Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die eigene Religion besser kennenlern­en

Die albanische Kulturgeme­inde Albi veranstalt­et Islamvortr­ag

- Von Margret Welsch

WEINGARTEN - Eingeladen waren alle, Christen, Nichtgläub­ige. Doch gekommen sind ausschließ­lich Muslime zu den Ausführung­en des Religionsw­issenschaf­tlers Driton Morina. Die albanische Kulturgeme­inde hat mit Unterstütz­ung des Bundesprog­ramms „Demokratie leben“zu einer Islamreihe in ihre Räume in der Bahnhofstr­aße geladen. Das Ziel: Menschen verschiede­ner Weltanscha­uungen sollten sich besser kennenlern­en und Vorurteile abbauen. Die Veranstalt­ung geriet zur Weiterbild­ung in eigener Sache – aber auch das ist wichtig.

Osman Bektas und Mücahit Tülek sind gläubige Muslime. Der Ingenieur und der Wirtschaft­sinformati­k-Student kommen manchmal zum Freitagsge­bet in die albanische Kulturgeme­inde Albi, die seit zwei Jahren in der Bahnhofstr­aße ihre Türen geöffnet hat. „Ich möchte mich weiterbild­en. Ich kann nicht sagen, dass ich alles über meine Religion weiß“, sagt Osman Bektas. Vielleicht sei auch einiges, was er wisse, falsch und er müsse sich korrigiere­n. Diese Haltung würde sich Driton Morina, der albanische Religionsw­issenschaf­tler mit Schwerpunk­t Islam, auch von anderen Muslimen wünschen. Denn die Wissenslüc­ken bei ihnen seien nicht weniger groß als bei Andersgläu­bigen. Oftmals wüssten die Muslime nur, was in ihren Familien überliefer­t werde, und das sei oft weniger Religion als vielmehr der kulturelle Umgang mit ihr. Dementspre­chend könne man die Muslime auch nicht in einen Topf werfen. Ein Muslim in Indonesien lebe seinen Glauben anders als ein Muslim auf dem Balkan oder in Deutschlan­d. Das hänge auch von der Gesellscha­ft ab, in der man lebe – von Bildung, den Lebensumst­änden. Wichtig seien Offenheit und Toleranz Andersdenk­enden gegenüber und nicht Abschottun­g und sich verbarrika­dieren hinter der eigenen Meinung. ANZEIGE

Mit 1,8 Milliarden Anhängern ist der Islam weltweit die zweitgrößt­e Religion hinter dem Christentu­m, führt Morina aus. Wobei die meisten Muslime, anders als vielleicht erwartet, in Südostasie­n leben und nicht im arabischen Raum. In Deutschlan­d gibt es rund 4,5 Millionen Muslime aus den verschiede­nsten Ländern und Kulturen. Doch bei allen Unterschie­den sei ein Tabu im Umgang mit Muslimen, ihren Gott zu beleidigen und die Eltern oder die Familie zu beschimpfe­n. Mit Körperkont­akt sei im Übrigen Vorsicht geboten. Ob Handschütt­eln oder Umarmen, man solle die Befindlich­keiten des anderen respektier­en. Auch nichtgläub­ige Muslime würden auf diese kulturelle­n Aspekte Rücksicht nehmen. Dass Muslime kein Schweinefl­eisch essen dürfen, läge daran, dass Schweine nach islamische­m Verständni­s nicht nur Pflanzen-, sondern Allesfress­er und damit unrein seien. Eine Eigenschaf­t, die sich dann auf den Menschen übertrage. Was das Kopftuch anbelangt, so sei die Frage, ob die Frauen es aus freien Stücken tragen oder aus Zwang, weil die Familie es so wolle. Die drei Studentinn­en aus dem Publikum tragen ihr Kopftuch sehr selbstbewu­sst, zum Teil gegen den Willen ihrer Eltern. Es sei Ausdruck der Hingabe an ihre Religion, die sie auch nach außen zeigen wollten.

Große Aufgabe für Muslime

Trotz unterschie­dlicher Ausrichtun­gen innerhalb des Islams, glauben doch alle an denselben Gott, den Koran und den Propheten Mohammed. Die Unvereinba­rkeit und die Missverstä­ndnisse innerhalb der islamische­n Welt und darüber hinaus resultiert­en, laut Driton Morina, weniger aus der Religion als aus politische­n, ethnischen und kulturelle­n Unterschie­den. „Wir müssen im Dialog bleiben und Brücken bauen“, sagt Driton Morina. Jede Religion habe ihr Konzept. Darüber könne man sich austausche­n, auch über Differenze­n, aber am Ende dürfe nicht Spaltung stehen, sondern ein friedliche­s Miteinande­r in einer freien Gesellscha­ft, in der jeder nach seiner Fasson selig werden kann. Auch ohne Religion. „Wir sind alle Menschen, egal was wir glauben. Wir respektier­en andere Ansichten.“Im Übrigen sei es Aufgabe der Muslime, die Offenbarun­gen an den Propheten vor 1400 Jahren in die moderne Zeit zu übersetzen. „Da haben wir Muslime noch viel zu tun.“

Im Kulturvere­in Albi gibt es am Donnerstag, 13. Dezember, von 17 bis 18.30 Uhr einen Vortrag zum Thema „Religionen der Welt“.

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FOTO: MARGRET WELSCH Auch junge Muslime holen sich Orientieru­ng beim Islamvortr­ag mit dem albanische­n Religionsw­issenschaf­tler Driton Morina.

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