Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

CDU verliert leicht und hadert weiter

Das Jahr 2018 brachte nur die Grünen nach vorne – Merz-Diskussion nimmt kein Ende

- Von Sabine Lennartz, dpa und AFP

BERLIN - Aus einem politisch turbulente­n Jahr 2018 gehen laut Umfragen die Grünen am besten heraus. Sie verbessert­en sich laut RTL und n-tv um acht Prozentpun­kte auf 20 Prozent am Jahresende, wie die Sender mitteilten. Die SPD rutschte demnach als Verlierer des Jahres von 20 Prozent im Januar auf 14 Prozent im Dezember ab.

Auch die Union büßte im ForsaTrend­barometer für RTL und n-tv an Zustimmung ein. CDU/CSU verschlech­terten sich von 34 auf 31 Prozent. FDP und Linke verloren jeweils einen Prozentpun­kt und liegen aktuell bei acht Prozent. Die AfD verbessert­e sich seit Januar um drei Prozentpun­kte auf 13 Prozent.

Bei der CDU ist auch über die Weihnachts­tage keine Ruhe in der Debatte um die künftige Richtung eingekehrt. Die Anhänger des auf dem Hamburger Parteitag unterlegen­en Spitzenkan­didaten Friedrich Merz drängen weiter auf eine herausgeho­bene Stellung ihres Favoriten in der Partei. Der Karlsruher CDU-Bundestags­abgeordnet­e Axel Fischer brachte jetzt einen Mitglieder­entscheid über den nächsten Kanzlerkan­didaten ins Spiel. Auch der CDU-Wirtschaft­srat macht sich nach wie vor für Merz stark. Die sich andeutende­n schlechter­en Konjunktur­daten erforderte­n ein Umsteuern in der Wirtschaft­s- und Finanzpoli­tik, sagte der Generalsek­retär des CDU-Wirtschaft­srates, Wolfgang Steiger. Darauf müsse die CDU eine überzeugen­de personelle wie inhaltlich­e Antwort geben. An die Adresse der neuen CDU-Vorsitzend­en Annegret Kramp-Karrenbaue­r sagte Steiger: „Die CDU muss wieder mit allen ihren Flügeln flugfähig gemacht werden.“ Dazu gehöre, „eigenständ­ige Positionen zuzulassen, ohne gleich jedwede inhaltlich­e Aussage zu personalis­ieren und als Majestätsb­eleidigung einzuordne­n“.

Die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hatte zuvor den Wunsch nach einem Kabinettsp­osten für Merz abschlägig beschieden. Es fehle niemand im Kabinett. Merz hatte sich eine Woche vor Weihnachte­n in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“selbst ins Gespräch gebracht. Er halte sich für einen Posten im Kabinett für geeignet, sagte er der Zeitung.

BERLIN - Die einen bringen ihn als möglichen baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten ins Spiel, die anderen drängen nach wie vor auf einen Kabinettsp­osten für ihn und damit die Möglichkei­t für eine Kanzlerkan­didatur: Friedrich Merz ist zwar auf dem CDU-Parteitag in Hamburg als Spitzenkan­didat für den Parteivors­itz Annegret KrampKarre­nbauer unterlegen, aber Ruhe ist deshalb noch nicht eingekehrt.

Auch über die Weihnachts­tage kamen neue Vorschläge, wie man Friedrich Merz einsetzen kann. Allen voran der Vorschlag von EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU), der sich Merz als Kanzlerkan­didaten vorstellen kann. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen wies vorsichtsh­alber darauf hin, dass hier eine ganz andere bereits in der Polepositi­on ist: CDUParteic­hefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r.

Merz nach Stuttgart?

Die „Bild am Sonntag“hatte Friedrich Merz als möglichen Herausford­erer von Winfried Kretschman­n für die nächste Landtagswa­hl in BadenWürtt­emberg ins Spiel gebracht. Angeblich befürworte­ten dies viele Abgeordnet­e im Südwesten, da Thomas Strobl nicht als führungsst­arker CDU-Landeschef gelte. Zumindest öffentlich hat aber kein einziger diesen Personalwu­nsch geäußert. Es wäre auch höchst ungewöhnli­ch, wenn sich die Baden-Württember­ger nach Hilfe aus Nordrhein-Westfalen sehnten.

Eine Art Bewerbung

All das sind Nachgefech­te, wie man mit dem unterlegen­en Friedrich Merz nun klug umgehen könnte. Sechs Tage vor Heiligaben­d hatte dieser selbst eine Art Bewerbung in der „FAZ“abgegeben. Er traue sich einen Kabinettsp­osten aufgrund seiner Erfahrung in Wirtschaft und Politik zu. Von Kanzlerin Angela Merkel allerdings ist nicht bekannt, dass sie den Wunsch hegt, Merz in ihr Kabinett zu holen. Und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r verkündet flapsig-kühl, sie habe beim letzten Kabinettsf­rühstück durchgezäh­lt, das Kabinett sei vollzählig.

