Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
China erobert das Weltall
Sonde „Chang’e 4“auf Mond-Rückseite gelandet – Machtpolitische Auswirkungen möglich
PEKING/KIEL - China hat als erstes Land der Welt eine Raumsonde auf die Rückseite des Mondes gebracht und damit im Ringen um die Vorherrschaft im Weltall einen Prestigeerfolg errungen. Die unbemannte Sonde „Chang’e 4“landete am Donnerstagmorgen um 3.26 Uhr (MEZ) am Aitken-Krater in der Nähe vom Südpol des Mondes. Im chinesischen Staatsfernsehen war von einer historischen Landung und einem großen technologischen Durchbruch die Rede. Minuten nach der Landung funkte die Sonde erste Bilder zur Erde, auf denen die Oberfläche des Mondes zu sehen ist (siehe oben).
Weltweit zollten Wissenschaftler der Leistung Respekt – auch in Deutschland. Der Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, Jan Wörner, gratulierte und sagte: „Ich habe schon in der Vergangenheit immer wieder drauf hingewiesen, dass China ein beeindruckendes Raumfahrtprogramm verfolgt.“Das sei durch die Landung von „Chang’e 4“eindrucksvoll belegt worden. Ralf Jaumann, ein Mondforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, sagte: „Damit haben die Chinesen gezeigt, dass sie ganz vorne mitspielen.“
„Das ist schon ein enormer Prestigegewinn“, sagte der Dortmunder Raumfahrtexperte Johannes Weyer im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Der Professor für Technologiesoziologie verwies zudem auf die machtpolitischen Auswirkungen. „In den 1950er- und 60erJahren war es der Wettkampf der Russen und Amerikaner“, sagte Weyer, „nun kommen die Chinesen dazu.“Die erste sanfte Mondlandung war 1966 der Sowjetunion mit der Sonde „Luna 9“gelungen. 1959 war „Luna 2“auf dem Mond zerschellt. 1969 betrat erstmals ein US-Astronaut den Erdtrabanten. China ist nun die erste Nation, die auch auf der von der Erde abgewandten Seite des Mondes gelandet ist. Weyer sagte dazu: „Nach wie vor gilt: Wer den Weltraum beherrscht, beherrscht auch die Erde. Und das ist nicht zuletzt militärisch gemeint.“
Offiziell geht es den Chinesen um ambitionierte Forschungsprojekte. So befindet sich an Bord der „Chang’e 4“ein Roboterfahrzeug, das in einem nächsten Schritt das Terrain um die Landestelle erkunden soll. Geplant sind auch Experimente mit niedrigen Radiofrequenzen. Ohne die Erdatmosphäre und andere Störungen können Astronomen in der Stille des Alls besser Signale auffangen und hoffen auf neue Erkenntnisse über die Entstehung der Sterne. Zudem hat „Chang’e 4“Saatgut geladen, mit dem geprüft werden soll, ob Gemüseanbau in einer geschlossenen Umgebung bei der niedrigen Schwerkraft auf der Mondoberfläche möglich ist.
Auch die Universität Kiel ist mit einem Projekt zur Neutronenstrahlung auf dem Mond an der chinesischen Mission beteiligt. Die ermittelten Daten sollen helfen, zukünftige bemannte Mondmissionen vorzubereiten. 2019 plant China zunächst eine weitere unbemannte Mondlandung, bis 2030 soll erstmals ein Chinese den Erdtrabanten betreten.
RAVENSBURG (ben) - In den vergangenen Jahrzehnten stand vor allem der Mars, der legendäre rote Planet, im Zentrum des Interesses. Nun ist der Mond wieder in den Mittelpunkt gerückt – nicht nur bei den Verantwortlichen der Volksrepublik China, sondern auch bei den Raumfahrtagenturen des Westens. Für die USamerikanische Raumfahrtbehörde Nasa ist das Raumschiff Orion das mit Abstand wichtigste Projekt der kommenden Jahre. Schon 2020 soll es unbemannt den Mond umkreisen – und damit die USA und Europa erstmals wieder unabhängig machen von den russischen Sojus-Kapseln, mit denen die Astronauten zuletzt zur Internationalen Raumstation ISS geflogen sind. Im Jahr 2023 soll Orion dann auch Menschen mit ins All nehmen.
Die Nasa stemmt das Projekt jedoch nicht allein, die europäische Raumfahrtbehörde Esa unterstützt die Bemühungen der USA: Sie verantwortet das Service-Modul des Orion-Raumschiffs. Gebaut haben es die Ingenieure des europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmens Airbus Defence and Space am Standort in Bremen. Das Modul ist das der Orion. Es sitzt unterhalb der CrewKapsel, beinhaltet das Haupttriebwerk, regelt Klima, Strom und Temperatur und versorgt das komplette Raumschiff mit Treibstoff, Sauerstoff und Wasser.
„Es ist das erste Mal, dass die Nasa missionskritisches Material in Europa einkauft“, sagte Airbus-Sprecher Ralph Heinrich der „Schwäbischen Zeitung“. Das Unternehmen, das auch am Bodensee in Immenstaad präsent ist und dort vor allem Satelliten baut, spricht von einem großen Vertrauensbeweis der Nasa. „Unser Engagement wird sehr positiv gesehen – überall ist dieser besondere amerikanische Spirit zu spüren“, erläuterte Heinrich. Klar ist aber auch: „Die Amerikaner setzen auf Kooperation, weil sie wissen, dass sie Orion und Gateway allein nicht stemmen können.“Ein erstes Service-Modul für die Orion ist im November fertiggeworden, Airbus hat es bereits wenige Tage später per Flugzeug an das Kennedy Space Center in Florida geliefert. Später soll Orion eine um den Mond kreisende Station namens Gateway ansteuern.
Bei Chinas aktueller Mondmission ist auch die Universität Kiel mit einem Projekt beteiligt. „Wir wollen mit unserem Lunar Lander Neutron Dosimetry (LND) vor allem die Neutronen-Strahlung erforschen“, sagte Teamleiter Robert WimmerSchweingruber. „Denn die Strahlenexposition ist das größte unkontrollierte Risiko für Astronauten-Missionen.“Die Daten sollen helfen, zukünftige bemannte Mondmissionen vorzubereiten.