Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eher athletisch als tänzerisch

Das Spellbound Contempora­ry Ballet gastierte im Kuko

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Gut besucht war das Kuko zum Tanzabend mit dem aus Italien stammenden Spellbound Contempora­ry Ballet: eine Compagnie, die 1994 von dem Italiener Mauro Astolfi gegründet wurde und für die er zahlreiche Choreograf­ien schuf. In Weingarten zeigte das Tanzensemb­le fünf Choreograf­ien von Astolfi aus den Jahren zwischen 2009 und 2018.

Das bläuliche Licht fällt von der rechten Seite nur spärlich auf die dunkle Bühne, Stille, dann laufen zwei Tänzer hintereina­nder her, in schwarzen Jeans und Strümpfen, den Oberkörper frei. Nach wenigen Minuten erst erklingt Musik, nach dem Soundtrack aus „Gravity“, ein Spielfilm über eine Raumfahrer­in im All von 2013. Das Männerduo bewegt sich zu dieser sphärisch-minimalist­ischen Musik von Steven Price mal fließend, athletisch umeinander kreisend, dann wieder abrupt voneinande­r wegdriften­d. Es wirkt mal wie ein Kampf, dann wieder wie eine innige Beziehung, und zum Schluss ist der ohrenbetäu­bende Lärm eines startenden Flugzeugs zu hören.

Der erste Eindruck von kraftvolle­m Ausdruck bleibt für den ganzen Abend erhalten. Falls man eine besondere Ausstattun­g oder eine originelle Lichtregie erwartet hatte, wurde diese Erwartung eher enttäuscht – kurze Hänger oder Leibchen für die Tänzerinne­n, alle tragen Strümpfe – es wirkt mehr wie bei einer Ballettpro­be. Astolfi hat in Italien, London und in den USA Tanz studiert, und seine Choreograf­ien sind sowohl vom europäisch­en Tanztheate­r als auch von zeitgenöss­ischen Tanzformen geprägt. Insgesamt überwiegt der Eindruck einer athletisch­en Körperlich­keit, die zwischen Gymnastik und Akrobatik oszilliert, da die exzellente­n Tänzer immer in nahem Kontakt stehen und sich oft in kunstvolle­n Verschränk­ungen auf dem Boden wälzen. Im ersten Teil gibt es nur Pas de deux zu sehen – bei der zweiten Choreograf­ie mit dem rätselhaft­en Titel „Small Crime“tanzt ein Paar nach minimalist­ischer Pianomusik von Jonny Greenwood und Nils Frahm – auch hier blitzschne­lle Emotionswe­chsel von Aggression zu Dominanz. Das dritte Stück „Hunger and Grace“bringt zum zweiten Klavierkon­zert von Chopin, das flutende Romantik assoziiert, einen eher nüchternen Pas de deux eines Paares. Am spannendst­en ist das Solo eines Tänzers zu einer der Bachschen Cello-Suiten in „How to pray“, dem eine Musik mit Cello und Perkussion von Lars Danielsson folgt.

Nach der Pause „Rossini Ouvertures“, zunächst etwas Kammermusi­k und dann bekannte Ouvertüren, zu denen auch „Guillaume Tell“zählt, und natürlich der berühmte „Barbier von Sevilla“. Nun tritt endlich die ganze Compagnie auf: fünf Tänzerinne­n und vier Tänzer, in Strumpfhos­en, Kniehosen, Rüschenhem­den und Miedern dezent zeithistor­isch gewandet. Auch hier bleiben sie in den verschiede­nen Szenen nah beieinande­r, sodass die Musik eigentlich nur selten zur Körpergest­ik korrespond­iert. Stattdesse­n wendet sich das Ganze zur Satire, vor allem im marionette­nhaften Gehampel in der Figaro-Arie, die eher als szenische Aufführung oder Operneinla­ge denn als eigenständ­iger Tanz zu betrachten wäre.

Unterschie­dliche Reaktionen

Von einem Großteil des Publikums kam jubelnder und anhaltende­r Applaus, einige gingen sofort nach Schluss, wieder andere reagierten verhalten. Im Hinausgehe­n ein Kommentar: „Ganz grässlich, und zum Schluss haben sie den Rossini noch kaputt gemacht.“Aber da sollte man doch gelassen bleiben: Rossini mit seinen ellenlange­n Schlüssen ist selbst mit einer mäßigen Choreograf­ie nicht totzukrieg­en.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Für die Choreograf­ie zu „Rossinis Ouvertüren“war die gesamte Spellbound-Compagnie auf der Bühne – fünf Tänzerinne­n und vier Tänzer – und alle stammen aus Italien, so wie der Choreograf Mauro Astolfi und der Lichtdesig­ner Marco Policastro.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Für die Choreograf­ie zu „Rossinis Ouvertüren“war die gesamte Spellbound-Compagnie auf der Bühne – fünf Tänzerinne­n und vier Tänzer – und alle stammen aus Italien, so wie der Choreograf Mauro Astolfi und der Lichtdesig­ner Marco Policastro.

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