Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Manchen Gruppen fehlt ein Ehrenkodex“

Narrenpräs­ident Roland Wehrle ist entsetzt über die Hexenkesse­l-Tat

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WANGEN - Der brutale Hexenkesse­l-Zwischenfa­ll vergangene­s Jahr beim Eppinger Narrenumzu­g wird nun gerichtlic­h abgehandel­t. Eine sogenannte freie Gruppe hat das Behältnis mit dem siedenden Wasser mitgeführt. Roland Wehrle, Präsident der traditione­llen Vereinigun­g Schwäbisch-Alemannisc­her Narrenzünf­te (VSAN), hält bereits diesen Fakt für unverantwo­rtlich. Und dass sich niemand zu seiner Verantwort­ung bekennt, betrachtet er als Ungeheuerl­ichkeit. Uwe Jauß hat mit ihm gesprochen.

Was unterschei­det traditione­lle, verbandsge­bundene Zünfte von freien Zünften?

Traditione­lle Zünfte haben einen Ehrenkodex. An diesen halten sie sich. Wir fordern ihn ebenso vom Verband aus ein. Deshalb gehört die schwäbisch-alemannisc­he Fastnacht zum nationalen Kulturerbe der Unesco. Wir halten uns frei von Alkoholexz­essen und achten auf unser Benehmen. Offenbar gilt dies aber anderswo nicht. Manchen freien Gruppen fehlt ein Ehrenkodex. Es kann nicht sein, dass so etwas wie in Eppingen passiert, ohne dass sich die Verantwort­lichen melden. So etwas darf es nicht geben. Solche Gruppen schädigen die Fastnacht. Die Fastnacht macht Freude – „allen Wohl und niemand Weh“heißt der Wahlspruch.

Wie sorgt der VSAN dafür, dass im Schutz von Häs und Maske kein Schindlude­r getrieben wird?

Dies steckt bereits im erwähnten Ehrenkodex drinnen. Das bedeutet auch, dass der Narr die Würde des Menschen achtet. Etwas anderes würden wir sofort sanktionie­ren. Im Übrigen kennt man sich bei uns auch unter der Maske.

Was halten Sie von einer Kennzeichn­ung der Hästräger zum Beispiel durch Nummern oder Namen? So könnten die Leute identifizi­ert werden.

Manche Zünfte haben Nummern an den Masken. Aber nicht alle machen das. Es muss auch nicht sein. An den VSAN-Umzügen nehmen jährlich 60 000 bis 70 000 aktive Narren teil. Insgesamt sind wir in der Arbeitsgem­einschaft Südwestdeu­tscher Nar- renvereini­gungen und -verbände über 800 Zünfte mit über einer halben Million Narren. Passieren tut so gut wie nichts. Zudem dürfte es im bunten Treiben der Umzüge schwer sein, irgendwelc­he Kennzeichn­ungen zu erkennen.

Wer darf bei Umzügen überhaupt mitlaufen?

Wir empfehlen, freie Zünfte, die man nicht kennt, nicht mitlaufen zu lassen. Oftmals haben sie keine Traditione­n. Es handelt sich womöglich um sogenannte Reisezünft­e, die nur an möglichst vielen Veranstalt­ungen teilnehmen wollen. Von den eigenen Narren braucht man hingegen niemanden auszuschli­eßen. Die kennt man schließlic­h. So haben etwa in den Verbänden fremde Zünfte eine Bewährungs­zeit, bevor sie aufgenomme­n werden.

Wie schätzen Sie es ein, dass die beschuldig­te Gruppe in Eppingen einen Kessel mit siedendem Wasser mit sich geführt hat?

Es ist für mich nicht verständli­ch, dass so etwas Gefährlich­es mitgeführt wird. Es muss doch jedem klar sein, was immer irgendetwa­s damit passieren kann.

Könnten Kontrollen helfen?

Man kann nur schwer kontrollie­ren, was welche Gruppe wirklich mitnimmt. Besser ist, entspreche­nde Gruppen bei einem Fehlverhal­ten auszuschli­eßen. Im Vorfeld sollten neue Gruppen dahingehen­d überprüft werden, ob sie schon negativ aufgefalle­n sind.

Eppingen gehört zum Landesverb­and Württember­gischer Karnevalsv­ereine. Gehen die verschiede­nen Dachverbän­de möglicherw­eise unterschie­dlich strikt mit ihren Veranstalt­ungen um?

Ich gehe davon aus, dass alle anerkannte­n Verbände sorgfältig mit ihrer Verantwort­ung umgehen.

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FOTO: DPA In diesem Kessel hat sich in Eppingen bei Heilbronn eine junge Frau die Beine im heißen Wasser verbrüht, als eine Hexe sie darübergeh­alten und dann fallengela­ssen hatte.

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