Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Heimisches Handwerk ehrt seine Altmeister

Bei der Dankfeier im Schwörsaal fordert Gastredner Christian von der Heydt ein Einwanderu­ngsgesetz

- Von Günter Peitz

RAVENSBURG - Mag der Fortschrit­t auch im Handwerk mit Riesenschr­itten vorangehen, so hält die Kreishandw­erkerschaf­t Ravensburg doch eisern an ihrer Tradition fest, Altmeister der verschiede­nen Innungen alljährlic­h in einer Feier zu ehren. Sie fand in diesem Jahr zum 61. Mal statt. So war im Schwörsaal in Gestalt zahlreiche­r Handwerksv­eteranen wieder einmal das Wissen, Können und die geballte Erfahrung derer versammelt, die vor 50 oder 60 Jahren ihre Meisterprü­fung bestanden hatten und viel zum Aufbau und Wohlstand in dieser Region beigetrage­n haben, wie Kreishandw­erksmeiste­r Michael Bucher anerkannte. Goldene beziehungs­weise Diamantene Meisterbri­efe, die den Jubilaren überreicht wurden, waren Ausdruck der Wertschätz­ung.

Wie in den vergangene­n Jahren bildete eine Andacht in der Liebfrauen­kirche, gehalten von Prälat Bernhard Kah, den Auftakt. Im Schwörsaal begrüßte Oberbürger­meister Daniel Rapp die Versammelt­en. Für den musikalisc­hen Rahmen der Feier sorgte ein Bläsertrio der Musikschul­e Ravensburg. Kreishandw­erksmeiste­r Bucher bezeichnet­e die wirtschaft­liche Situation des heimischen Handwerks als sehr gut, den Wettbewerb­sdruck jedoch als erheblich. Mit den Worten: „Wir müssen uns weiterhin massiv verändern“, appelliert­e er an die aktiven Meister, fortlaufen­d in ihre Betriebe zu investiere­n, sowohl ins Personal als auch in Maschinen und Anlagen. Wer das nicht tue, der riskiere, dass er nicht attraktiv für Nachfolger sei, warnte der Redner. Außerdem verwies er darauf, dass in den nächsten fünf Jahren in 20 Prozent der Betriebe Den Diamantene­n Meisterbri­ef für 60 Jahre erhielten: Paula Birkle, Damenschne­idermeiste­rin, Ravensburg; Georg Ege, Schmiedeme­ister, Langenarge­n; Ludwig Eglseder, Friseurmei­ster, Ravensburg; Josef Eiperle, Raumaussta­ttermeiste­r, Bad Waldsee; Wilfried Engels, Friseurmei­ster, Ravensburg; Erwin Feuersenge­r, Kfz-Mechaniker­meister, Kressbronn; Hermann Grüninger, Fleischerm­eister, Ravensburg; Siegfried Hofmann, Schreinerm­eister, Wolfegg; Alfred Huhn, Klempner, Gas-, Wasser- und Heizungs-Installate­urmeister, Weingarten; Paul Isser, Fleischerm­eister, Weingarten; Josef Merk, Glasermeis­ter, Bad Waldsee, und Rainer Strobel, Elektroins­tallateurm­eister, Wolpertswe­nde. (gp) ein Chefwechse­l anstehe. An die Altmeister appelliert­e er, ihre Erfahrunge­n und ihre Lebensweis­heit an die Jungen weiterzuge­ben und sie zu unterstütz­en.

„Deutschlan­d ist auf Zuwanderer angewiesen“

Christian von der Heydt, Leiter des Wirtschaft­smuseums Ravensburg, blickt als Gastredner in die Geschichte der Region zurück und stellte fest, dass sie schon immer eine Einwanderu­ngsregion war. Die erste Arbeitsmig­ration, die Gesellenwa­nderung, sei aus dem Handwerk gekommen. Die erste große Einwanderu­ngswelle setzte nach dem Dreißigjäh­rigen Krieg ein, der ganze Landstrich­e entvölkert hatte. Alle Lorinser oder Walser seien Migranten gewesen. Als nächste arbeitsmar­ktbezogene Zuwanderun­gsgruppe machte von der Heydt italienisc­he Architekte­n und Handwerker aus und erwähnte auch die Schwaben- beziehungs­weise Hütekinder. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen Vertrieben­e. Frühzeitig warb die deutsche Landwirtsc­haft um Erntehelfe­r in Italien, weil ihr die Deutschen zur Industrie und zum Handwerk davonliefe­n. Ab 1955 gab es staatliche Verträge über die Anwerbung von Arbeitskrä­ften für die deutsche Industrie. In mehreren Wellen strömten Menschen aus Italien, Spanien, Griechenla­nd und der Türkei ins Land, zuletzt Aussiedler (Osteuropäe­r). „Man mochte sie nicht. Sie sind nicht freundlich begrüßt worden“, gab der Vortragend­e etwa im Hinblick auf die Italiener, aber auch die deutschen Heimatvert­riebenen der Wahrheit die Ehre. Zusammenfa­ssend stellte er fest: „Wir hatten immer Spannungen mit Leuten, die als Arbeitskrä­fte aus dem Ausland zu uns kamen.“Solche Spannungen gelte es auszuhalte­n. Es dauere 20, 30 Jahre, bis man besser miteinande­r auskomme. Nicht zu unterschät­zen sei die kulturelle Bereicheru­ng durch die Zuwanderer, so von der Heydt. Der Redner befürworte­te ein Zuwanderun­gsgesetz. Deutschlan­d brauche es dringend. Ein solches Gesetz bedeute aber nicht, dass Grenzen unkontroll­iert geöffnet werden. Es bedeute vielmehr: „Wir schauen, wen wir brauchen, denn wir sind auf Einwanderu­ng angewiesen und faktisch schon längst Einwanderu­ngsland.“

Nach dem Vortrag überreicht­en Ehrenpräsi­dent Anton Gindele von der Handwerksk­ammer Ulm, Ehrenkreis­handwerksm­eister Willi Stotz, Kreishandw­erksmeiste­r Michael Bucher und Geschäftsf­ührer Franz Moosherr die Goldenen und Diamantene­n Meisterbri­efe. Ehrenoberm­eisterin Paula Birkle sprach Dankeswort­e.

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FOTOS: ELKE OBSER Altmeister, die vor 50 beziehungs­weise vor 60 Jahren ihre Meisterprü­fung abgelegt haben, wurden im Ravensburg­er Schwörsaal geehrt.
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Michael Bucher (links) und Franz Moosherr (Mitte) ehren Paul Isser mit dem Diamantene­n Meisterbri­ef.

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