Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

60 Jahre und keine Ruhe

Ex-Zehnkampfw­eltrekordl­er Hingsen hält Vortrag in Biberach – Botschafte­r gegen Rückenschm­erzen

- Von Michael Mader

BIBERACH - 2,03 Meter groß, 115 Kilogramm schwer. Das sind die nackten Zahlen, aber der Mann hat auch etwas zu sagen. Der ehemalige Weltrekord­ler und Olympiazwe­ite von 1984 im Zehnkampf, Jürgen Hingsen, hat am Montagaben­d auf Einladung der Krankenkas­se BKK Verbundplu­s in Biberach einen kurzweilig­en Vortrag über seine Karriere und die Tätigkeit als Botschafte­r der sogenannte­n FPZ-Therapie gegen Rückenschm­erzen gehalten.

1982 hat Hingsen seinen ersten Weltrekord im Zehnkampf aufgestell­t. Das war damals im Donaustadi­on in Ulm. In den Folgejahre­n wechselte der Weltrekord immer wieder hin und her zwischen Hingsen und seinem ewigen Rivalen Daley Thompson aus Großbritan­nien. „Das Schwabenla­nd ist und war ein sehr gutes Pflaster für mich“, sagt Hingsen und hatte damit die rund 30 Besucher im Vortragssa­al der Krankenkas­se schon in seinen Bann gezogen. Denn auch in Filderstad­t, wo er nur ein Jahr später erneut den Weltrekord verbessert­e, wird schwäbisch gesprochen.

Mit 8832 Punkten hält der 60-Jährige immer noch den deutschen Rekord – trotz des aktuellen Europameis­ters Arthur Abele, der auch aus Ulm kommt. Heute ist Hingsen Markenbots­chafter für FPZ in Köln und hat ein Programm zur Prävention und zur Nachsorge gegen Rückenprob­leme entwickelt, das im Januar veröffentl­icht wird. Denn auch Jürgen Hingsen hatte Rückenprob­leme, zurückzufü­hren auf 20 Jahre intensiven Leistungss­port. „Man kann nach der Therapie auch im Fitnessstu­dio weiterarbe­iten, um etwas Abwechslun­g ins Training zu bekommen.“

Radfahren als Ausgleich

Abwechslun­g hatte Hingsen während seiner aktiven Zeit genug. Sechs bis sieben Stunden Training täglich waren notwendig, um im Zehnkampf an die Weltspitze zu kommen und dort zu bleiben. Heute sitzt er nach vielen Verletzung­en dreimal wöchentlic­h im Sattel und fährt rund 80 Kilometer durch seine Heimat.

Hingsen beschreibt in seinem Vortrag, wie er bereits als Kind in seiner Heimat Duisburg für Furore in der Leichtathl­etik gesorgt habe. „Ich hatte die große Unterstütz­ung meiner Eltern“, erinnert sich der Hüne. 4,56 Meter weit sprang der damals Zehnjährig­e schon. „Wir waren quasi ein Familienun­ternehmen, das sich alles selbst erarbeitet hat.“Heute ginge das so nicht mehr, heute brauche ein Spitzenath­let ein Management und eine profession­elle Agentur, um sich auf den Sport fokussiere­n zu können. „Ich war damals auf dem Cover des ,Stern‘ und habe das alles allein gemanagt.“

Bis 1986 blieb Thompson ungeschlag­en. Dann kam Olympia in Seoul. Hingsen ist der Favorit. Thompson wird nicht zum dritten Mal in Folge Olympiasie­ger, die Goldmedail­le gewinnt Christian Schenk aus der DDR. Aber es bleibt der Makel von Jürgen Hingsen: Beim 100-Meter-Rennen springt er dreimal zu früh aus dem Block. Hingsen wurde disqualifi­ziert. „Ich war für alle der Depp“, sagt er nach dem Vortrag. „Dabei war ich verletzt, ich musste alles riskieren. Und habe alles verloren.“Hingsen selbst lässt dieser Makel nicht los, auch wenn er längst damit Frieden und mit Daley Thomson Freundscha­ft geschlosse­n hat.

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FOTO: MICHAEL MADER: Ex-Zehnkampfw­eltrekordl­er Jürgen Hingsen spricht in Biberach über seine Karriere.

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