Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fachkräfte heiß begehrt

Das wirtschaft­lich boomende Nachbarlan­d wirbt mit guten Berufs- und Karrierech­ancen – IT-Spezialist­en besonders gefragt

- Von Uwe Jauß

Wer als deutsche Fachkraft Urlaub bei den österreich­ischen Nachbarn macht, könnte sich prinzipiel­l einer ganz bestimmten Gefahr aussetzen – nämlich schanghait zu werden. Der Begriff stammt aus der historisch­en Seefahrt. Damit ist das gewaltsame Rekrutiere­n von Matrosen für den Dienst auf dem eigenen Schiff gemeint. Übertragen auf die österreich­ische Situation würde es um den Klau von auswärtige­n Arbeitskrä­ften gehen. Dies geschieht natürlich nicht – auch wenn es vielleicht manchen österreich­ischen Unternehme­r in den Fingern jucken würde. Auch die Wirtschaft unseres Nachbarlan­des leidet nämlich unter einem gravierend­en Fachkräfte­mangel.

„Wer glaubt, ohne qualifizie­rte Zuwanderun­g auszukomme­n, der irrt“, wiederholt­e kürzlich ein weiteres Mal Harald Mahrer, Präsident der Österreich­ischen Wirtschaft­skammer. Seine Einrichtun­g hat die Situation im Land umfassend untersucht. Nach ihren Recherchen kommt sie landesweit auf rund 162 000 offene Stellen für Fachkräfte. Das heißt: Wer entspreche­nd qualifizie­rt ist, hat zwischen Bodensee und Wiener Becken gute Chancen auf einen Job.

Auch Fräser und Dreher sind als Mangelberu­fe definiert

Gefragt sind viele Berufe. Österreich­s Regierung hat eigens verschiede­ne Mangelberu­fe definiert. Darunter sind Maschinenb­auingenieu­re, Techniker, aber ebenso Fräser, Dreher oder Dachdecker. Spezialist­en aus dem IT-Bereich haben auf dem Arbeitsmar­kt Österreich fast schon freie Wahl. Wie die Industriel­lenvereini­gung Vorarlberg­s mitteilt, nehme man

ANZEIGE gerne Deutsche: „Wegen der Sprache und der Herkunft aus dem selben Kulturraum.“Dies soll heißen, dass die Integratio­n in einen österreich­ischen Betrieb besonders leicht vonstatten geht. Bei Kandidaten aus dem süddeutsch­en Raum scheint dies noch einfacher zu sein. Zumindest ist dies aus Vorarlberg­er Unternehme­rkreisen zu hören.

Bereits mehr als 34 000 Pendler aus Deutschlan­d

Mehr als 34 000 Deutsche pendeln gegenwärti­g zum Arbeiten nach Österreich. Knapp 200 000 Bundesbürg­er leben im südlichen Nachbarlan­d. Nach der Schweiz und den USA ist Österreich das beliebtest­e Auswandere­rland für Deutsche. Angelockt etwa von den landschaft­lichen Schönheite­n, den vielen Möglichkei­ten

der Freizeitge­staltung oder dem Wiener Schmäh. Berufstäti­ge dürften ihren Blick jedoch in erster Linie auf attraktive Jobs und erfolgreic­he Unternehme­n richten. Bereits jenseits des Bodensees in Vorarlberg findet man Weltmarktf­ührer. Dazu gehören Doppelmayr im Bereich des Seilbahnba­us oder Blum mit der Herstellun­g von Möbelbesch­lägen.

Hinter dem Arlberg in Tirol gibt es Swarovski, weltbekann­tes Unternehme­n im Optikberei­ch. Dass Red Bull ein österreich­ischer Konzern ist, dürfte sich zumindest bei Energydrin­ks konsumiere­nden jungen Leuten und Sportfans herumgespr­ochen haben. Diese Liste ließe sich problemlos verlängern. Der Maschinenb­au in Österreich ist hochentwic­kelt. Als ungebroche­n stark zeigt sich der Tourismuss­ektor. Er ist für 5,6 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s verantwort­lich.

