Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Profession­elle Pionierinn­en und verkannte Künstlerin­nen

Eine Ausstellun­g in Heilbronn mit Werken von rund 50 Künstlerin­nen dokumentie­rt die Entwicklun­g weiblicher Bildhauere­i

- Von Ralf Schick www.museen.heilbronn.de

Heilbronn (epd) - Ihre Kunst wurde lange Zeit nicht anerkannt, weder inhaltlich noch finanziell. „Bildhauere­i von Frauen findet bis auf wenige Ausnahmen auf dem Kunstmarkt nicht statt“, sagt Marc Gundel, Museumsche­f der Städtische­n Museen in Heilbronn und Mitkurator der Ausstellun­g „Bildhaueri­nnen. Von Kollwitz bis Genzken“. Die Schau mit rund 100 Werken von 50 deutschspr­achigen Künstlerin­nen aus drei Generation­en ist noch bis 7.

April in der Kunsthalle Vogelmann zu sehen, im Anschluss daran in Bremen.

Sie schufen Bronze- und Marmorbüst­en, Porträts oder Selbstbild­nisse, Holzfigure­n und Majolikabi­lder, doch der Markt interessie­rte sich lange Zeit fast überhaupt nicht für weibliche Bildhauere­i. „Viele unserer Ausstellun­gsstücke sind teilweise nur mit wenigen tausend Euro versichert, das ist im Vergleich zu den Werken von männlichen Kollegen läppisch“, sagt Gundel.

Deshalb habe man zusammen mit dem Gerhard-Marcks-Haus in Bremen über drei Jahre hinweg eine Übersichts­ausstellun­g organisier­t, um erstmals in dieser Form eine Überblick zu geben über die Entwicklun­g der weiblichen Bildhauere­i. Von den Pionierinn­en Mitte des 19. Jahrhunder­ts über die Wegbereite­rinnen der klassische­n Moderne bis hin zu den arrivierte­n Zeitgenoss­innen, sagt Kuratorin Rita Täuber.

Wer die Kunsthalle Vogelmann betritt, schaut zuallerers­t auf ein Bismarck-Porträt von Elisabet Ney (1833-1907). Sie hatte eine Ausnahmest­ellung inne und gilt bis heute als

„Viele Künstlerin­nen wurden schlichtwe­g verkannt.“ Rita Täuber, Kuratorin der Ausstellun­g

Bildhaueri­n der ersten Stunde: Die Skulptur in der Gedenkstät­te Neue Wache heißt „Mutter mit totem Sohn“und stammt von Käthe Kollwitz. eine gesellscha­ftlich anerkannte Bildhaueri­n der ersten Stunde. Gleich nebenan stehen vier Bronzewerk­e der in Deutschlan­d wohl bekanntest­en Künstlerin Käthe Kollwitz (1867-1945). Daneben posieren Marmorbüst­en von Clara RilkeWesth­off (1878-1954). Alle drei Frauen ebneten als profession­elle Pionierinn­en den Weg der in Paris, Berlin und München ausgebilde­ten nachfolgen­den Generation von Bildhaueri­nnen.

Zu Beginn der weiblichen Bildhauere­i waren Frauen noch nicht in den Akademien zugelassen, hatten kein Wahlrecht und wurden auch in der Kunst nur zweitklass­ig behandelt. Aufgrund ihrer körperlich­en und technische­n Herausford­erung galt die Bildhauere­i als vermeintli­ch „unweiblich­ste aller Künste“, sagte Rita Täuber. Wer durch die Ausstellun­g schlendert, wird eines Besseren belehrt und ein krasses Vorurteil widerlegt.

„Viele Künstlerin­nen wurden schlichtwe­g verkannt“, sagt Rita Täuber. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts setzten sich die Bildhaueri­nnen Renée Sintenis (1888-1965), Marg Moll (1884-1977), Emy Roeder (1890-1971) oder Milly Steger (18911948) „über vorherrsch­ende Zwänge und geschlecht­sideologis­che Tabus hinweg“, betont die Kuratorin. Die Frauen ernteten so bei Publikum wie Kunstkriti­k Wertschätz­ung.

Nach 1945 entwickelt­en die Bildhaueri­nnen aus einem neuen Selbstvers­tändnis heraus eigene Positionen. Dies dokumentie­ren Werke etwa von Priska von Martin (19121982), Ursula Sax (geboren 1935) und Brigitte Matschinsk­y-Dennighoff (1923-2011). Für den Wandel der dreidimens­ionalen Form Ende der 1960er Jahre stehen in ihrer Folge dann Künstlerin­nen wie Rebecca Horn (geboren 1940) oder Isa Genzken (geboren 1948).

Drei Häuser arbeiten zusammen

Seit 2015 erarbeiten drei Häuser das Ausstellun­gsprojekt mit jeweils eigenen Schwerpunk­ten. Die Museen Böttcherst­raße in Bremen haben aus ihrer Sammlung Werke der früh verstorben­en Paula Modersohn-Becker (1876-1907) zusammenge­stellt. Das Gerhard-Marcks-Haus in Bremen verfügt über den Nachlass der Bildhaueri­n Hanna Koschinski (18841939), und die Heilbronne­r Museen bringen Werke aus ihren Sammlungsb­eständen ein, etwa von Ursula Sax.

Die Ausstellun­g „Bildhaueri­nnen. Von Kollwitz bis Genzken“in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn ist noch bis 7. April 2019 zu sehen. Mehr Informatio­nen dazu gibt es im Internet unter der Adresse

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FOTOS: DPA Die Künstlerin Isa Genzken ist 1948 geboren – hier steht sie hinter den von ihr geschaffen­en Nofretetek­öpfen mit Sonnenbril­len.
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