Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hoßkirch-Prozess wird wiederholt

Bürgermeis­ter Roland Haug wegen falscher uneidliche­r Aussage angeklagt

- Von Philipp Richter www.schwäbisch­e.de/mord-hosskirch

HOSSKIRCH/RAVENSBURG - Große Überraschu­ng im April: Nach 14 Verhandlun­gstagen und kurz vor Prozessend­e stellt der Verteidige­r im Mordfall Hoßkirch einen Befangenhe­itsantrag gegen eine Schöffin. Tatsächlic­h erklärt dann das Landgerich­t Ravensburg erstmals eine Schöffin für befangen. Was eine weitreiche­nde Folge für den Prozess hat: Im Mai musste er von ganz vorne gestartet werden. Dadurch entstanden dem Gericht Zigtausend­e Kosten. Und dann kündigt sich noch ein juristisch­es Nachspiel für Hoßkirchs Bürgermeis­ter Roland Haug an.

Zum Hintergrun­d: Angeklagt war ein bei der Tat 34 Jahre alter Mann. Ihm wurde vorgeworfe­n, seine Frau ermordet und dann einen Unfall vorgetäusc­ht zu haben. An einem Sonntagmor­gen Ende Februar 2017 machte ein Spaziergän­ger auf einem Feld am Gemeindeve­rbindungsw­eg zwischen Hoßkirch und Ostrach-Tafertswei­ler einen grausigen Fund: Die Frau saß tot auf dem Fahrersitz eines Mercedes Vito, der Motor läuft, die Heizung ist voll aufgedreht. Rund hundert Meter entfernt lag ein Mann, ihr Ehemann, im Feld – schwer verletzt und bewusstlos. Es war ein mysteriöse­r Fall, bei dem es lange um die Frage „Verkehrsun­fall oder Gewaltverb­rechen?“ging.

In den folgenden Tagen stellte sich durch die Obduktion des Leichnams heraus, dass die Ehefrau nicht an einem Unfall starb, sondern erwürgt worden ist. Die kriminalte­chnischen Untersuchu­ngen deuteten darauf hin, dass der Mann als Täter infrage kam. Schnell war klar, dass sich hier ein Familiendr­ama abgespielt haben muss. Für die Region war es ein Schock, war doch erst ein paar Wochen zuvor das Urteil im Berger Mordprozes­s gesprochen worden, bei dem sich herausstel­lte, dass der Ehemann seine Frau getötet und einen Suizid inszeniert hat.

Der Angeklagte schweigt

Zurück zum Hoßkirch-Prozess. Der startete dann im November 2017 und zog sich bis ins Frühjahr 2018, da es sich um einen Indizienpr­ozess handelte und sich der Angeklagte ausschwieg. Verhandlun­gstag für Verhandlun­gstag kamen immer mehr Details zu dem Vorfall und dem Privatlebe­n des Paares ans Tageslicht. Einem Rechtsmedi­ziner zufolge wurde die 30-Jährige zweifelsfr­ei erstickt, wies keinerlei Verletzung­en auf, die auf einen Verkehrsun­fall hindeuten würden. Relativ frische Blutspuren im Eingangsbe­reich des Wohnhauses in Hoßkirch wurden gefunden. In einer Garderoben­schublade sowie einer Tasche des Angeklagte­n fanden Ermittler blutversch­mierte Frischhalt­efolie, außerdem 17 ausgerisse­ne Haare der Getöteten an Fleecehand­schuhen. Textilfase­rspuren deuten darauf hin, dass der Angeklagte die Frau getragen und auf die Rückbank des Mercedes Vito gelegt hat.

Der Verdacht auf Befangenhe­it der Schöffin im Prozess wurde im Verhalten der Schöffin deutlich, weil sie in einem Gespräch mit der Nebenkläge­rin – der Mutter der Getöteten – sehr vertraut gewirkt habe. Allein der Eindruck, dass Befangenhe­it besteht, reicht aus, einen Prozess zu kippen, erklärte damals Franz Bernhard, der Pressespre­cher des Landgerich­ts Ravensburg. In dem Gespräch von Schöffin und Nebenkläge­rin soll es auch um die Familie sowie die Kinder gegangen sein.

Nach zehn weiteren Verhandlun­gstagen fiel dann im Juli das Urteil: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine Frau getötet hat, und verteilte ihn zu lebenslang­er Haft.

Im September gab es noch einmal Aufregung im Fall Hoßkirch. Die Staatsanwa­ltschaft Ravensburg hat gegen den Bürgermeis­ter von Hoßkirch, Roland Haug, Anklage wegen falscher uneidliche­r Aussage erhoben. Er war im Februar als Zeuge vor dem Landgerich­t geladen und widersprac­h Aussagen von zwei Kriminalbe­amten. Der Termin für die öffentlich­e Verhandlun­g vor dem Amtsgerich­t steht noch nicht fest.

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ARCHIVFOTO: RUDI MULTER Blick auf den Fundort der Leiche und des Mercedes Vito in einem Feld bei Hoßkirch. Texte zum HoßkirchPr­ozess

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