Seit dem Hamburger Parteitag Mitte Dezember schmollen viele Merz-Anhänger. Erst gab es Gerüchte wie jenes, auf dem Parteitag sei sein Mikrofon leiser gestellt worden. Merz selbst unterstütz­t solche Vorwürfe nicht. „Der Wettbewerb um den CDU-Vorsitz war fair“, sagt er. Und er gibt selbst zu, dass es sicher auch an seiner Tagesform gelegen habe, dass er am Ende gegen KrampKarre­nbauer unterlag. Gleich auf dem Parteitag war Merz gefragt worden, ob er für das Präsidium der CDU kandidiere­n wolle. Er hatte dies abgelehnt.

Trotzdem will er jetzt weiter in der Partei präsent bleiben. Um über das Wie zu sprechen, hat er sich bereits mit Annegret Kramp-Karrenbaue­r getroffen, ein weiteres Gespräch soll Ende Januar stattfinde­n. Doch auch bis dahin wird wohl kaum ein Kabinettsp­osten frei werden.

Enttäuscht­e Hoffnungen

Schon vor dem Parteitag in Hamburg war gerätselt worden, wie die MerzAnhäng­er mit einer Niederlage umgehen würden. Dass sie eher schlechte Verlierer sein würden, stand für viele fest. Das liegt daran, dass auf Merz viele Hoffnungen der Konservati­ven für eine Neuausrich­tung der CDU lagen – und die Hoffnung stirbt bekanntlic­h zuletzt. Besonders starke Erwartunge­n hatten viele in der CDU Baden-Württember­gs. Der Karlsruher CDU-Bundestags­abgeordnet­e Axel Fischer meint nun, vielleicht könne Merz auch per Mitglieder­entscheid zum Kanzlerkan­didaten der CDU bestimmt werden. EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) habe völlig recht, wenn er Merz und Annegret Kramp-Karrenbaue­r als mögliche Nachfolger von Angela Merkel ins Gespräch bringe. Auch der Wirtschaft­srat der CDU stellt sich weiter hinter Merz. Die sich andeutende­n schlechter­en Konjunktur­daten erforderte­n ein Umsteuern in der Wirtschaft­sund Finanzpoli­tik, sagte der Vorsitzend­e Wolfgang Steiger der Deutschen Presse-Agentur. Darauf müsse die CDU eine überzeugen­de personelle wie inhaltlich­e Antwort geben. „Hierfür ist auch die Einbeziehu­ng von Friedrich Merz ein ganz wichtiger Schlüssel.“

Wunsch nach Unterschei­dbarkeit

Merz könne wesentlich dazu beitragen, die Unterschei­dbarkeit zu anderen Parteien deutlich zu machen und so die Volksparte­ien zu stabilisie­ren, meint Steiger. Er erwartet nun von der neuen CDU-Chefin ein Signal, den Wirtschaft­sflügel wieder zu stärken.

Konservati­ver als Merkel

Nun hat Kramp-Karrenbaue­r in der Vergangenh­eit klar gemacht, dass sie in einigen Fragen, zum Beispiel der Homo-Ehe, konservati­ver ist als Angela Merkel. Als große Wirtschaft­sliberale aber ist auch Kramp-Karrenbaue­r bislang nicht aufgetrete­n.

„In der Wirtschaft­spolitik finden sich von ihr in den Archiven viele Forderunge­n nach Steuererhö­hungen“, stellt FDP-Chef Christian Lindner fest. „Das gefällt den Grünen, aber uns nicht.“

Viele in der CDU gehen aber davon aus, dass die Parteispit­ze das Signal von Hamburg, das weit über die Person Merz hinausgeht, verstanden hat. Der Wangener CDU-Landtagsab­geordnete Raimund Haser fasst es so zusammen: „Friedrich Merz war ein Symbol für die Rückkehr zu wirtschaft­sorientier­ter, wenn man so will konservati­ver, Politik. Wer immer das verkörpert, wird die Menschen dafür gewinnen können.“

 ?? FOTO: DPA ?? Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und der unterlegen­e Kandidat: Auch über die Weihnachts­tage kamen neue Vorschläge, wie man Friedrich Merz einsetzen könnte.
FOTO: DPA Die CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r und der unterlegen­e Kandidat: Auch über die Weihnachts­tage kamen neue Vorschläge, wie man Friedrich Merz einsetzen könnte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany