Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sie nehmen ihre Zukunft in die Hand
Wie Asylbewerber aus der Gemeinde Wilhelmsdorf in ihre Berufslaufbahn starten
WILHELMSDORF - Sie haben alle denselben Traum: eine gesicherte Zukunft im für sie fremden Deutschland. Eine der Voraussetzungen dafür ist eine anerkannte Berufsausbildung mit einem anschließend festen Arbeitsplatz. Für einige Asylbewerber, die in der Gemeinde Wilhelmsdorf eine neue Heimat fanden, ging dieser Traum in Erfüllung. Viele andere arbeiten noch daran, eine solche erträumte Zukunft zu gestalten. Die „Schwäbische Zeitung“stellt heute – stellvertretend für viele andere Asylbewerber – neun Flüchtlinge aus Gambia, Syrien und Pakistan vor, die ihr Schicksal engagiert in die eigenen Hände nahmen.
Einige davon wissen, dass sie zumindest in den kommenden Jahren ihren Platz fern der Heimat gefunden haben, weil sie alle geforderten Voraussetzungen erfüllt haben. Andere müssen jeden Tag damit rechnen, dass ihnen der Bescheid mit der Aufforderung ins Haus flattert, Deutschland wieder zu verlassen.
Zurzeit leben in Wilhelmsdorf 108 Asylbewerber in der vorläufigen sowie der sogenannten Anschlussunterbringung. Um diese Menschen sowie um viele andere, die seit 2013 der 5000-Einwohner-Gemeinde Wilhelmsdorf zugewiesen wurden, kümmern sich die über 30 Mitglieder des vor fünf Jahren gegründeten Unterstützerkreises Asyl. Im Herbst 2013 kamen die ersten 24 Flüchtlinge aus Afrika in der Riedgemeinde an. Ein Haus in der Riedhauser Straße wurde für sie zur vorübergehenden Unterkunft. Einer von denen, die sich intensiv mit großem Einsatz um die Asylbewerber kümmerte, war und ist Franz Mayer, der schräg gegenüber der Flüchtlingsunterkunft wohnt. Innerhalb des Unterstützerkreises ist er vor allem zuständig, den Betreuten eine Ausbildungsoder Arbeitsstätte sowie Wohnungen zu beschaffen. Seine Frau Gabriele unterstützt ihn tatkräftig.
50 Flüchtlinge integriert
„Die Leute im Dorf erwarten von den Asylbewerbern, dass sie sich anständig benehmen und in die Gesellschaft einfügen“, sagt Onkel Franz, wie Mayer von seinen Schützlingen hochachtungsvoll angesprochen wird. Dazu gehört das Erlernen der deutschen Sprache und das im gesetzlichen Rahmen Bemühen um eine Beschäftigung, durch die der eigene Unterhalt samt Miete für eine eigene Wohnung bestritten werden kann. Nach Schätzung von Franz Mayer konnten so mithilfe des Unterstützerkreises im Laufe der Jahre über 50 Flüchtlinge integriert werden. „Nur durch die enge Begleitung war es möglich, Arbeit und Wohnungen zu finden. Ganze Familien kümmerten sich intensiv um ein oder zwei Asylbewerber. Sie boten einen beinahe familiären Zusammenhalt. Das war und ist unsere Stärke“, blickt Franz Mayer zufrieden auf die geleistete humanitäre Arbeit.
Eine wichtige Rolle bei der Bewältigung ihrer eigenen Lebenssituation bilden die gesetzlichen Vorgaben. Immer wieder wird intensiv diskutiert, dass Flüchtlinge, die eine Ausbildung absolvieren und integrationswillig sind, auch dann bleiben dürfen, wenn ein Asylgrund eigentlich nicht vorliegt. Die Wirtschaft fordert immer wieder, Möglichkeiten durch eine gesetzliche Übergangsregelung zu schaffen. Das Modell „Drei plus zwei“, das für drei Ausbildungsjahre mit anschließender zweijähriger Beschäftigung steht, wird dabei favorisiert.
Ende 2018 hat die Große Koalition ein Einwanderungsgesetz verabschiedet, das auch bei den großen Wirtschaftsverbänden in Deutschland Zustimmung gefunden hat.