Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Auf dem Amtsschimmel
Wer hat nicht auch schon unter Paragrafenreiterei gelitten! Die Bürokraten, Haarspalter, Erbsenzähler, die sich übertrieben pedantisch nur an Gesetze oder Anweisungen halten, sind allüberall. Und wenn solche aktenhörigen Kleingeister den Amtsschimmel satteln, geht jede Sensibilität für die Belange der Mitmenschen verloren. Da drängt sich eine Frage auf: Was haben eigentlich weiße Pferde – man denke an die edlen Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule in Wien – mit angestaubten Federfuchsern zu tun?
Wie so oft bei Redensarten bieten sich mehrere Erklärungen an. Die Wendung, dass einer
also die Dienstvorschriften penibel einhält, kam im 19. Jahrhundert auf. Wahrscheinlich spielt hier eine volksetymologische Umdeutung Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
– von lateinisch – nannte man in den Kanzleien des alten Österreich ein vorgedrucktes Musterformular, das zur Behandlung eines Falles
diente. Und für die nach diesem arbeitenden k.-u.-k.-Beamten kam der spöttische Übername auf. Wobei man natürlich jeden Gedanken an Theodor Storms Meisternovelle vom unglückseligen Deichgrafen ausschalten muss.
Eine andere Deutung des Begriffs
führt in die Schweiz.
hinein. Dort überbrachten Amtsboten schon im 18. Jahrhundert schriftliche Unterlagen und Bescheide hoch zu Ross. Wie auch immer, ob nun in der Donaumonarchie oder in der Eidgenossenschaft: Waren solche Bescheide in verquastem Amtsdeutsch verfasst, so
Aber mag das auch ein bisschen nach anno Tobak klingen, die
sind eben leider nicht ausgestorben. Interessanterweise wurden beide Begriffe um 1950 herum besonders häufig verwendet. Das beweisen die Wortverlaufskurven im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS). Zwei Gründe bieten sich dafür an: Die unsäglichen Hinweise gewissenloser NS-Schreibtischtäter, sie hätten ja nur buchstabengetreu ihre Pflicht erfüllt, waren damals ein Dauerthema. Dazu kam die Flut neuer Gesetze, die nach dem Start der jungen Bundesrepublik zu bewältigen war und wohl so manchen pingeligen Beamten überforderte. Noch eine andere Frage: Warum sagen wir In diesem Ausdruck lebt der ursprüngliche Name des Tabaks weiter, den die Spanier aus einer karibischen Indianersprache übernommen hatten. in scherzhafter Anlehnung an
(lateinisch soll also schlichtweg heißen: in jenen alten Zeiten, als man noch
statt sagte.
Eine andere Formel für ist
Daraus haben die Österreicher im Spaß gemacht – so alt wie der Schnee von gestern. Was schon wieder fast prophetisch klingt:
ist auch nicht mehr so in Zeiten der Polarschmelze. Wenn Sie Anregungen zu Sprachthemen haben, schreiben Sie! Schwäbische Zeitung, Kulturredaktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg
r.waldvogel@schwaebische.de