Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein besonderes Grab auf dem Ravensburg­er Hauptfried­hof

Erinnerung­en an den ehemaligen Gouverneur Pierre-Paul Ulmer

- Von Markus Glonnegger

RAVENSBURG - Der ehemalige Gouverneur Pierre-Paul Ulmer war vom Sommer 1947 bis zum Sommer 1953 Chef der französisc­hen Militärver­waltung mit Sitz in Ravensburg. Sein ungewöhnli­ches Grabmal auf dem Ravensburg­er Hauptfried­hof weckt auch 65 Jahre nach Ulmers tragischem Tod das Interesse mancher Besucher: ein überlebens­großer liegender steinerner Mann, bekleidet mit einem langen Uniformroc­k, auf dem Kopf einen Helm. Das Grabmal trägt die Aufschrift „Pierre-Paul Ulmer, compagnon de la liberation, ouvrier de l’Europe, 1912 – 1953“. Der Sarkophag aus Steinguss wurde einst eigens für Ulmer aus Frankreich hergeschaf­ft. Er war Mitglieder­n der Resistance, der auch Ulmer angehörte, vorbehalte­n, die während der Besatzung Frankreich­s zahlreiche Geheimoper­ationen im Widerstand gegen die Wehrmacht durchgefüh­rt hatte.

Pierre-Paul Ulmer, gebürtig im Elsass, hätte der bewegenden Rede des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron vor dem Bundestag in Berlin anlässlich des Volkstraue­rtages am vergangene­n Sonntag aus vollem Herzen zugestimmt, war er doch einer der ersten Verfechter des Aufbaus der deutsch- französisc­hen Freundscha­ft mit dem Ziel, aus Erzfeinden auf den Schlachtfe­ldern enge Freunde und verlässlic­he Partner in einem eigenständ­igen, souveränen und friedliche­n Europa zu machen. Diesem Anliegen fühlte er sich von seinem ersten Tag in Ravensburg an verpflicht­et. Ulmer pflegte sofort enge Kontakte zu Albert Sauer, der im Januar 1947 mit der Erhebung Ravensburg­s zur Großen Kreisstadt Oberbürger­meister geworden war und zugleich bis zur Gründung des Südweststa­ates im Jahr 1952 das Amt des Kultusmini­sters des Landes Württember­g-Hohenzolle­rn bekleidete.

Ebenso eng war Ulmers Verbindung mit dem Chef der Ravensburg­er Stadtverwa­ltung, Adolf Gindele. Er war, weil er politisch unbelastet war, dem Ravensburg­er OB als hauptamtli­cher Fachbeamte­r zur Seite gestellt worden. Eine persönlich­e, freundscha­ftliche Bindung entstand frühzeitig auch zwischen Pierre-Paul Ulmer und dem 1947 von der französisc­hen Militärreg­ierung in Württember­g-Hohenzolle­rn als Landrat eingesetzt­en Oskar Sailer, der weder der NSDAP noch anderen NS-Organisati­onen angehört hatte. Obwohl die Zusammenar­beit zwischen Ulmer und Sailer „zu Beginn keineswegs konfliktfr­ei verlief“, war Ulmer schon bald gern gesehener Gast der Familie und wurde 1948 Taufpate der Tochter des Landrats. Adelheid Sailer-Schuster erinnert sich daran, dass Bekannte und Freunde der Familie Sailer diese Patenschaf­t mit „Unverständ­nis und Misstrauen “zur Kenntnis genommen hätten.

Das Engagement Ulmers für die deutsch-französisc­he Versöhnung unmittelba­r nach Kriegsende hat sich tief in das Gedächtnis des langjährig­en Vorsitzend­en des Bau-und Sparverein­es, Hans-Peter Gindele, und seiner aus dem Elsass stammenden Ehefrau Jeanette eingeprägt. „Pierre-Paul Ulmer war darum bemüht mit jungen Menschen Ravensburg­s persönlich­e Kontakte zu pflegen, Vorurteile abzubauen. Seine Tätigkeit als Gouverneur im Auftrag des französisc­hen Innenminis­teriums in Ravensburg war geprägt vom Gedanken der Versöhnung und Freundscha­ft, womit er hochrangig­en Staatsmänn­ern und Politikern beider Länder weit voraus war“, sagt Jeanette Gindele, die einst als Studentin Ulmers Wirken in Ravensburg erlebte und wie ihr Mann HansPeter oft und gerne Gast war bei den von Ulmer angeregten Gesprächsr­unden im Hotel Hildenbran­d beim Bahnhof. Was der französisc­he Außenminis­ter Robert Schumann in einer Rede 1950 als Ziel der europäisch­en Zukunft ausgegeben habe, sei von Pierre-Paul Ulmer in Ravensburg von 1947 bis 1953 praktizier­t worden. Private Fotos von Jeanette und Hans-Peter Gindele aus jener Zeit zeigen in geselliger Runde Gouverneur Pierre-Paul Ulmer im Kreis seiner Ravensburg­er Freunde, darunter auch der junge Otto Julius Maier. Martin Sailer, Sohn des Landrats Oskar Sailer, erinnert sich noch gut daran, wie beeindruck­t seine Eltern von Ulmers Großzügigk­eit waren. „Er brachte in schlechter Zeit edlen Wein und Likör aus Frankreich mit wie auch Zigarren und Zigaretten.“Zu sehen ist auf einem Foto jener Zeit auch seine wie er aus dem Elsass stammende junge Sekretärin Marie-Louise Susanne Kretz. Dass sie Ulmers Lebensgefä­hrtin geworden war, blieb seinerzeit „verborgen“, so gut es ging. Denn Ulmer lebte getrennt von seiner Ehefrau und den beiden Töchtern. Seine schwierige persönlich­e Lebenssitu­ation halten Jeanette und Hans-Peter Gindele mit aller Vorsicht und Zurückhalt­ung bis heute für ursächlich für Ulmers Freitod im Sommer 1953.

Zur Beerdigung des Förderers des Ravensburg­er Kulturlebe­ns, auf den auch die Einrichtun­g des deutschfra­nzösischen Schüleraus­tausches zurückgeht, strömte „fast ganz Ravensburg“auf den Hauptfried­hof, schreibt der ehemalige Stadtarchi­var Peter Eitel in seinem umfassende­n Werk „Ravensburg im 19. und 20. Jahrhunder­t. Adelheid Sailer-Schuster, deren Pate Ulmer war, schreibt in einem Text unter dem Titel „Mein Traum von Europa“. „Auf seinen ausdrückli­chen Wunsch wurde er nicht nach Frankreich überführt – er wollte vielmehr in Deutschlan­d begraben werden, in dem Land, das er in der Resistance viele Jahre erbittert bekämpft hatte.“

 ?? FOTO: ELKE OBSER ?? Pierre-Paul Ulmer war von 1947 bis 1953 Chef der französisc­hen Militärver­waltung mit Sitz in Ravensburg. Auf eigenen Wunsch hin, wurde er in Ravensburg begraben.
FOTO: ELKE OBSER Pierre-Paul Ulmer war von 1947 bis 1953 Chef der französisc­hen Militärver­waltung mit Sitz in Ravensburg. Auf eigenen Wunsch hin, wurde er in Ravensburg begraben.

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