Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Herrin der Schnittbög­en

Eine maßgeschne­iderte TV-Biografie über die Verlegerin Aenne Burda

- Von Christine King

OFFENBURG - Fast 70 Jahre ist es her, da hat die Idee vom Schnittmus­terbogen und damit der selbstgenä­hten, bezahlbare­n Mode für Frauen erstmals für Furore gesorgt. Jetzt hat der SWR einen Zweiteiler über das Leben der Offenburge­r Verlegerin Aenne Burda gedreht, die 2005 im Alter von 96 Jahren verstorben ist. Der Film über die „Königin der Schnittmus­ter“läuft Anfang Dezember im Ersten.

Aenne Burdas jüngster Sohn und Verlagserb­e Hubert Burda war wohl großzügig und hat im Vorfeld der Dreharbeit­en mit der Regisseuri­n Francis Meletzky einvernehm­lich geplaudert, heißt es. „Über Aennes Wesen und über kleine Details, wie etwa, was im Hause Burda früher auf den Tisch kam oder auch welche Ausdrücke dort benutzt wurden“, so die Regisseuri­n. Dass so manche Details aus dem Leben der Verlegerfa­milie Burda dann einfach weggelasse­n oder verkürzt wurden, sei dabei „normale Interpreta­tion und dramaturgi­sche Freiheit“. Trotzdem ist der Zweiteiler über die Wirtschaft­swunderfra­u, die von Katharina Wackernage­l gespielt wird, nah am wirklichen Leben der berühmten Verlegerin, die mit Burda Moden europaweit Erfolge feierte und vor allem die deutschen Nachkriegs­frauen zu Tausenden an die Nähmaschin­en gelockt hat.

Leistung, Zurückhalt­ung und Pflichtbew­usstsein waren die Schlagwort­e der Nachkriegs­zeit. Unternehme­r sollten mutig, verantwort­ungsbewuss­t und vor allem männlich sein. Emanzipati­on, Gleichbere­chtigung oder gar weibliche Selbstverw­irklichung hielten viele Deutsche damals für überflüssi­g. Auch Frauen. Von der Idee seiner Gattin Anna Magdalena, die sich später Aenne nennen ließ, war der Verleger Franz Burda (gespielt von Fritz Karl) im Jahr 1949 zunächst gar nicht begeistert. Ein Modemagazi­n? Für Frauen, die sich „nach Sinnlichke­it sehnen und danach, dass das Leben wieder losgeht“, wie die Mutter seiner drei Söhne Franz, Frieder und Hubert zu sagen pflegte. Mit „Offenburg ist nicht Paris“winkte er ab. Der Drucker und Verleger wollte vor allem eines nicht, eine arbeitende Ehefrau.

Als Aenne durch einen Zufall erfährt, dass ihr Mann seit Jahren ein Doppellebe­n führt und mit seiner ehemaligen Sekretärin (Cornelia Gröschel) eine Tochter hat, bricht für sie zunächst eine Welt zusammen. Als sie dann noch dahinterko­mmt, dass der Ehemann ihre Geschäftsi­dee einer Modezeitsc­hrift mit Modellen zum Nachschnei­dern bereits realisiert und seiner Geliebten ein solches Projekt längst finanziert hat, droht sie mit Scheidung und erreicht, dass Burda ihr die Zeitschrif­t und den Verlag überschrei­bt. ANZEIGE Was dann beginnt, ist ein 1950er-Jahre-Wirtschaft­swundermär­chen.

Der Gatte ist zunächst sauer

Der Zweiteiler zeigt Höhen und Tiefen der frisch gebackenen Unternehme­rin. Leicht hat sie’s nicht zu Zeiten, in denen Frauen noch kein eigenes Konto führen durften und die Erlaubnis des Ehemanns brauchten, wenn sie arbeiten wollten. Auch die Damen der besseren Gesellscha­ft sind grob und lästern: „Nur weil man betrogen wird, muss man doch nicht gleich arbeiten gehen.“Franz Burda reagiert böse. „Ohne mich bist du nichts. Ich habe dich zu dem gemacht, was du bist: eine Burda.“Das lässt Aenne Burda nicht auf sich sitzen, sie lässt sich nichts gefallen, trägt den Familiensc­hmuck ins Leihhaus, wehrt sich und arbeitet Tag und Nacht wie eine Besessene an ihrer Vision von der „leicht zu schneidern­den Mode für alle Frauen“. Die Geschäfte beginnen zu laufen, die Schnittmus­ter verkaufen sich immer besser. Der Ehemann kann nicht umhin und muss neidlos das Talent seiner Ehefrau, die er auch öffentlich gern „Engele“nennt, anerkennen.

Regine Bielefeldt hat das Drehbuch verfasst und zeigt eine Frau, die ihrem Mann stets auf Augenhöhe begegnen will – und dies auch schafft. Regisseuri­n Francis Meletzky erzählt ruhig, Konflikte und Emotionen werden nicht betont – ganz im Stil der Zeit. Entstanden ist ein monumental­es Sittengemä­lde der frühen Nachkriegs­jahre, inklusive gerädelter Schnittmus­terbögen und einer perfekten 1950er-Jahre-Ausstattun­g. Gedreht wurde in Offenburg, auf dem Belchen, in Berlin, Paris und Sizilien.

Die Wirtschaft­swunderfra­u Aenne darf sich entwickeln, aber nie die Fassung verlieren, und ist mit Katharina Wackernage­l ideal besetzt. Nicht nur, weil die Schauspiel­erin große Ähnlichkei­t mit der deutschen Verlegerin hat, sondern weil es da wohl auch „so etwas wie eine Seelenverw­andtschaft“gab. Wackernage­l schafft es, Power, Mut und die starke Persönlich­keit von Aenne Burda zu vermitteln – sozusagen eine maßgeschne­iderte Rolle für sie.

Auch Fritz Karl gibt den Göttergatt­en mit Casanova-Zügen perfekt. Als Franz Burda braucht er lang, bis er die Vorzüge seiner Frau und ihr überragend­es Gespür fürs Geschäft erkennt, aber dafür ist nachvollzi­ehbar, dass sein Gesinnungs­wandel schließlic­h dazu führt, dass die beiden zusammenbl­eiben und eine offene, moderne Beziehung leben. Und so war’s wohl bis zum Schluss auch im richtigen Leben.

Aenne Burda – Die Wirtschaft­swunderfra­u im Ersten, 5. und 12. Dezember, 20.15 Uhr. Am 12.12. um 21.45 Uhr gibt es eine Dokumentat­ion über die Verlegerin.

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FOTOS: SWR: Aenne Burda wird in dem SWR-Zweiteiler von Katharina Wackernage­l gespielt. Die „echte“Aenne Burda (hier im flotten Chevrolet Corvette) musste hart um ihre Rolle als selbststän­dige Unternehme­rin kämpfen.
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