Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Familienbeauftragte hat Arme im Blick
Stelle wurde um 20 Prozent aufgestockt: Tatjana Begert will Bedarf von Eltern abklopfen
RAVENSBURG - Es gibt wieder eine städtische Familienbeauftragte: Seit Herbst hat Tatjana Begert die Stelle inne, die von 30 auf 50 Prozent aufgestockt wurde. Nachdem Eva Komprecht jetzt Gleichstellungsbeauftragte ist, gab es eine Zeit lang keine Familienbeauftragte mehr. Nun will Begert sich um die Anliegen von Ravensburger Familien kümmern. Wobei sie vor allem jene im Blick hat, die nicht so gut betucht sind.
Gibt es die im reichen Ravensburg? Und ob, sagt Sozialamtsleiter Stefan Goller-Martin, zu dessen Team Begert gehört. „Und zwar gar nicht so selten, wie viele denken.“Eben weil das Gros der Einwohner genügend Geld hat, sei es für die fünf bis sieben Prozent Armutsfamilien vor Ort schwierig, wenn nicht beschämend, wenn sie sich beispielsweise die Klassenfahrt ihres Sprösslings nicht leisten können. Oder beim Pausenbrot für die Kita nicht darüber nachdenken, welches Obst sie mit in die Brotbox packen, sondern was sie ihrem Kind überhaupt mitgeben können.
Hier will Begert ansetzen. „Wir wollen die Eltern selbst fragen, wo ihre Bedürfnisse und ihr Bedarf liegen“, macht die Familienbeauftragte deutlich. Und zwar im Rahmen einer vom Land geförderten Aktion, die Stadt und Landkreis Ravensburg gemeinsam angehen. 33 000 Euro hat Begert zur Verfügung, um mit Eltern Interviews zu führen. Idealerweise, sofern sie dies wollen, bei ihnen zu Hause. Unter dem Überbegriff „Gegen Kinderarmut und für Kindergesundheit“wird insbesondere der Wechsel der Kleinen in die Kita thematisiert. Zwar bedeute dieser Ablösungsprozess nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern eine „dramatische Veränderung“, wie Goller-Martin weiß. Allein: Studien dazu seien fast komplett Fehlanzeige. Die Umfrage soll daher Anfang 2019 starten, der nächste Familienbericht wird für Frühjahr 2019 anvisiert.
Je nach Umfrage-Ergebnissen könnte daraufhin ein Gesprächsoder (Ernährungs-)Beratungsangebot für Eltern eingerichtet werden. Vielleicht wird es aber auch darum gehen, die bestehenden Angebote besser zu verzahnen oder zu kommunizieren: „Ich sehe mich als Multiplikatorin und Koordinatorin“, sagt Begert. Obschon sie auch die Konzepte der Kindertagesstätten abfragen und analysieren will, hat sie keine fertigen Lösungen im Köcher. Stattdessen will sie „erst mal die Situation wahrnehmen“. Und dann auf das reagieren, „was die Eltern tatsächlich brauchen und wo es Informationsoder Nachholbedarf gibt“. Gerade wenn es um Angebote für ärmere Familien geht, sei da viel Sensibilität gefragt, „um an die Menschen ranzukommen“, ist sich Begert bewusst. Beschämen will sie jedenfalls niemanden. Vielmehr abklopfen, ob die eine oder andere Broschüre womöglich besser als Smartphone-App funktionieren würde.
Sichere Spielbereiche sind ein Dauerwunsch
Zu ihrem Job wird es auch gehören, Baustellen anzugehen, die Eltern in Ravensburg immer wieder kritisieren: Viele wünschen sich etwa einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, mehr Kita-Plätze, eine verlässliche Betreuung von Grundschulkindern, günstige Wohnungen oder sichere Spielbereiche, wo sie den Nachwuchs unbesorgt vor dem Haus herumkurven lassen können. Auch dass viele Wege so zugestellt seien, dass man mit dem Kinderwagen nicht gut durchkommt, werde immer wieder moniert, sagt Ravensburgs Pressesprecher Alfred Oswald. Und natürlich das heiße Thema Elterntaxis, die rund um die Schulen immer wieder verkehrsgefährdend parken. Goller-Martin hat jüngst in Italien eine Lösung gesehen, die ihm gefallen würde: Da würden zu bestimmten Hol- und Bringzeiten sämtliche Straßen rund um eine Schule kurzerhand in Einbahnstraßen verwandelt.