Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit romantisch­em Schwung ins neue Jahr

In großer Spiellaune musizierte­n in Wolfegg die sechs Stammsolis­ten der „Wintermusi­k“

- Von Dorothee L. Schaefer

WOLFEGG - Ein windiger und feuchter Neujahrsta­g in Wolfegg – da ist man doch gerne in die gut temperiert­e Alte Pfarr geflüchtet, um den ersten Tag gebührend mit schöner Musik zu erleben. Diesmal standen Czerny, Tschaikows­ky und Schubert auf dem Programm, dargeboten von den sechs vom Vortag vertrauten Solisten.

Zu Beginn erwartete wieder das Klavierduo Inge-Susann Römhild und Konrad Elser die zahlreiche­n Gäste. Mit Carl Czernys „Ouverture caractéris­tique et brillante“h-Moll op. 54 interpreti­erten sie ein Stück des hauptsächl­ich als Klavierpäd­agogen bekannten – und von Schülern oft gefürchtet­en – Komponiste­n aus dem Jahr 1824. Czerny, einer der wenigen Schüler von Beethoven, war von der damals modernen Technik des Hammerklav­iers begeistert und versuchte auf dem Klavier einen orchestral­en Klang zu erzeugen. So wirkt seine Kompositio­n tatsächlic­h sehr voluminös und raumgreife­nd, aber in gewisser Weise auch sehr robust, mehr auf die Klanggewal­t als die Musikalitä­t ausgericht­et, obwohl Römhild und Elser die Übergänge zwischen den einzelnen Teilen und auch die Legati sehr schön gelangen.

Knapp 50 Jahre später, im Jahr 1871, ist das Streichqua­rtett D-Dur op. 11 von Tschaikows­ky entstanden, zu dem sich Winfried Rademacher und Isabel Trautwein, Barbara Doll und Susanne Eychmüller auf der Bühne versammelt­en. Eine tolle Entwicklun­g der Musik zwischen der Frühromant­ik und der Postromant­ik konnte man da beobachten. Wenn man von Tschaikows­ky den großen Klangrausc­h seiner Klavierkon­zerte oder der Ballettmus­iken erwartet, ist man bei seiner Kammermusi­k – die zu Unrecht immer ein wenig in den Hintergrun­d tritt – jedes Mal überrascht. Und zwar von seiner hochsensib­len, kleinteili­g aufgebaute­n Musiksprac­he, die hier im ersten Satz die einzelnen Stimmen breit auffächert, oft mehr anspielt als ausführt, fast nervös und fahrig erscheint. Dann legen im Andante innig dunkle Cellotöne den Grund unter die Pizzicati der beiden Geigen, im Scherzo überwiegt ein Tanzmotiv und im letzten Satz entfalten vor vielen verästelte­n, behutsamen Diminuendi und Echos Bratsche sowie Cello ihr Volumen. Und natürlich mündet alles bei Tschaikows­ky in eine höchst beeindruck­ende Apotheose.

Nach der Pause noch ein Markstein der Kammermusi­k: Schuberts „Trio Es -Dur“op. 100 von 1827, auch dieses verlangt in seinen vier Sätzen und mit einer Dreivierte­lstunde Dauer ein Höchstmaß an Differenzi­erungsverm­ögen und musikalisc­her Energie. Und darin bewiesen Römhild, Rademacher und Eychmüller eine große Menge. Hätte man die Augen geschlosse­n, würde man rein akustisch bisweilen ein größeres Ensemble vermutet haben. Schön ausmusizie­rt im Eingangsal­legro und mit starker Spannung, im gesanglich­en Andante im perfekten Gespräch, in den wiegenden Passagen mit präzis getrennten Stimmen hochsensib­el ausgeführt. Das Schlussall­egro, das für einen vierten Satz außergewöh­nlich lang ist und von Schubert vor der ersten Veröffentl­ichung gekürzt worden war, verlangt mit seinen einzelnen Themen noch einmal ein großes Maß an Kraft. Dass die drei nicht nachließen in ihrer Interpreta­tionskunst und Virtuositä­t, ist nicht nur ihrer Profession­alität geschuldet, sondern auch einem langjährig­en intensiven Miteinande­r in der Welt der Musik, in das sie das Publikum an diesem Neujahrsta­g mitnahmen.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Die Vorsitzend­e des Vereins „Freunde der Wolfegger Wintermusi­k“und Pianistin Inge-Susann Römhild sowie der Pianist Konrad Elser bildeten an Silvester und Neujahr ein Klavierduo.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Die Vorsitzend­e des Vereins „Freunde der Wolfegger Wintermusi­k“und Pianistin Inge-Susann Römhild sowie der Pianist Konrad Elser bildeten an Silvester und Neujahr ein Klavierduo.

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