Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hoßkirch-Prozess wird wiederholt
Bürgermeister Roland Haug wegen falscher uneidlicher Aussage angeklagt
HOSSKIRCH/RAVENSBURG - Große Überraschung im April: Nach 14 Verhandlungstagen und kurz vor Prozessende stellt der Verteidiger im Mordfall Hoßkirch einen Befangenheitsantrag gegen eine Schöffin. Tatsächlich erklärt dann das Landgericht Ravensburg erstmals eine Schöffin für befangen. Was eine weitreichende Folge für den Prozess hat: Im Mai musste er von ganz vorne gestartet werden. Dadurch entstanden dem Gericht Zigtausende Kosten. Und dann kündigt sich noch ein juristisches Nachspiel für Hoßkirchs Bürgermeister Roland Haug an.
Zum Hintergrund: Angeklagt war ein bei der Tat 34 Jahre alter Mann. Ihm wurde vorgeworfen, seine Frau ermordet und dann einen Unfall vorgetäuscht zu haben. An einem Sonntagmorgen Ende Februar 2017 machte ein Spaziergänger auf einem Feld am Gemeindeverbindungsweg zwischen Hoßkirch und Ostrach-Tafertsweiler einen grausigen Fund: Die Frau saß tot auf dem Fahrersitz eines Mercedes Vito, der Motor läuft, die Heizung ist voll aufgedreht. Rund hundert Meter entfernt lag ein Mann, ihr Ehemann, im Feld – schwer verletzt und bewusstlos. Es war ein mysteriöser Fall, bei dem es lange um die Frage „Verkehrsunfall oder Gewaltverbrechen?“ging.
In den folgenden Tagen stellte sich durch die Obduktion des Leichnams heraus, dass die Ehefrau nicht an einem Unfall starb, sondern erwürgt worden ist. Die kriminaltechnischen Untersuchungen deuteten darauf hin, dass der Mann als Täter infrage kam. Schnell war klar, dass sich hier ein Familiendrama abgespielt haben muss. Für die Region war es ein Schock, war doch erst ein paar Wochen zuvor das Urteil im Berger Mordprozess gesprochen worden, bei dem sich herausstellte, dass der Ehemann seine Frau getötet und einen Suizid inszeniert hat.
Der Angeklagte schweigt
Zurück zum Hoßkirch-Prozess. Der startete dann im November 2017 und zog sich bis ins Frühjahr 2018, da es sich um einen Indizienprozess handelte und sich der Angeklagte ausschwieg. Verhandlungstag für Verhandlungstag kamen immer mehr Details zu dem Vorfall und dem Privatleben des Paares ans Tageslicht. Einem Rechtsmediziner zufolge wurde die 30-Jährige zweifelsfrei erstickt, wies keinerlei Verletzungen auf, die auf einen Verkehrsunfall hindeuten würden. Relativ frische Blutspuren im Eingangsbereich des Wohnhauses in Hoßkirch wurden gefunden. In einer Garderobenschublade sowie einer Tasche des Angeklagten fanden Ermittler blutverschmierte Frischhaltefolie, außerdem 17 ausgerissene Haare der Getöteten an Fleecehandschuhen. Textilfaserspuren deuten darauf hin, dass der Angeklagte die Frau getragen und auf die Rückbank des Mercedes Vito gelegt hat.
Der Verdacht auf Befangenheit der Schöffin im Prozess wurde im Verhalten der Schöffin deutlich, weil sie in einem Gespräch mit der Nebenklägerin – der Mutter der Getöteten – sehr vertraut gewirkt habe. Allein der Eindruck, dass Befangenheit besteht, reicht aus, einen Prozess zu kippen, erklärte damals Franz Bernhard, der Pressesprecher des Landgerichts Ravensburg. In dem Gespräch von Schöffin und Nebenklägerin soll es auch um die Familie sowie die Kinder gegangen sein.
Nach zehn weiteren Verhandlungstagen fiel dann im Juli das Urteil: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine Frau getötet hat, und verteilte ihn zu lebenslanger Haft.
Im September gab es noch einmal Aufregung im Fall Hoßkirch. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg hat gegen den Bürgermeister von Hoßkirch, Roland Haug, Anklage wegen falscher uneidlicher Aussage erhoben. Er war im Februar als Zeuge vor dem Landgericht geladen und widersprach Aussagen von zwei Kriminalbeamten. Der Termin für die öffentliche Verhandlung vor dem Amtsgericht steht noch nicht fest.
Alle und die Entwicklung finden Sie in einem Online-Dossier unter