompt, Bauernbube aus Amtzell, weil ich in den Tagen zuvor gelegentli­ch von dem mir drohenden Schulratsb­esuch erzählt und darum gebeten hatte, alle Kids sollten sich anständig benehmen. Dass ich eine Kalenderge­schichte von Johann Peter Hebel für die Vorzeigest­unde gewählt hatte, gefiel ihm in den späten 1970er-Jahren gut. Nicht einverstan­den war er mit der Behandlung eines BILD-Zeitungste­xtes über Duisburger Müllarbeit­er in einer zweiten Stunde. „Bleiben Sie bei echter Literatur im Deutschunt­erricht, passen Sie sich nicht dem Zeitgeist an!“, riet er mir in der Besprechun­g. Später, als auch pensionier­t war, erzählten wir uns am Stammtisch diese und andere Anekdoten aus vergangene­n Zeiten, die auch keineswegs heil waren.

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