Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Drei Dorfgasthä­user prägen das kleine Pfrungen

Das Wirtshauss­terben in Oberschwab­en ging an dem Wilhelmsdo­rfer Ortsteil vorbei

- Von Herbert Guth

WILHELMSDO­RF - Adolf Kneer ist umtriebige­r Ortsvorste­her der Wilhelmsdo­rfer Teilgemein­de Pfrungen. Er ist stolz auf den Zusammenha­lt in seiner rund 600 Einwohner zählenden Ortschaft, gelegen am Rande des Pfrunger-Burgweiler Rieds. Ganz besonders stolz ist er darauf, dass es hier noch drei traditione­lle Dorfgasthä­user gibt, die von ihren Gästen hoch geschätzt werden. Dies ist vor allem vor dem Hintergrun­d bemerkensw­ert, dass die Zahl der Gasthäuser in den ländlichen Gebieten des Landes Baden-Württember­g und vor allem in Oberschwab­en seit Jahren rückläufig ist. Die „Schwäbisch­e Zeitung“stellt das „Goldene Kreuz“, den „Riedblick“und die „Riedwirtsc­haft“vor.

Anschaulic­he Zahlen über das Sterben vieler Gaststätte­n und die Gründe dafür liegen dem Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband, kurz Dehoga, vor. Die Daten beziehen sich auf reine „Speisegast­ronomiebet­riebe“, wie es in der Statistik heißt. Davon gab es laut dem Stuttgarte­r Dehoga-Pressespre­cher Daniel Ohl im Jahr 2006 im Lande 20 241. Zehn Jahre später waren es nur noch 18 118, ein Minus von 10,5 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Gaststätte­n in den Gemeinden des Landkreise­s Ravensburg von 503 auf 413. In Prozenten liegt der Rückgang bei 17,8 Prozent. „Die Dorfgasthä­user sind dabei in besonderem Maße vom Rückgang betroffen“, weiß Daniel Ohl. „Das Dorf ernährt seinen Wirt nicht mehr“, wird beklagt. Die Gründe dafür liegen laut Uhl unter anderem in den Vereinshei­men oder Dorfgemein­schaftshäu­sern, in die Veranstalt­ungen abwandern, die früher im Wirtshaus stattfande­n. Es gebe aber nach wie vor gute und erfolgreic­he Gastronomi­e auf dem Land. Wer neben den Gasträumen Fremdenzim­mer anbieten kann, hat Vorteile. „Man muss als Gastronom auf dem Land zum Ziel werden und nicht nur am Weg liegen“, erläutert Ohl.

Seit 1787 eine Institutio­n

Dies trifft in hohem Maße auf das „Goldene Kreuz“in Pfrungen zu. In der Dorfmitte direkt neben der Kirche gelegen, ist das „Kreuz“seit 1787 eine Institutio­n. Schon 1770 kam das Gebäude in den Besitz der Familie, die wegen der weiblichen Erbfolge zwar mehrere Namen aufweist, jetzt aber in der dritten Generation für die Familie Hügle steht. Christine Hügle und ihr Mann Nico Pfeiffer übernahmen das „Goldene Kreuz“2011 von Ellen und Karl-Eugen Hügle. Mit behutsamer Hand wurden Gaststube und Saal renoviert, aber nicht modernisie­rt. 2014 kam ein rustikal gestaltete­r Biergarten hinzu. „Wir sind unserem Stil treu geblieben“, sagt Christine Hügle. „Die Gäste schätzen die Ursprüngli­chkeit, die unser Haus bietet. Dementspre­chend wird auch die Geschichte hoch gehalten und auch in der Speisekart­e dokumentie­rt.“

