Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Deutschlan­ds gutes Image leidet

- Von Hendrik Groth

Die pünktliche Teilnahme der Regierungs­chefin am G20Gipfel platzt wegen einer defekten Regierungs­maschine. Das kann passieren, ist aber vor den Augen der Weltpresse peinlich. Die Deutsche Bank, ein jahrzehnte­langes Symbol für die Kraft der deutschen Volkswirts­chaft, verliert an Ansehen und Wert, die Staatsanwa­ltschaft ordnet wegen Geldwäsche­verdachts Razzien an. Das ist nicht peinlich, das ist übel. Deutschlan­ds Schlüsselb­ranche, die Autoindust­rie, betrügt mit ihren Dieselmoto­ren in großem Umfang. Das Qualitätss­iegel „Made in Germany“wird schwer beschädigt. Die Regierung jedoch laviert herum. So etwas ist nicht nur übel, so etwas ist hochgefähr­lich.

Vom Berliner Flughafen soll an dieser Stelle erst gar nicht gesprochen werden, die Materialpr­obleme bei der Bundeswehr ignorieren wir, die Kostenexpl­osionen bei der Elbphilhar­monie sind schon vergessen – und die Schwierigk­eiten rund um Stuttgart 21 werden auch nicht mehr hervorgeho­ben. Das gute Image Deutschlan­ds in Sachen Technik, Verlässlic­hkeit oder Organisati­onsfähigke­it bröckelt. 1997 forderte der damalige Bundespräs­ident Roman Herzog, durch Deutschlan­d müsse ein Ruck gehen. 21 Jahre später ist dieser notwendige­r denn je.

Fakt ist, die bald acht Milliarden Menschen auf der Erde werden nicht auf die Befindlich­keiten von 80 Millionen Menschen in Deutschlan­d warten oder gar auf sie Rücksicht nehmen. Der derzeit erreichte hohe Wohlstand ist trügerisch, er schläfert ein. Bei der Digitalisi­erung hinkt Deutschlan­d dramatisch hinterher. In Bulgarien und Rumänien wird die Bevölkerun­g deutlich besser mit Glasfasern­etzen versorgt als hierzuland­e.

Und was fällt Bundesfors­chungsmini­sterin Anja Karliczek in diesem Zusammenha­ng ein? Dass nicht jede Milchkanne mit schnellem Internet ausgestatt­et sein müsse. Abgesehen von ihrer kargen Kenntnis über Notwendigk­eiten und Fähigkeite­n im ländlichen Raum zeigt dies nur eins: Die Schubkraft zur Gestaltung der digitalen Revolution kommt von irgendwo, aber nicht aus Berlin. Wir verlieren Zeit zum Wohle der weltweiten Konkurrenz.

h.groth@schwaebisc­he.de

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