Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Voith wird immer digitaler
Digitalgeschäft und Zukäufe sollen Voith deutlich größer und profitabler machen
STUTTGART/HEIDENHEIM - Sichtlich stolz steht Voith-Chef Toralf Haag vor einem Panda und schaut fasziniert zu, wie dieser auf einer Taschenrechner-App eines iPhones Rechenaufgaben löst. Panda ist nicht etwa einer der knuddeligen schwarzweißen Bären, die sich ausschließlich von Bambus ernähren und vom Aussterben bedroht sind. Panda ist ein Leichtbauroboter, ein sogenannter Cobot – und Voiths „neues Baby“, wie ihn Haag liebevoll nennt. Das Besondere an Panda: Er ist enorm beweglich, äußerst feinfühlig und lässt sich binnen einer halben Stunde programmieren und in Betrieb nehmen. Mit seinen außergewöhnlichen Eigenschaften hat es Panda jüngst sogar auf die Titelseite des renommierten „Time-Magazin“geschafft. Vorgestellt wurden darin die besten Innovationen des Jahres 2018.
Papiermaschinen, Turbinen für Wasserkraftwerke, Antriebstechnik für Schiffe, Busse, Bahnen und Lkws – dafür steht Voith seit vielen Jahrzehnten. Die drei Bereiche – Paper, Hydro und Turbo – sind das Rückgrat des Familienunternehmens mit Stammsitz in Heidenheim, das im vergangenen Jahr sein 150-jähriges Bestehen feierte. Doch Wachstum und Dynamik kommen in den nächsten Jahren vor allem aus der vierten Sparte, dem Digitalgeschäft, das Voith seit gut zwei Jahren mit vielen Millionen Euro aus dem Boden stampft.
Ein Ergebnis dieser Investitionen ist Panda. Gebaut und vermarktet werden die Leichtbauroboter in einem Gemeinschaftsunternehmen zusammen mit dem Münchener Roboterspezialisten Franka Emika, den die Heidenheimer mit einer zehnprozentigen Beteiligung an sich gebunden haben. Franka Emika bringt die Technologie in das Joint Venture ein, Voith das Geld sowie Industrialisierungsund Vertriebspower.
Die Erwartungen an den Markt für kollaborative Roboter (Cobots) sind hoch. Voith schätzt das Volumen aktuell auf rund 30 000 Stück jährlich – und rechnet mit Wachstumsraten von 20 bis 30 Prozent per annum. In der Elektronik-, Logistikund Verpackungsindustrie gebe es schon heute vielfältige Anwendungsmöglichkeiten – etwa beim Test elektronischer Geräte. Perspektivisch, so Haag, könnten diese Cobots auch Menschen im Alltag oder in der Pflege unterstützen.
1,5 Milliarden für Zukäufe
Für Voith ist es der zweite Versuch, in der „strategischen Schlüsselkompetenz Robotik“Fuß zu fassen. Die Heidenheimer hatten sich 2014 am Augsburger Roboterhersteller Kuka mit einer Sperrminorität (25,1 Prozent) beteiligt. Der angestrebten Komplettübernahme kam der chinesische Hausgerätekonzern Midea mit einem sehr hohen Angebot in die Quere. Voith trennte sich darauf hin für 1,2 Milliarden Euro von der Beteiligung und strich dem Vernehmen nach einen Gewinn von über einer halben Milliarde Euro aus der Transaktion ein.
Mit dem Geld finanziert der Konzern nun nicht nur seine digitale Agenda. Voith will sich auch intensiver nach Zukäufen umsehen. Dafür stünden laut Haag 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Geplant seien erst einmal mehrere kleinere Akquisitionen im jeweils mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich, um das Geschäft in den vier bestehenden Sparten auszubauen. Langfristig sei zudem eine fünfte Säule denkbar, etwa für Energiespeicher oder Sensortechnik. „Zukäufe waren bei Voith in der Vergangenheit eher selten. Das ändern wir gerade“, sagte Haag.
Nach dem umfassenden und zum Teil schmerzhaften Umbau der vergangenen Jahre hat Voith die Struktur des Konzerns zuletzt deutlich gestrafft. Aus rund 400 verschiedenen Gesellschaften seien inzwischen etwa 130 geworden. 80 sollen es einmal Voith. Vorher war er in gleicher Position beim Schweizer Chemieund Pharmaunternehmen Lonza und beim Hamburger Kupferhersteller Aurubis tätig. Haags Vorgänger, der ehemalige Leiter der BMW-Motorradsparte, Stephan Schaller, hatte nach nur sieben Monaten den Vorstandsvorsitz niedergelegt. Er war erst zum 1. April auf den langjährigen Konzernchef Hubert Lienhard gefolgt. Offiziell aus „persönlichen Gründen“. Inoffiziell, weil er es nicht geschafft hat, die Führungsmannschaft hinter sich zu bringen. Vorläufig übt Haag den Posten als CEO und CFO in Personalunion aus. Die Suche nach einem neuen Finanzchef läuft aber. (ank) werden. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 19 500 Mitarbeiter, 4000 davon in Heidenheim.
Erstarkte Papierindustrie
Deutlich schlechter als erwartet lief zuletzt das Geschäft in der Wasserkraftsparte, vor allem weil sich Großaufträge und die Vergaben neuer Projekte verzögerten. Zusammen mit starken Währungseffekten bremste das das Wachstum. Dafür kann sich Voith immer stärker auf das lange schwächelnde, nun aber wieder erstarkte Geschäft mit der Papierindustrie stützen, die unter anderem vom Onlinehandel und der damit verbundenen großen Nachfrage nach Paketen profitiert.
Der Umsatz im Geschäftsjahr 2017/18, das im September zu Ende gegangen war, blieb mit 4,2 Milliarden Euro leicht unter dem Vorjahreswert. Unter dem Strich verdiente Voith 53 Millionen Euro und damit weit weniger als im Vorjahr (596 Millionen Euro). Damals hatte allerdings der Verkauf der Kuka-Anteile für einen enormen Gewinnsprung gesorgt. Für das laufende Geschäftsjahr wurden Zuwächse bei Umsatz und Ergebnis in Aussicht gestellt. „Das Umfeld für Voith ist günstig“, zeigte sich Haag optimistisch. Mittelfristig soll der Konzern zudem deutlich profitabler werden. Die Kapitalrendite, die heute bei zehn Prozent liegt, will Haag bis 2025 auf 15 Prozent hieven.