Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Umstrittenes Dekret verschärft die Lage der Einwanderer in Italien
Betroffene sind von allen Integrationsprogrammen ausgeschlossen – Oppositionsparteien und Kirchen kritisieren das Gesetz
ROM - So schnell wurde noch nie in Italien ein Dekret in die Tat umgesetzt. Im November wurde das neue Sicherheitsgesetz der Regierung verabschiedet, das „Legge Salvini“, das den Namen des ausländerfeindlichen Innenministers Matteo Salvini trägt und härter mit Einwanderern umgeht. Gleich machten verschiedene Bürgermeister und Direktoren von Auffanglagern für Einwanderer mobil.
Allein am vergangenen Wochenende wurden im süditalienischen Kalabrien einige Hundert betroffene Menschen vor allem aus Nord- und Schwarzafrika im wahrsten Sinn des Wortes auf die Straße gesetzt, darunter auch schwangere Frauen und Mütter mit Neugeborenen. In ganz Italien sind in diesen Tagen einige Tausend Einwanderer aus einer bestimmten Form von Auffanglagern entlassen worden. Es handelt sich um die sogenannten CAS-Zentren. In ihnen lebten bisher jene Menschen, die nach einer zeitlich begrenzten Periode in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden sollen.
Auch Kinder betroffener Familien in CAS-Zentren, die bisher Sozialleistungen schulischer Art erhielten, sind von dem neuen Gesetz betroffen. Sie dürfen fortan nicht mehr am Schulunterricht teilnehmen. Im norditalienischen Lodi werden Kinder betroffener Einwandererfamilien auch aus Kindergärten ausgeschlossen.
Generell sind dem Gesetz zufolge Einwanderer, die höchstwahrscheinlich oder mit Sicherheit abgeschoben werden sollen, zukünftig von jedem Integrationsprogramm ausgeschlossen. „Wir haben kein Geld mehr für solche Menschen“, erklärte Salvini. Bereits begonnene Integrationsprogramme sollen allerdings zu Ende geführt werden können.
Widerstand in der Toskana
Es sind vor allem katholische Medien, die dieses Gesetz verurteilen. „Das ist unmenschlich, was dieses Gesetz vorsieht“, titelte „Avvenire“, die Tageszeitung der italienischen Bischofskonferenz. Auch sämtliche Oppositionsparteien, Repräsentanten anderer Kirchen und Bürgerinitiativen sprechen sich entschieden gegen das Sicherheitsgesetz aus.
Verschiedene Kommunen in der Toskana und der Region Emilia-Romagna erklärten ihrerseits, dass sie bestimmte Punkte des Gesetzes nicht umsetzen würden. In ihrem Stadtgebiet, so erklärten rund 20 Bürgermeister, würde niemand auf die Straße gesetzt werden. Aus dem Innenministerium heißt es in diesem Zusammenhang, dass das Gesetz für das ganze Land gelte, Ausnahmen werden strafrechtlich geahndet.
Auch von der katholischen Kirche geführte Einrichtungen zur Unterbringung von Einwanderern sind von dem Gesetz betroffen. „In Rom sind das mindestens 300 Menschen“, erklärte Lorenzo Chialastri, Einwanderungsverantwortlicher der Caritas. Es werde mit dem Sicherheitsgesetz, so die liberale Zeitung „La Repubblica“, „ein ganz neuer sozialer Notstand geschaffen“. Der ehemalige sozialdemokratische Regierungschef Matteo Renzi sagte, „wenn Menschen in diesem Sinn allein gelassen werden und nicht weiter wissen, was machen sie dann? Dann nehmen sie von sich aus, was ihnen fehlt.“