Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schlüsseldienst zockt Friedrichshafenerin ab
27-Jährige verlegt ihren Wohnungsschlüssel und muss für Türöffnung über 400 Euro bezahlen
FRIEDRICHSHAFEN - Schlüssel verlegt, verloren, oder am Morgen vor dem Gang zur Arbeit gar nicht eingesteckt. Wie auch immer: Man will in die eigene Wohnung und kommt nicht hinein – steht womöglich auch noch unter Zeitdruck. Was tun? Einen Schlüsseldienst anrufen, was sonst. Doch damit fing der Albtraum für eine 27-jährige Häflerin vor einigen Wochen erst richtig an. Unglaublich anmutende 414 Euro wurden von ihr für eine simple Türöffnung verlangt. Doch damit nicht genug. Weil sie nicht genug Bargeld zur Hand hatte, wurde sie vom ausführenden Handwerker massiv unter Druck gesetzt, musste das Geld sofort am Bankautomaten abholen. Die versprochene Rechnung hat sie bis heute nicht bekommen. Mittlerweile hat sie Strafanzeige wegen Wuchers gestellt. Ihre Chancen auf Erfolg? Eher durchwachsen.
Normalpreis zwischen 70 und 120 Euro
Auf das Missgeschick sei seine Tochter kurz nach 18 Uhr aufmerksam geworden, erzählt ihr Vater. Sie habe daraufhin bei Google den Suchbegriff „Schlüsseldienst Friedrichshafen“eingegeben und sei auf einer Homepage eines Anbieters gelandet. Dort wird unter anderem mit „Schlüsseldienst ab fünf Euro“geworben. Dass dahinter eine Firma in einem anderen Bundesland stecke, sei auf den ersten Blick in keiner Weise zu erkennen gewesen. Auch dass man bei dieser Suche aufpassen muss, um nicht bei einem der vielen schwarzen Schafe der Branche zu landen, habe er erst beim genaueren Recherchieren herausbekommen.
Ein Blick auf den Internetauftritt der Firma: „Wir sind eine Vermittlerfirma und vergeben Aufträge an kompetente und ausgewählte Schlüsselnotdienst-Firmen“, ist dort zu lesen. „Diesbezüglich haften wir nicht für die Preise, nicht für die Ausführung, nicht für die Schnelligkeit und auch nicht für die Qualität der Partnerfirmen“, heißt es weiter.
Eine „normale Türöffnung“einer seriösen Firma kostet je nach Tageszeit und Wochentag etwa 70 bis 120 Euro – wie aus einer Umfrage der Verbraucherzentralen hervorgeht. „Tagsüber und an Werktagen fällt bei mir für die Öffnung einer Tür in Friedrichshafen ein maximaler Komplettpreis von 70 Euro an“, so die Aussage von Mehmet Cifci, Inhaber des gleichnamigen Schlüsseldienstes im „Marktkauf“an der Ailinger Straße. „Das Problem liegt an den Anzeigen im Internet und in den Gelben Seiten – da kann sich jeder eintragen“, sagt er und ist sich durchaus bewusst, dass es in seiner Branche zahlreiche unseriöse Anbieter gibt. „Ich weiß auch aus den Gesprächen mit Kunden, das manche Leute für eine simple Türöffnung schon 1 000 Euro und mehr bezahlt haben“, sagt Mehmet Cifci. Sein Tipp: „Bei der Auswahl des Schlüsseldienstes darauf achten, dass er auch ein Ladengeschäft im Stadtgebiet hat – und damit auch bei Problemen greifbar ist.“
Wie aber kann man sich wehren, wenn man in seiner Notlage mit einem offensichtlichen Wucherpreis konfrontiert wird? „Im Zweifelsfall die Polizei anrufen“, betont Markus Sauter, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Konstanz. Noch besser sei, vor Vergabe des Auftrags nach Preisen und Fahrtkostenpauschalen und sich über branchenübliche Handwerkerpreise zu informieren. Natürlich ist man auch bei der Feuerwehr in der Lage, verschlossene Türen zu öffnen. „Wir wollen aber gewerbetreibenden Firmen keine Konkurrenz machen“, sagt Friedrichshafens Stadtbrandmeister Louis Laurösch. Für eine Türöffnung stehe die Feuerwehr deshalb nur zu Verfügung, wenn Gefahr im Verzug sei, wenn es sich um medizinische Notfälle handle oder besondere Eile geboten sei.
„Trotz der Notsituation einen kühlen Kopf bewahren“, rät Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Vergleichen Sie vorab die Angebote und Preise der ortsansässigen Schlüsseldienste – und vereinbaren Sie einen verbindlichen Komplettpreis“, sagt er. Darüber hinaus solle man sich auf eine Barzahlung nur einlassen, wenn eine detaillierte Rechnung vorliege und diese der Vereinbarung entspreche. „Wenn Sie nicht genügend Bargeld zur Verfügung haben, bestehen Sie auf eine Zahlung per Rechnung und fahren Sie nicht mit dem Monteur zum nächsten Geldautomaten“, betont Matthias Bauer. „Sollte der gerufene Handwerker Sie unter Druck setzen, etwa indem er droht, die Tür wieder zu verschließen, zögern Sie nicht, die Polizei über den Notruf 110 zu rufen. Nötigung ist strafbar!“
Einen Ersatzschlüssel in der Nähe der Wohnungstür zur „verstecken“, davon raten die Experten ab. Alle gängigen Verstecke wie Fußmatten oder Blumenkübel seien auch potentiellen Einbrechern bekannt, sagt Polizeisprecher Markus Sauter. Sein Rat ist eindeutig: „Einen Schlüssel bei einer Person des Vertrauens zu hinterlegen, kann im Notfall viel Ärger ersparen.“