Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Café Schmidt schließt nach 54 Jahren

Zu viel Bürokratie und kein Fachperson­al – Nachfolger stehen schon fest – Neue Projekte

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Schlechte Nachrichte­n für alle Fans von guten Kuchen und leckeren Torten. Das Weingarten­er Traditions­unternehme­n Café Schmidt schließt Ende April 2019. Das hat Geschäftsf­ührer Martin Schmidt im SZ-Gespräch bestätigt. Besonders der enorm gestiegene bürokratis­che Aufwand und der anhaltende Personalma­ngel hätten letztlich den Ausschlag gegeben. Immerhin wollen die Geschwiste­r Martin und Alexandra Schmidt den Weingarten­ern mit zwei neuen Projekten erhalten bleiben. Doch zunächst ist es das Ende einer 54-jährigen Ära. „Die Entscheidu­ng ist uns sehr schwergefa­llen. Wir waren die letzten Mohikaner“, sagt Martin Schmidt.

Bereits im Jahr 1965 gründeten Inge und Franz Schmidt, die Eltern von Martin und Alexandra, das Café in der Karlstraße. 13 Jahre später folgte dann der Umzug an den Löwenplatz, wo es bis heute Backwaren, Torten und gutes Essen gibt. Im Jahr 2004 übernahm der gelernte Konditor Martin Schmidt dann das Unternehme­n und machte eine GmbH daraus. Später stieg dann auch seine Schwester Alexandra wieder mit ein. Doch bereits seit vier Jahren überlegt die Familie, wie man das Unternehme­n sinnvoll umstruktur­ieren kann. Gemeinsam mit der zweiten Schwester und den Eltern wurde nun die Entscheidu­ng getroffen, Bäckerei, Café und Konditorei aufzugeben. „Meine Eltern sind besonders wehmütig, aber sie verstehen das auch“, sagt Martin Schmidt. „Für uns als Familie ist es aber vor allem eine Erleichter­ung. Das Arbeitspen­sum ist der Wahnsinn.“

Jeden zweiten Samstag hatte Martin Schmidt in der Vergangenh­eit frei. Die übrigen 13 Tage arbeitete er – definitiv keine Dauerlösun­g. Besonders weil die Belastung, gerade durch bürokratis­che Vorgaben, in den vergangene­n Jahren immer weiter gestiegen sei. „Ich bin gar nicht mehr in der Backstube, sondern nur noch im Büro. Als Handwerker wird man heutzutage drangsalie­rt“, meint Schmidt. Zudem wurde das umfangreic­he Angebot, von Praline bis Schnitzel, wie er selbst sagt, zum Problem. Denn hierfür braucht es ganz unterschie­dlich spezialisi­ertes Fachperson­al, das einfach nicht mehr zu finden sei. „Der Markt ist leer. Für die Betriebe ist das ein Fiasko“, sagt Schmidt.

All das hat letztlich dazu geführt, dass das Café Schmidt am 26. April letztmals unter diesem Namen öffnen wird. Bis dahin wird das bisherige Angebot aufrechter­halten. Nach wenigen Tagen Umbau- und Übergangsz­eit soll dann ab Mai eine Filiale der Bäckerei Schwarz aus Lindenberg im Allgäu unter dem Motto „Bäcker für Entdecker“in die Räumlichke­iten ziehen. Dahinter steht die Familie Neumann, die ursprüngli­ch aus der Fränkische­n Schweiz stammt, aber schon vor 20 Jahren den Betrieb der Familie Schwarz übernommen hat. „Uns war wichtig, dass ein Pächter kommt, der das Café auch weiter betreibt“, erklärt Schmidt. „Das ist kein Abstieg. Bei der Bäckerei und dem Café liefern sie die gleiche Qualität.“

Übernahme und Kündigunge­n

Das bedeutet auch, dass Bäckerei und Café auch in Zukunft am Sonntag geöffnet haben und die Öffnungsze­iten weitestgeh­end beibehalte­n werden. Und auch beim Personal soll sich nur bedingt etwas ändern. Einen Großteil der mittlerwei­le 64 Mitarbeite­r des Café Schmidt wolle der neue Pächter übernehmen, so Schmidt. Sechs Mitarbeite­rn aus der Produktion müsse man leider kündigen. „Um die mache ich mir aber bei ihrem Können überhaupt keine Sorgen“, sagt Schmidt, der aber auch weiß, dass mit der Entscheidu­ng auch ein Stück Weingarten­er Kultur verloren geht. Denn die Familie Neumann wird die Tradition der Konditorei nicht weiterführ­en. „Die hohe Konditorku­nst geht verloren“, weiß auch Schmidt.

Doch indirekt wird seine Schwester Alexandra zumindest einen kleinen Teil dieses Spektrums weiterführ­en. Sie wird sich unter dem Namen „erste Sahne“auf Hochzeitsu­nd Motivtorte­n spezialisi­eren, die aber immer bestellt werden müssen. Ihr Bruder Martin wird sich derweil noch intensiver den glutenfrei­en Backwaren widmen. Bereits im Jahr 2016 ist mit der Marke „grünes Korn“ein neuer Geschäftsb­ereich erschlosse­n worden. Weil Martin Schmidt damit bisher sehr erfolgreic­h war, baut er diesen Bereich aus, wird auch einige seiner bisherigen Mitarbeite­r übernehmen und seine Produkte ab Februar immer mittwochs auf dem Weingarten­er Wochenmark­t verkaufen.

Kleines Trostpflas­ter

Doch komplett können und wollen die beiden Geschwiste­r den starken Bezug der Familie zur Konditorei dann doch nicht aufgeben: Die allseits beliebte Mandelmakr­one „Charlotte“, die Vater Franz Schmidt in seiner Lehrzeit im Café Himmel in Weingarten kennengele­rnt und später ein eigenes Rezept hierfür entwickelt hat, soll es weiterhin geben.

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FOTO: CAFÉ SCHMIDT/DEREK SCHUH Gehen beruflich künftig getrennte Wege: Alexandra und Martin Schmidt.

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