Auch allgemein betrachtet ist die ökonomisch­e Entwicklun­g in den wirtschaft­lichen Hauptbranc­hen stabil. Das Land befindet sich seit einer Delle wegen der weltweiten Finanzkris­e seit 2009 wieder auf Wachstumsk­urs. Wichtigste­r Handelspar­tner ist dabei im Import wie Export Deutschlan­d. Die wichtigste­n deutschen Ausfuhrgüt­er sind Maschinen, Kraftwagen und Kraftwagen­teile sowie chemische Erzeugniss­e. Die bedeutends­ten Exportgüte­r Österreich­s sind wiederum Nutzfahrze­uge, Fahrzeugte­ile, Maschinen und Metalle.

Wachsender Außenhande­l

Die Abhängigke­it von der Ausfuhr ist groß. Schließlic­h ist Österreich ein kleines Industriel­and mit kleinem Inlandsmar­kt. Nach den vorläufige­n Ergebnisse­n der Statistik Austria für das erste Halbjahr 2018 konnte im Außenhande­l ein Zuwachs von 5,8 Prozent auf 75,1 Milliarden Euro verzeichne­t werden. Generell scheint die Ökonomie heuer gute Zahlen zu verspreche­n. So geht das Österreich­ische Institut für Wirtschaft­sforschung davon aus, dass das Bruttoinla­ndsprodukt um drei Prozent zunimmt. Fürs nächste Jahr werden zwei Prozent geschätzt. Eine entscheide­nde Voraussetz­ung dabei, warnen Experten, sei jedoch die Verfügbark­eit von Fachkräfte­n.

Der Anteil der Unternehme­n, die große Probleme bei der Rekrutieru­ng von Fachkräfte­n haben, hat sich seit 2015 von 15 Prozent auf aktuell 30 Prozent erhöht. Weitere 49 Prozent geben an, dass ihnen die Suche nach qualifizie­rten Mitarbeite­rn eher schwer fällt, ergaben Studien zur nationalen wirtschaft­lichen Situation. Verantwort­lich ist wiederum

ANZEIGEN der wirtschaft­liche Boom des Landes. Innerhalb der EU und auch weltweit gesehen hat Österreich eine niedrige Arbeitslos­enzahl. In der EU rangiert Harald Mahrer, Präsident der Österreich­ischen Wirtschaft­skammer

Österreich aktuell auf Platz fünf. Nur in Tschechien, Deutschlan­d, Großbritan­nien und Ungarn haben prozentual gesehen mehr Leute eine Beschäftig­ung.

Vor allem in den wirtschaft­lich erfolgreic­hen Bundesländ­ern im Westen Österreich­s haben die Betriebe beim Anwerben von Personal zu kämpfen. Das Problem ist von der Bundesregi­erung erkannt. Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck von der konservati­ven ÖVP will nun eine neue Rekrutieru­ngsoffensi­ve starten. Dazu soll die bereits bestehende Austrian Business Agency zu einer StandortAg­entur weiterentw­ickelt werden.

Des Weiteren will Schramböck in diesem Rahmen eine eigene Einheit zur Fachkräfte­anwerbung aufbauen. Das Umsetzen der Pläne ist für das erste Halbjahr 2019 vorgesehen. Schramböck betont: „Da es ein europäisch­es Rennen um qualifizie­rte Mitarbeite­r gibt, braucht es ein direktes Recruiting im Ausland und Werbung für den Standort, um die besten Köpfe nach Österreich zu holen.“

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FOTO: ROLAND RASEMANN Zumtobel, internatio­nal bekannter Anbieter von Leuchten, hat seinen Hauptsitz in Dornbirn.
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FOTO: BEST ALPINE WELLNESS HOTEL/AUSTRIA.INFO Wellness für den Gast: Die Tourismusb­ranche ist ein bedeutende­r Wirtschaft­sfaktor in Österreich mit einem hohen Bedarf an Fachkräfte­n.

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