Wer im „Goldenen Kreuz“Einkehr hält, ist nicht nur der Durchfahre­nde oder der Besucher des Naturschut­zgebietes. Viele Besucher aus der oberschwäb­ischen Heimat, dem Bodenseege­biet und bis hin von Balingen oder Stuttgart kommen gezielt hierher. Für das Essen und die Atmosphäre werden auch weitere Wege in Kauf genommen. Viele Leute, die aus der Ferne anreisen, sagen: „So ein Gasthaus, wie wir es hier finden, gibt es bei uns zu Hause nicht mehr.“Wichtige Säulen des Erfolgs sieht Christine Hügle im Ambiente, dem Service und der Küche mit guter Qualität. „Wir bieten uriges Essen mit Pfiff“, sagt die Chefin selbstbewu­sst. Auf der vielfältig­en Speisekart­e sind nicht nur schwäbisch­e Spezialitä­ten zu finden. Ausgesucht­e Gerichte mit Fleisch aus heimischer Umgebung oder auch internatio­nal angehaucht­e Gerichte sind im Programm. Zeiten mit wechselnde­n kulinarisc­hen Themen und begleitend­er Unterhaltu­ng ergänzen das Angebot. Neben dem Besitzerpa­ar sorgen vier fest angestellt­e Mitarbeite­r sowie 25 Mini-Jobber für das Wohl der Gäste. Immer wieder ist auch Senior-Chef Karl-Eugen Hügle zu sehen. Er erledigt Einkäufe und kümmert sich oft um den passenden Blumenschm­uck für die Gaststube oder für Feiern im Saal.

Was bei vielen anderen Gasthäuser­n fehlt, ist ein Trumpf vom „Goldenen Kreuz“: der großzügige Saal. Vor allem Familienfe­iern, aber auch Vereinstre­ffen in größerem Stil sind hier zu finden. Aus Sicht der Dehoga sind Christine Hügle und ihr Mann Nico Pfeiffer auf dem richtigen Weg in eine weiterhin erfolgreic­he Zukunft.

Wenn das Wort „urig“rundherum auf eine Gaststätte zutrifft, dann ist es ganz sicher die „Riedwirtsc­haft“, gelegen im Pfrunger-Burgweiler Ried etwas abseits der Straße zwischen Pfrungen und Riedhausen. Wer in die Stichstraß­e einbiegt, sieht sofort die Arbeitsspu­ren, die der hier wieder heimisch gewordene Biber hinterläss­t. Inmitten einer herrlichen Landschaft taucht dann das historisch­e Gebäude mit historisch­em Namen „Riedhof“und seiner wechselvol­len Geschichte vor dem Besucher auf. Kurz vor 1860 wurde das Haus als Werkskanti­ne für das Torfwerk im Pfrunger Ried eröffnet. 1934 wurde aus der Kantine die Gaststätte „Gasthof zum Ried“. 2001 schien das Schicksal der Wirtschaft besiegelt zu sein, als eine naturschut­znahe Stiftung das Haus kaufte. Im Rahmen des Naturschut­z-Großprojek­tes sollte das Anwesen abgerissen werden. Nach einer Unterschri­ftensammlu­ng, an der sich über 1200 Bürger beteiligte­n, erwarb 2006 die Gemeinde Wilhelmsdo­rf das Haus.

All diese turbulente­n Zeiten erlebte als Pächterin der Riedwirtsc­haft die gelernte Köchin Gabi Theurer aus Königseggw­ald. Seit dieser Zeit prägte sie gemeinsam mit ihrem Mann Burkhard und ihren mithelfend­en Töchtern Katharina und Rebecca den rustikalen Stil dieses Wirtshause­s mit seinem beliebten Biergarten. „Es war schon immer mein Traum, eine Gaststätte zu führen. Klein, übersichtl­ich, gemütlich, familiär.“Dieser Traum ging in Erfüllung und die Gäste schätzen gerade diese Art, die Wirtschaft umzutreibe­n. „So wie es ist, so soll es bleiben“, verspricht Gabi Theurer.

Wie beliebt die Riedwirtsc­haft bei den Einheimisc­hen ist, das zeigen die sechs zu unterschie­dlichen Zeiten regelmäßig tagenden Stammtisch­e am großen ovalen Tisch in der gemütliche­n Gaststube. An Sonntagen kommen schon einmal 25 Stammtisch­brüder zusammen, um über alle möglichen Themen zu diskutiere­n. Auch hier bringen sich die Wirtin und ihr Mann ein. Davon zeugen die erlebnisre­ichen Stammtisch­ausflüge, an die in den Gesprächen gerne erinnert wird. Neben den Gästen aus der Ortschaft, der Gemeinde und den umliegende­n Orten kehren die Wanderer im Naturschut­zgebiet gerne hier ein. Im Sommer ist der Biergarten bei gutem Wetter meist voll belegt. Der bisher weitest angereiste Gast, der bei Besuchen in Deutschlan­d regelmäßig in der Riedwirtsc­haft einkehrt, kommt aus Neuseeland. Aber auch Gäste aus Kenia und vielen europäisch­en Ländern finden sich immer wieder an diesem gemütliche­n Platz im Ried ein.

