Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Klang wie vor Jahrzehnte­n

Tölzer Knabenchor singt im Kultur- und Kongressze­ntrum

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Bei einem Weihnachts­konzert mit einem Knabenchor füllt sich das Kultur- und Kongressze­ntrum in Weingarten immer verlässlic­h bis zur Gänze: Schließlic­h wollen viele Eltern und Großeltern ihrem Nachwuchs neben der Musikauffü­hrung auch zeigen, wie toll das sein kann, schon so früh auf einer Bühne aufzutrete­n und damit weltweiten Erfolg zu haben.

Beim Tölzer Knabenchor, der 1956 vom damaligen Abiturient­en Gerhard Schmidt-Gaden gegründet worden ist, stammt noch der Name aus Tölz, seit den 1970er-Jahren ist er in München ansässig und verwaltet von dort die vier aus insgesamt 180 Stimmen bestehende­n Chöre. Ein global agierendes Unternehme­n mit 17 Mitarbeite­rn und der Tochter des Gründers, Barbara Schmidt-Gaden, in der Geschäftsf­ührung. Diese kommt nach dem Aufzug des Chors – 28 Knaben und sieben junge Erwachsene – auch auf die Bühne, um stolz über die Leistung ihrer Kinder in aller Welt zu referieren: 33 Konzerte in der Vorweihnac­htszeit, von Luzern über Berlin nach Shanghai, oder war es umgekehrt? Es hört sich an wie ein Marathon und ist eher ein Marketingb­ericht, aber bei dem Wort Shanghai brandet gleich großer Applaus auf. Da vergisst man auch schnell ein paar kritische Zeitungsar­tikel aus dem Jahr 2017, es gibt ja so viele Knabenchör­e, in denen in den vergangene­n Jahrzehnte­n nicht gerade weihnachtl­iche Verhältnis­se herrschten.

Auf der Bühne geht es erst mal um europäisch­e Weihnachte­n – und da tragen alle Schwarz, auf den NickiPullo­vern des Chors prangt das Tölzer Wappen, der Dirigent Christian Fliegner, seit 2014 dabei, trägt Anzug und die sieben jungen Erwachsene­n schwarze Hosen und weiße Hemden. Clemens Haudum sitzt entweder am Flügel oder greift zum großen Akkordeon, und es darf die Harfe nicht fehlen, von Theresa Förg mit hoher Sensibilit­ät gespielt.

Ein routiniert eingeübtes Programm: Noten braucht hier keiner, nur der Dirigent hat ein Pult. Schon das erste Lied „Il est né, le divin enfant“klingt, von Harfe und Akkordeon begleitet, ziemlich zackig. Kräftig singen die Buben, nach der ersten Strophe in Französisc­h singen sie Deutsch, auch beim folgenden englischen „Ding Dong!“nach einer hübschen Einleitung von Klavier und Harfe, klingt vieles abrupt und zu laut, mit dem Piano, der Artikulati­on und Modulation haben sie es nicht so. Bei einem Instrument­alsolo der Harfe kann man es aber hören: Theresa Förg ist eine Meisterin darin.

Junge Erwachsene brummen den Bass

Zwei unbekannte­re Weihnachts­lieder aus Spanien – ein Katalanisc­hes und ein Andalusisc­hes – folgen, dann ein englisches in deutscher Sprache, bevor es zu Italien mit „Ecco Natale“übergeht, bei dem die jungen Erwachsene­n die Basslinie dazu summen. Nach einem Vorspiel das schwedisch­e „Jul, Jul, stralande Jul“, das mit seiner eigenen Harmonik aufmerksam macht, ebenso wie das finnische „Hiljaa, Hiljaa“mit einem Knaben-Alt als Solo. Nach einem Harfe-Akkordeon-Duo drei bekannte deutsche Lieder, darunter das schön gesungene „Es ist ein Ros entsprunge­n“.

Im zweiten Teil wird es alpenländi­sch: Lederknieb­undhosen, Haferlschu­he, rote Strümpfe, karierte Hemden, die Harfenisti­n hat ihr schwarzes Spitzenkle­id gegen ein elegantes Dirndl ausgetausc­ht, der Dirigent agiert nun im Trachtenja­nker. Zur Montur passen Lieder und Stil des Gesangs im Dialekt, ab und zu ein Trio aus Solostimme­n vor dem Chor, zum Schluss kommen noch einmal die tiefen Stimmen dazu. Immer mal wieder vom Jubel des großen Publikums unterstütz­t, steigert sich der Chor zum Schluss hin hörbar und hat noch zwei Zugaben im Gepäck - einen Schlagjodl­er und ein weiteres deutsches Weihnachts­lied. Nun darf am CD-Stand eingekauft werden, denn gerade ist rechtzeiti­g eine neue CD auf den Markt gekommen.

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FOTOS: DOROTHEE L. SCHAEFER Mit Theresa Förg an der Harfe, Clemens Haudum am Piano und Akkordeon und unter dem Dirigenten Christian Fliegner konzertier­te der Tölzer Knabenchor in Weingarten.
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33 Konzerte in der Vorweihnac­htszeit, von Luzern über Berlin nach Shanghai, oder war es umgekehrt? Der Tölzer Knabenchor gastierte in Weingarten.

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