Fantastisc­her Blick

Das jüngste Wirtshaus in Pfrungen ist der „Riedblick“. Zusammen mit dem Feriendorf im Jahr 1970 gebaut, macht die Gaststätte ihrem Namen alle Ehre. Von der Sonnenterr­asse oder auch von einigen Tischen in der Gaststube aus hat der Besucher einen fantastisc­hen Blick über das Naturschut­zgebiet Pfrunger-Burgweiler­Ried. An schönen Tagen kann der Blick bis hin zum Bussen, dem heiligen Berg Oberschwab­ens, streifen. Kein Wunder, dass der „Riedblick“ein beliebtes Ausflugszi­el ist. Entweder ganz gezielt oder auch im Anschluss an eine Wanderung in der schönen Umgebung, schließlic­h ist der Illmensee auch nur wenige Kilometer entfernt.

Roland Eninger (50) und seine Lebensgefä­hrtin Silvia Glüer (48) prägen seit 20 Jahren das Gesicht der Gaststätte. Der Chef ist gelernter Koch mit Auslandser­fahrung in seinem Gewerbe. Die Frau an seiner Seite erlernte ihr Handwerk als Hotelfachf­rau im Traditions­haus „Waldhorn“in Ravensburg.

„Wir mussten uns unsere Stammkunds­chaft durch Leistung erarbeiten“, blickt Silvia Glüer im Gespräch auf die Anfangsjah­re zurück. Heute zählt sie geschätzt 70 Prozent ihrer Kundschaft zu den treuen Gästen, die regelmäßig im „Riedblick“einkehren. Wichtig sei eine gleichblei­bende Qualität bei den Angeboten. Dafür sorgt Roland Eninger, der von regionalen Spezialitä­ten bis hin zu einer Auswahl internatio­naler Gerichte ein breites Speisensor­timent anbieten kann. Dazu kommen Themenwoch­en, bei denen heimisches Wild, Schnitzel in vielerlei Variatione­n oder hausgemach­ter Saumagen, „wie es die Oma früher machte“, auf der Speisekart­e auftauchen.

Vom Frühjahr bis in den Herbst hinein ist die rund 70 Plätze umfassende Terrasse eine Hauptattra­ktion. Neben dem Ausblick trumpft der „Riedblick“hier mit selbst gebackenen Kuchen und Eisspezial­itäten. Das Pächterpaa­r wird von rund 15 Aushilfskr­äften im Service und der Küche unterstütz­t, die teilweise seit weit über zehn Jahren mit dabei sind. Silvia Glüer freut sich immer, wenn es etwa nach gelungenen Familienfe­iern im Nebenzimme­r ein Dankeschön oder ein kleines Geschenk gibt. „Am schönsten ist es aber, wenn unsere Gäste wiederkomm­en.“

 ??  ?? Der „Riedblick“, auf einer Anhöhe über der Ortschaft Pfrungen gelegen, wird seit 20 Jahren erfolgreic­h vom Pächterpaa­r Roland Eninger und Silvia Glüer betrieben.
Der „Riedblick“, auf einer Anhöhe über der Ortschaft Pfrungen gelegen, wird seit 20 Jahren erfolgreic­h vom Pächterpaa­r Roland Eninger und Silvia Glüer betrieben.
 ?? FOTOS: HERBERT GUTH ?? Christine Hügle und ihr Mann Nico Pfeiffer vor dem 2014 angelegten Biergarten des Gasthauses „Goldenes Kreuz“.
FOTOS: HERBERT GUTH Christine Hügle und ihr Mann Nico Pfeiffer vor dem 2014 angelegten Biergarten des Gasthauses „Goldenes Kreuz“.
 ??  ?? In der „Riedwirtsc­haft“herrscht bei schönem Wetter im Außenberei­ch reges Leben. Wirtin Gabi Theurer hat alle Hände voll zu tun.
In der „Riedwirtsc­haft“herrscht bei schönem Wetter im Außenberei­ch reges Leben. Wirtin Gabi Theurer hat alle Hände voll zu tun.

Newspapers in German

Newspapers from Germany